Problem von Anonym - 15 Jahre

Ich habe meine Mutter enttäuscht

Hallo!
Das Problem von mir fängt schon in der frühesten Kindeszeit an. Meine Eltern haben mich immer super behandelt, und mir viel Liebe gezeigt, vor allem meine Mutter, aber ich (und meine Schwester) haben es ihnen nur sehr wenig zurückgegeben. Wir haben zwar die Küsse erwidert und so weiter, aber selber auf meine Eltern zugegangen sind wir nicht. Und nun hat mir meine Mutter vor etwa 1 1/2 Monaten gesagt, dass ihre \"Batterie\" Leer ist, und sie einfach keine weitere Liebe mehr zeigen kann, und dass wir auf sie zugehen sollen. Das Gespräch war sehr tränenreich und ich hab es ihr auch versichert. Dann hab ich es nachher auch oft gemacht, hab sie einfach mal so geküsst zwischendurch, aber weil sie es kaum erwidert hat, hab ich halt gedacht, sie wolle es nicht. Deshalb hab ich zum Großteil damit aufgehört. Dann hat sie mir aber vor zwei Tagen gesagt, dass ich ihr zu wenig Liebe gezeigt hätte, meine Schwester hätte es schon ein bisschen mehr gezeigt und sie hat sogar gesagt, dass ich es vielleicht nicht zeigen kann. Danach war ich voll deprimiert und traurig, weil ich das Gefühl, meine Mutter (und auch meinen Vater) Jahre lang enttäuscht zu haben einfach nicht ertragen kann. Dazu noch die Aussage, dass ich vielleicht einfach keine Liebe zeigen kann hat mich dann vollends umgehauen. Meine Mutter ist im Moment ziemlich traurig, redet nicht viel und liest fast den ganzen Tag nur. Dadurch herrscht in der ganzen Familie eine sehr schlechte bzw. traurige Stimmung. Ich hab das Gefühl, dass ich dafür verantwortlich bin und ich will das irgendwie wieder gerade biegen aber ich weiß im Moment echt nicht wie ... Meine Mutter hat mir auch schon erzählt, dass sie als Kind nicht so viel Liebe bekommen hat, und deshalb jetzt vielleicht einfach mehr braucht und ich will es ihr ja auch zeigen aber sie ist dabei immer so ablehnend. Ich hab es ihr auch schon gesagt, und da meinte sie nur, dass die Batterie eben leer wäre. Was soll ich jetzt tun? Ich will, dass meine Mutter aber auch alle anderen in meiner Familie wieder fröhlich sind ... aber ich weiß einfach nicht wie ...

Bernd Anwort von Bernd

Lieber Unbekannter,

danke, dass Du Dich uns anvertraust.

Was Deine Mutter bedrückt? Dafür trägst Du keine Verantwortung!
Alles was Du hier schreibst deutet darauf hin, dass Deine Mutter unter einer Depression leidet.
Das ist eine Krankheit, die jeden von uns befallen kann und in der wir einfach schwermütig und traurig werden.
Das Schlimme an dieser Krankheit ist, dass die Betroffenen ? hier also Deine Mutter ? sich ihren Zustand zu erklären versuchen. Und dabei oft ?Schuldige? suchen und finden, die es in Wirklichkeit aber gar nicht gibt.

Du hast keine Schuld!

Vielleicht ist es in Deinem Alter recht schwer, den richtigen Weg zu finden.
Aber Du solltest wenn irgend möglich mit Deinem Vater reden.
Darüber, dass Deine Mutter Hilfe durch einen Psychologen braucht, der sich mit dieser Krankheit auskennt.
Bitte Deinen Vater, dass er selbst sich nach einem Psychologen umschaut und dass er zusammen mit Deiner Mutter zu diesem Psychologen geht. Dass er Deine Mutter begleitet!

Zumindest das erste mal. Denn das Schwerste für einen depressiven Menschen ist es, sich abgeschoben und ?überantwortet? zu fühlen.
Was Deine Schwester und Du tun können um Eurer Mutter Eure Liebe und Zuneigung zu beweisen?

Nicht unbedingt nur der Kuss oder die Umarmung beweisen Eure Zuneigung.
Setze Dich mit Deiner Schwester zusammen und überlegt, wie viele Kleinigkeiten es bei Euch zuhause gibt, wo Eure Mutter sich vielleicht zu recht fragt: ?bin ich hier eigentlich nur das Dienstmädchen für alle??
Zeigt ihr dadurch, dass ihr ohne großes Trara Euch für die tausend Kleinigkeiten, über die ihr niemals nachgedacht habt (und die Eure Mutter Euch hinterher getragen hat) auch interessiert und sie genauso wortlos einfach macht, wie es vielleicht Eure Mutter bislang gewöhnt war:

Zimmer aufräumen, Müll raus bringen, die dreckigen Schuhe einmal selber putzen, schauen, ob noch Toilettenpapier in der Toilette ist, den eigenen Wecker um eine halbe Stunde vorher schellen lassen und einen fertig gedeckten Frühstückstisch präsentieren. Und, und, und.
Einfach mal fragen, ob ihr was helfen könnt, wenn Eure Mutter bei der Hausarbeit ist.

All das zeigt ihr, dass Deine Schwester und Du ihr wirklich nahe sein wollt.

Auch ohne Kuss und Umarmung!

Schlimm wäre die Umarmung, nachdem ihr z.B. gerade eure Dreckwäsche abgeladen habt, um euch direkt danach wieder aus dem Staub zu machen und euren eigenen Interessen nachzugehen.

Natürlich weiß ich nicht, was von meiner Aufzählung auf euch zutrifft. Was ihr immer schon gemacht habt, um eurer Mutter zu beweisen, dass sie für euch mehr als ein Dienstbote ist, den man ab und zu auch mal knuddelt.

Beides ist gleich wichtig: macht Euch gemeinsam Gedanken darüber, wo ihr eure Mutter eventuell zu eurem ?Dienstboten? degradiert habt

und helft ihr dabei, sich von einem Psychologen helfen zu lassen.

Damit Du mit meiner Antwort nicht ganz alleine bleibst, bitte ich Dich, sie Deinem Vater und Deiner Schwester zu zeigen.

Vielleicht ist es ja die Möglichkeit für Dich, wodurch Du Deinen Vater dazu bewegen kannst, Deine Sorgen wirklich ernst zu nehmen.

Schreibt mir bitte, wenn ihr weitere Fragen habt!

Alles Gute und Liebe,

Dein und Euer

Bernd