Problem von Paul - 15 Jahre

Wie das Leben so spielt

Liebes Kummerkasten-Team!

Zunächst einmal möchte ich allen Mitgliedern eures Teams, den aktuellen wie auch den ehemaligen, ein wirklich großes Lob aussprechen. Ihr leistet hervorragende Arbeit, die weder Kompetenz, noch Ernst, noch Humor vermissen lässt. Ich beobachte eure Seite bereits seit ein paar Jahren, und bin immer wieder positiv überrascht. Respekt, macht weiter so! Tausende Menschen in aller Welt werden es euch danken.

Zu diesem Beitrag: Worum es mir geht, ist, dass er auf dieser Seite erscheint, und von allen gelesen werden kann. Ich möchte damit Leuten, die vielleicht Ähnliches wie ich erlebt haben, Hoffnung und Mut, aber auch mein Beileid zusprechen. Daher bitte ich euch, ihn ernst zu nehmen (wobei ich nur nebenbei um euren Rat bitte. Wohin dieser Beitrag gehört, weiß ich nicht, er ist sowohl ein Problem als auch ein Feedback.)

Zu mir: Mein Name ist Paul, ich bin fünfzehn Jahre jung, und lebe in S., Deutschland. Ich bin anders als die Meisten, denn ich bin Autist. Bereits früh war ich mir bewusst, dass ich Träger des sog. Asperger-Syndroms bin. Damit lebe ich, und - vielleicht, aber ganz unbescheiden angemerkt - fällt euch das anhand meiner Sprache auf. Ich liebe die Welt, so wie ich sie sehe, und im Grunde soll sie auch gar nicht anders sein.

Tut mir leid, wenn dieser Beitrag sehr lang wird. Aber, um das auszudrücken, was mir am Herzen liegt, brauche ich einiges an Zeit und Platz.

Meine Geschichte beginnt im Herbst 2008. Ich war dreizehn, gerade in die achte Gymnasialklasse gekommen. Ich war Klassensprecher, was mich stolz machte. Und ich war zum ersten Mal verliebt. Sie war ein wunderbares Mädchen, mit dunklen Haaren und Augen, einer herrlichen Haut und einem zauberhaften Lächeln. Alles an ihr, so glaubte ich, war perfekt.
Bis - ja, bis auf die Tatsache, dass sie nichts für mich empfand. Es zog sich schon eine Weile hin, bis sie es mir gestand: Das war am Valentinstag 2009. Über Weihnachten hatte ich alles geplant, als ich bei Verwandten in Australien war.
Valentina, sagte ich mir, wenn du mich wiedersiehst, dann erlebst du einen neuen Paul. Einen Paul, der sich nicht mehr herumschubsen lässt; der weiß, was er tut, und der es richtig tut.
Man kann sich denken, was passierte: Es ist nicht gelungen. Noch heute denke ich manchmal an den Tag zurück, den Tag im Januar, als ich wieder in die Klasse kam. Und mich krampfhaft bemühte, mir keine Blöße zu geben - gerade zu sitzen, hilfsbereit, schlagfertig und ehrlich zu sein. Mir jeden Satz, ja, jedes Wort zehnmal überlegte, bevor ich es aussprach. Das war der Autist in mir, der gar nicht merkte, wie er sich lächerlich machte; und selbst wenn er es gemerkt hätte, er hätte nicht gewusst, was man ändern konnte.
Als sie mir dann sagte, dass sie \"nicht auf mich stehe\", brach eine Welt zusammen. Binnen kurzem stürzte ich in eine tiefe Lebenskrise. Was war mit mir los? Warum gelang es mir nicht, so gut und beliebt zu sein, wie ich gerne wollte? Warum fühlte ich nicht das, was ich mir zu fühlen wünschte? Was, verdammt nochmal, machte ich falsch? Denn, das ich fehlerhaft war, stand für mich fest. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich das kaschieren sollte. Heute weiß ich, niemand wollte mir je etwas Böses. Nur ich war es, der sich, ohne es zu wollen, wie ein Stümper verhalten hat. Aber die Depression war zu mächtig.
Wie ging es weiter? Die Hausaufgaben blieben natürlich liegen, eine Arbeit nach der anderen versiebte ich. Bald stand meine Versetzung auf dem Spiel - und das Schlimmste war, ich wusste nicht, was tun, um nicht noch weiter abzurutschen. Abends, wenn ich einmal mehr nichts zu Papier gebracht hatte - bettelte ich meine Mutter an, mich einweisen zu lassen. Oh, wie wenig Ahung hatte ich doch damals vom Leben...

