Problem von Anna - 22 Jahre

http://mein-kummerkasten.de/219597/Bin-suizidal.html (2)

Liebes KuKaTeam (insbesondere Liebe Andrea, die meine erste Nachricht beantwortet hat)!

Das ist ein Feedback zu meinem Problem auf http://mein-kummerkasten.de/219597/Bin-suizidal.html .
Erstmal ganz vielen Dank für deine so schnelle Nachricht. Es hat mich echt gefreut, dass du dir so viel Zeit genommen hast und mir so eine lange Nachricht geschrieben hast. Ich hab mich schon auf eine lange Wartezeit eingestellt, aber dem war Gott sei Dank nicht so. Ich weiß das sehr zu schätzen.

Zuerst mein Studium: Es ist eigentlich so, dass es ein Massenstudium ist, wo man keine besonderen Talente haben muss. Ich hab es vermutlich auch deshalb gewählt. Beim Bildungsberater (der bei mir eigentlich nur das, was ich vorgeschlagen habe, unterstützt hat) hab ich gesagt, dass ich glaube, dass das was für mich sei, und er hat dann gesagt, das kann er sich gut vorstellen, weil man danach eh sehr viel machen kann. Und das wars. Ich hab mir da eigentlich nie so große Gedanken gemacht, weil Berufstests bei mir auch immer in verschiedene Richtungen gegangen sind (bzw auch verschieden ausgefallen sind). Ich kann mir auch keine andere Richtung eher vorstellen, als die, die ich gerade mache, weil ich wirklich in keine Richtung besonders begabt oder interessiert bin, sondern eben von allem ein wenig. Darum spricht jetzt nicht viel gegen meine gewählte, bzw für eine andere Richtung. Und obendrein würde ich dann die Familienbeihilfe verlieren, weil ich ja schon länger als 2 Semester in dieser Richtung studiere, was ja die Deadline für die Ansprüche ist. Es tut mir Leid, dass das jetzt alles halbherzig wirkt und es irgendwie so wirkt, als ob ich das Privileg, dass ich studieren darf, nicht schätze. Das tue ich wirklich, aber ich begeistere mich nicht so für das Fach oder für irgendein anderes Fach. Ganz am Anfang hat es mir eigentlich schon ganz gut gefallen, aber dann ist das ganze ziemlich schnell zusammengefallen. Ich war dann schon noch gut und hab gelernt, aber ich habs nicht mehr aus Interesse gemacht. Das war bereits im 2. Semester. Aber ich war noch zuversichtlich. Ich hab gedacht, dass ich jetzt eben komische Kurse habe und nicht mehr die leichten vom ersten Abschnitt. Es würde sicher besser werden. Dann hab ich begonnen nebenbei am Computer Serien und Filme anzuschauen, das waren am Anfang nur ein paar pro Tag und im nächsten Jahr hat sich das ziemlich gesteigert. Das ist jetzt aber auch nicht mehr so schlimm. Ich meine ich computere weit mehr als der Durchschnittsstudent, das weiß ich, aber nicht mehr vom Aufstehen bis zum Schlafengehen ohne Pause. (Obwohl mich meine Eltern (mit einer sicher gewissen Berechtigung) noch computersüchtig nennen.) Aber lernen kann ich trotzdem nicht, denn da finde ich immer wieder neue Sachen, die ich tun könnte wie lesen, zusammenräumen, herumkritzeln etc. Ich kann mich einfach nicht dazu überwinden.

Dieser imaginären Freundin, die mit meinem Problem zu mir kommen würde, würde ich wahrscheinlich auch raten, dass sie ein (Massen-)Studium macht, wo man eben nachher in verschiedene Richtungen gehen kann, damit sie die richtige Entscheidung, was sie jetzt eigentlich machen soll, noch etwas verschieben kann. Rein objektiv war das vermutlich keine schlechte Entscheidung. Es wäre schön, wenn ich das auch empfinden würde.

Bei Praktika ist es ja immer so, dass man die ja schon im Oktober verfassen muss, und da habe ich immer das Gefühl, dass die ganzen Firmen ohnehin nur die nehmen, die entweder extrem gut sind, oder die Leute dort kennen. Ich bräuchte ja für ein Praktikum schon ein Praktikum, denn die nehmen ja auch nie Leute ohne Erfahrungen. Ich hab mir mal solche Flyer durchgelesen, und da hat sich alles in mir zusammengezogen, weil ich da ja sowieso in diesem und jenem Thema spezialisiert sein müsste, Fremdsprachen beherrschen müsste, und bei bestimmten Fächern nur 1en haben dürfte. Da denke ich mir dann auch ?toll, erfülle ich ja nicht einmal die Anforderungen für die Bewerbung?.

Oh ja, ich hätte gerne so ein Leben in einer Sitcom, in einer Serie oder in einem Film. Ich weiß natürlich wie krank das klingt, aber diese lustigen Geschichten und Dialoge halten mich am Leben. Das Problem ist, dass ?einfach rausgehen? einfach nicht so leicht ist, weil ich nicht weiß wohin. Ich weiß, dass sich dieser Film in vieler Menschen Leben abspielt, aber das ist so was wie eine geschlossene Gesellschaft. Wenn ich aus meinem Zimmer gehe, dann bin ich unter Fremden, die nicht wissen, dass ich existiere. In meinen Kursen sind meistens etwa 80 Leute (manchmal mehr, gegen Ende des Semesters wohl weniger). Es passiert schon gaaanz selten, dass ich mit meinem jeweiligen Nachbar rede, weil derjenige kurz was von mir oder ich kurz was von ihm brauche, aber dann sehe ich sie im Prinzip nicht mehr. Das ist höchstens ein Satz vor dem Kurs und das wars. Wir tauschen nicht einmal Namen aus, weil das einfach nicht angebracht wäre. Ich hab wirklich keinen Bekannten geschweige denn Freunde auf der Uni. Aber ich merke auch um mich herum nicht, dass ganz Fremde miteinander reden. Was ich so mitbekomme, gehen die meisten ohnehin mit ein oder zwei anderen in den Kurs und sie setzen sich dann zusammen und reden unter sich. Ich meine normalerweise kennt man sich ja im 4. Semester schon, aber ich hab das wohl verpasst. Und ich kann einfach nicht zu einer Gruppe Fremder hingehen und irgendwie ein Gespräch anfangen, wenn die sich gerade unterhalten. Ich finde das einfach unangebracht, ich denke mir, dass sich die schön bedanken würden. Glaub mir, da denkt sich keiner, dass ich keinen Bock auf irgendwen habe, denn ich bin unsichtbar. Kein Mensch kennt mich dort. Ich hätte keine Ahnung wo ich hingehen sollte, wo ich Menschen, die irgendwie auf meiner Wellenlänge sind, treffen könnte.

In einer Lerngruppe war ich auch ganz am Anfang vom Studium, aber nur kurz. Ich finde da war eine ganz komische Stimmung. Wenn ich vorbereitet war, dann bin ich irgendwie so als Streber rübergekommen, weil ich dann viel gesagt habe und die anderen wahrscheinlich so was dachten, wie ?Oh Mein Gott, die hat nichts anderes zu tun? etc da hab ich mich dann auch oft nicht gemeldet, wenn ich etwas gewusst habe, weil es sonst niemand gewusst hatte, und ich nicht mehr so auffallen wollte; war ich aber nicht vorbereitet, dann war das peinlich, wenn reihum Fragen gestellt wurden, und ich keinen Schimmer hatte. Da ich nicht in eine Schublade wie ?Streber? oder ?strohdumm? gesteckt werden wollte, hab ich entschieden, dass Lerngruppen nichts für mich sind und bin nie wieder hingegangen.