Was weiter folgte, war schmerzhaft und schön zugleich. Allerdings tut es mir heute zu sehr weh, es chronologisch zu beschreiben. Dies ist die Beichte der prägendsten Zeit meines Lebens:
Ja, ich saß auf dem Stuhl bei Menschen, die ihr Seelenklempner nennt. Oder viele von euch, zumindest die, die noch nie erlebt haben, was wirklicher Schmerz ist.
Ja, ich bin an dem Ort gewesen, den ihr Klapse nennt. Täglich, ein halbes Jahr lang. Manchmal von morgens bis nachmittags, manchmal Tag und Nacht.
Es war schrecklich für mich, auch, wenn andere bestimmt Schwereres durchgemacht haben. Denn ich bin Autist, und, mich aus meiner gewohnten Umgebung, meiner liebgewonnenen Traumwelt zu reißen - kommt für mich der Amputation beider Hände gleich.

Heute sitze ich wieder zuhause. Morgen werde ich in die Schule gehen. Wieder einmal werde ich mit einem, nein mehreren Steinen auf der Seele einschlafen. Mit der Französischarbeit, die ich verhauen, und nicht verbessert habe, weil ich nicht gegen die Wand in meinen Kopf ankomme.
Mit der Mathearbeit, die ähnlich schlimm werden wird, weil ich auch hier wieder nicht fähig sein werde, mich zu konzentrieren.
Ja, man fragt sich, woran liegt das? Warum hatte ich so unverschämtes Glück, in eine tolle neue Klasse an einer tollen neuen Schule zu kommen - und fühle mich angesichts dessen trotzdem nicht wohl?
Und hier kommt mein Problem. Sie.
Ich habe dieses Mädchen in der Psychiatrie kennen gelernt. Sie bedeutet mir soviel, wie kein anderer Mensch auf dieser Welt. Indessen ich das hier schreibe, spüre ich endlich die Tränen kommen, die ich so lange vermisst habe.
Ich weiß nicht, was mit ihr los ist. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.
Da ist Justin Bieber. Ich verfluche diesem S*** die Knochen, aber es hilft nichts. Er war der Grund, warum sie es nun endlich geschafft hat, mit mir Schluss zu machen. Nachdem ich wochen-, nein, monatelang wie verrückt um sie gekämpft, alles, was mich verletzt hat toleriert habe. Es hat nichts genützt. Stars, ja, verflucht noch einmal, Stars, waren wichtiger als ich! Kann man sich das vorstellen? Ich habe alles für sie getan, habe in jedem Abschnitt ihrer Krise zu ihr gehalten.
Sie saß im Rollstuhl, hatte Borderline und Wahnvorstellungen, ist vor meinen Augen zusammengebrochen, hat sich blutig gekratzt und gebissen. Ich habe es hingenommen, und gesagt, es wird besser.
Sie sollte umziehen, in eine Stadt, hunderte von Kilometern entfernt. Oder in ein psychiatrisches Heim, das war die Alternative. Sie sollte ihrer Mutter entrissen werden, ihr Vater war ohnehin gestorben. Und sie war noch so jung, erst zwölf... Und wieder habe ich es hingenommen, und gesagt, wir schaffen das schon.
Dann fing das mit den Stars an. Hunderte Male hat sie ihnen geschrieben, wie sehr sie liebt, und hat dann Heulkrämpfe bekommen, wenn eine Reaktion kam. Zu mir hat sie, von sich aus, nie gesagt \"Ich liebe dich...\"
Irgendwann war es mir zuviel. Ich habe angerufen und gesagt: \"Wenn dir etwas an mir liegt, als Freund oder als Partner, musst du jetzt aktiv werden. Ich habe zu lange gekämpft, immer, egal ob es dir gut oder schlecht ging. Jetzt ist deine Krise vorbei, und es sieht aus, als ob wir nicht zusammen sein könnten.\"
Und sie ist sofort darauf angesprungen! Hat gemeint \"Paul, es ist das Beste, wenn wir keinen Kontakt mehr haben. Wir streiten uns nur, egal wie du es nennst. Es funktioniert einfach nicht.\"
Im ersten Moment tat es nicht einmal weh. Ich habe zuviel mitgemacht, und doch war es schön. Ich habe nie eine unserer Diskussionen als Streit empfunden - und, wenn man psychisch labil ist, kann das doch passieren, oder?
Ich habe immer, tausende Male, nachgefragt, ob alles in Ordnung ist, mit unserer Beziehung und so - für sie. Sie war nie ehrlich genug, mir die Wahrheit zu sagen. Als sie dann Schluss machen wollte - noch am Tag vorher hätte ich das nie gedacht - , da hat sie die Gründe, die ich nicht wissen konnte, und die an den Haaren herbeigezogen sind, als fadenscheinigen Anlass für die Trennung missbraucht. Es war so schrecklich. Was habe ich nicht alles getan und mitgemacht - und jetzt bleibt mir nichts, als Schmerz?
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, habe ich vor kurzem mitbekommen, wie sie auf Twitter für einen anderen Jungen schwärmt. Einfach so. Kein Wort von mir, nicht einmal von Justin Bieber. Ach - war das etwa alles nur Schau, oder so? Wollte sie mich loswerden, nach allem, was wir zusammen durchgestanden haben?