Du hast recht mit der Annahme, dass ich mir wünsche, dass ich Freunde und Bekannte, ja vielleicht sogar einen Partner hätte, und ein glücklicher Mensch in einem Studium und später im Beruf sein werde, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemals passieren wird (- so in etwa wie ein Lottogewinn.) Das mit der Selbsterfüllenden Prophezeiung hab ich auch schon mal gehört, aber ich denke wirklich nur realistisch. Vor einiger Zeit hatte ich noch solche Phasen, wie ?Jetzt wird alles gut: Ich nehme ab, gehe ganz einfach auf Leute zu und gehe auf irgendwelche Feste?, aber dann ist es nur noch schlimmer, wenn ich das nicht schaffe, weil dann noch mehr Enttäuschung als am Anfang da ist. Ich habe auch früher gedacht, dass so viele Dinge von selber kommen und ich mich deshalb nicht fertig machen brauche. Als ich noch in der Schule war, hat meine Oma auch immer gesagt ?ja, das mit dem Freund geht ganz schnell. Da denkt man gar nicht daran und schon ist man verliebt und hat einen Freund.?. Ich glaub das natürlich nicht mehr, aber das war bei mir früher immer der Hintergedanke, dass es ja dann besser wird, und ehe ich?s mich versehe, lerne ich viele Leute kennen und das alles. Ich hab da noch positiv gedacht, aber mittlerweile weiß ich es einfach, dass es nicht passieren wird. Wenn es bis jetzt nicht passiert ist, dann wird es auch nicht mehr passieren. Wie denn auch. Ich habe einfach nicht die Begabung, dass ich mit Fremden reden kann oder selbstbewusst und hübsch bin. Ich bin selber uninteressant und habe keine Interessen, die ich später im Beruf einsetzen könnte. Es geht einfach nicht.

Natürlich kritisiere ich mich selber, aber das ist doch angebracht. Jeder, der das alles über mich weiß, wird sich denken, dass ich eine faule dumme Gans bin, die nicht schätzt, welche Möglichkeiten sie hätte. Ich meine ich bin eine Loserin in allen Lebensbereichen, das ist nun mal so. Ich habe absolut nichts erreicht in meinem Leben und auch nicht die Aussicht darauf. Meine Eltern finden das übrigens auch. Das ist ja auch der Grund, warum ich mich derzeit mit ihnen so schlecht verstehe (obwohl ich sie verstehen kann, denn wenn ich so eine Tochter hätte, wäre ich wohl auch sauer). Ich habe einfach alles vergeigt.

Nochmals vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt und das liest. Und noch mal vielen Dank Andrea für deine Antwort auf meine erste Nachricht. Ich will noch mal sagen, wie super ich es gefunden habe, dass du so schnell und so genau geantwortet hast.

Alles Liebe,
Anna

Anwort von Andrea

Liebe Anna,

schön, dass du dich nochmals meldest und ich noch die Möglichkeit habe, dir wieder zu antworten, denn ich habe mich vom KuKa verabschiedet und werde bald bei einer anderen Organisation ehrenamtlich ?arbeiten?, habe aber hier die Möglichkeit dir noch zu schreiben.

Also Studium klingt für mich so, dass du hier einen Weg eingeschlagen hast, von dem du nicht abkommen möchtest, da dir die Alternative fehlt und da du anscheinend einen Teil der finanziellen Unterstützung verlieren würdest.

Ich kann nachvollziehen, dass dir das Studieren generell nicht so gut gefällt ? ich kenne viele Studenten (eingeschlossen mich), die mit der Tatsache des Studierens nicht glücklich sind. Man muss so viele Dinge machen auf die man keine Lust hat, die nicht unbedingt für das Studium wichtig sind usw. Trotzdem, irgendwie gehört es dazu und ich habe mir irgendwann einfach gesagt, dass ich da jetzt durchhalten muss. Du möchtest das Studium ja auch nicht beenden ? deswegen: Sag dir, dass es dazu gehört, auch wenn es dir keinen Spaß macht, es ist dein Beruf, das Studieren, da gehören Dinge dazu, die nicht Spaß machen.

Du lässt dich anscheinend oft ablenken von anderen Dingen. Warum? Ich denke, da musst du selbst die Disziplin aufbringen zu sagen ?nein, ich werde dieses erst erledigen und dann darf ich das tun?. Gib dem Laptop jemandem aus deiner Familie, beende erst deine Arbeit und dann kommt die Freizeit. Geh in die Bibliothek, geh an andere Orte, wechsle den Arbeitsort! Versuche mit dir selbst einen Deal zu schließen!

Wegen dem Praktikum...Du hast das Gefühl ? hast du es ausprobiert? Hast du dich mal beworben. Man kann auch in eine Bewerbung reinschreiben, dass man weiß, dass man als Chef gerne jemanden mit Erfahrung, mit guten Noten usw. haben möchte, aber du um eine Chance bitten möchtest. Informiere dich mal auch an der Uni. Normalerweise gib es an der Uni auch eine Praktikumsbörse. wichtig ist, du musst Selbstinitiative zeigen. Wenn du daheim rumsitzt und dir denkst, ich bekomme sowieso nichts, dann wird das auch nicht klappen. Ich möchte dir aber hier auch unbedingt sagen: es kann gut sein, dass du auch viele Rückschläge hinnehmen kannst, aber es wird vermutlich auch einen guten Ausgang haben ? du musst es ?nur? versuchen!

Was deine Kontakte an der Uni angeht ? ganz klar, da muss mehr von dir kommen. Du bist diejenige, die noch nicht so viele Kontakte hat, dann musst du auf sie zugehen. Viell. ein kleines Beispiel von mir: Ich bin damals erst ins 2. Semester in mein Psychologiestudium eingestiegen, da ich das 1. Semester im Ausland verbracht habe. Mir war also klar, dass ich von mir aus zeigen musste, dass ich Anschluss haben möchte. Alle anderen kannten sich schon 6 Monate, ich war völlig neu. Ich hab es geschafft ? und genauso kannst auch du es schaffen. Du musst anderen sagen, dass du noch nicht so viele kennst und du gerne hier Leute kennen lernen möchtest. Sprich die anderen an, habe den Mut!

Du machst dir einen riesigen Druck, du setzt dir unheimlich große Erwartungen oder gar keine. Entweder musst du alles auf einmal schaffen, oder aber du lässt alles sein und gehst gar nicht aus deinem Zimmer raus. Wie wäre es, wenn du dir einfach mal kleine Ansätze erlauben würdest? Nichts wird einfach so passieren, aber es wird passieren können, wenn du einen Teil dazu beiträgst! Schau mal, wie andere es machen. Informiere dich mal über Gruppen an der Uni, was es so für Möglichkeiten gibt, sprich einmal andere an und frage, ob sie dich mitnehmen, schau dir mal den Unisport an, wie sieht es mit musikalischen Aktionen aus?

Ich merke so sehr, wie viele Wünsche du hast und wie schwer es dir fällt diese umzusetzen! Hast du einmal darüber nachgedacht, dass du dir diesbezüglich einmal Hilfe suchen könntest? Könntest du dir vorstellen bei der Uniberatungsstelle einmal darüber zu sprechen? Da kommen viele mit solchen Problemen, wie du sie aufweist, hin und bekommen kleine Hilfestellungen. Wäre das möglich?

Steck nicht den Kopf in den Sand, sonst siehst du nicht, was alles für spontane Möglichkeiten sich für dich auftun können. Schau nach oben und trau dich neues auszuprobieren!

Deine Andrea

PS: Wenn du nochmals schreiben sollest, dann werde ich das erfahren und eine Möglichkeit haben dir zu antworten!
PPS: Aber bis dahin solltest du wenigstens eine neue Sache ausprobiert haben ? suche dir diese selbst aus!!!