Bitte, helft mir! Ich habe viel erreicht, und vieles, was mir an Gutem widerfahren ist, wünsche ich allen, die in einer Krise stecken. Gebt niemals auf, das Leben ist wundervoll!
Aber Trotzdem: Ich komme von diesem Mädchen nicht los. Ich liebe sie. So sehr geschmerzt hat es noch nie, nicht in der Krise, niemals. Ich würde alles dafür tun, dass ich die Chance bekäme, sie wieder glücklich zu machen. Aber ich fürchte, sie würde mich gar nicht erst anhören. Wahrscheinlich ist sie sowieso längst mit einem anderen zusammen.
Das ist so ungerecht! Ich weiß einfach nicht, was ich falsch gemacht habe. Ich will nur sie, sie ist perfekt, und doch wieder nicht. Ich kann nicht einschlafen, ohne den Gedanken, wie es ist, sie im Arm zu halten. Doch dieser Gedanke verbietet sich mir.

Was kann ich tun? Es muss doch einen Weg geben, diesem Schmerz zu entkommen, der jetzt schon über ein Vierteljahr andauert. Zum Psychologen gehe ich schon, ansonsten muss ich mich auf Schule und Freunde konzentrieren. Ich tue alles - aber was hilft wirklich? Gegen Liebeskummer - und Angst?

Viele liebe Grüße, in der Hoffnung auf Antwort

Paul

Marie Anwort von Marie

Lieber Paul,

vielen lieben Dank für dein Feedback!

Zu deinem Problem: Ich denke, dass sie trotz allem, was sie durchgemacht hat, einfach noch zu jung und noch nicht reif genug für eine echte, ernsthafte Beziehung mit dir war. Das liegt nicht an dir und du hast bestimmt auch nichts falsch gemacht. Du hast alles getan, was in deiner Macht stand. Aber sie war für eine Beziehung, so wie du sie gern führen wolltest, einfach noch nicht bereit.
Warum ihr irgendwelche Stars wichtiger waren als du? Zum einen, weil man Stars - im Gegensatz zu Menschen, mit denen man täglich im "realen Leben" zu tun hat - leicht idealisieren kann. Es fällt leicht, sie für perfekt zu halten, da man ihre Fehler und Schwächen ja nicht kennen lernt, und es ist dementsprechend leicht, sich in sie zu verlieben oder für sie zu schwärmen. Zum anderen bietet eine solche Schwärmerei, bei der eigentlich von vornherein klar ist, dass sie nicht erwidert werden wird, einen guten Schutz davor, diesen Menschen zu nah an sich heranlassen zu müssen und dadurch Gefahr zu laufen, von ihm verletzt zu werden.
Du siehst: Das hat nichts mit dir zu tun.
Ich kann gut verstehen, dass dich diese Trennung sehr verletzt und dich traurig und wütend macht. Aber ihren Standpunkt - was auch immer die Gründe dafür sein mögen, ich weiß es leider nicht - hat sie eindeutig klar gemacht: Sie will keinen Kontakt mehr. Das musst du leider akzeptieren, auch wenn es nach allem, was ihr zusammen durchgemacht habt und was du für sie getan hast, sicher sehr schmerzhaft ist und schwer fällt.
Leider gibt es gegen diesen Schmerz, den du durchmachst, kein Patentrezept. Du musst selbst für dich herausfinden, was dir dagegen hilft. Bitte schau dazu einmal in unsere Soforthilfe:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/8/Sie-Er-hat-mich-verlassen.html
Probiere die verschiedenen Dinge ruhig aus und finde heraus, was dir persönlich gut tut.
Außerdem ist es wichtig, dass du dich mit dem, was passiert ist, auseinandersetzt. Lass deine Trauer ruhig zu - sie ist wichtig, um es richtig verarbeiten zu können. Du kannst ihr z.B. einen Brief schreiben, den du aber nicht abschickst, in dem du deine Gedanken und die Dinge, die du ihr nicht mehr mitteilen konntest, niederschreibst, um dich auf diese Weise von ihr zu verabschieden.

Und, auch wenn es dir im Moment vielleicht nur wenig hilft: Denke immer daran, dass dieser Schmerz vorbeigehen wird. Irgendwann werden die Erinnerungen seltener und auch die Trauer wird irgendwann "von allein" wieder nachlassen. Sei geduldig mit dir selbst - das ist ein Prozess, der einfach Zeit braucht.
Ich bin auch fest davon überzeugt, dass du, wenn du all das überwunden hast, irgendwann eine Frau finden wirst, die die Beziehung mit dir und das, was du aus Liebe für sie tust, wirklich zu schätzen weiß - so, dass ein Geben und Nehmen von beiden Seiten entsteht, damit daraus eine wirklich glückliche Beziehung werden kann.
Ich wünsche es dir von ganzem Herzen!

Viele liebe Grüße,
Marie