Problem von Anonym - 47 Jahre

Habe mich falsch verhalten

Seit Tagen trage ich mich mit Schuldgefühlen und weiß nicht mehr weiter.
Meine Tochter(16) hat seit der Grundschule eine Freundin, die schon seit Jahren Probleme hat. Sie ist ständig auf Konfrontationskurs, ritzt sich und hat auch schon oft versucht meine Tochter zur Rebellion gegen uns Eltern zu überreden. Wir erlauben nicht alles, versuchen altersgerechte Grenzen zusetzen, d.h. bestehen auf pünktliches heimkommen. Die Zeiten werden vorher ausgemacht und besprochen. Unsere Tochter geriet so oft in eine Zwickmühle, weil sie sich zwischen uns oder ihrer Freundin entscheiden musste.
Die Eltern der Freundin haben wenig Zeit für sie und ihren Bruder, in meinen Augen viel zuwenig Zeit. Sie sind Emigranten, haben sich bis zum Eigenheim hochgearbeitet und den Zeitmangel oft durch große Geschenke an ihre Kinder ausgeglichen. Immer wieder habe ich versucht das Mädchen zu verstehen, konnte aber den Draht zu ihr nie finden, sie nie in unsere Familie mit einbeziehen und zu Ausflügen einladen, wie ich es bei anderen Freunden meiner Kinder konnte, und auch gerne tat.
Um der ständigen Zwickmühle zuentgehen, schränkte meine Tochter von sich aus die Freundschaft ein, weil es irgendwann wirklich auf Erpresssung entweder deine Eltern oder ich hinauslief. Das Verhältnis zu meiner Tochter ist nicht unproblematisch, aber vertrauensvoll, sie versteht die Grenzen , auch wenn sie inzwischen ständig dagegen angeht, was wir auch verstehen.
Mitte letzter Woche war nun meine Tochter (16) tränenüberströmt am Handy und erzählte mir, daß die Freundin einen Selbstmordversuch begangen hat und sie jetzt gleich zu ihr nach Hause geht. Tage zuvor hatte ich gehört, dass das Mädchen beim Jugendamt war, weil es von dem Vater geschlagen wurde.
Ich war sehr erschrocken, hatte das Gefühl meine Tochter sei mit der Situation völlig überfordert, überlegte hin und her - und machte mich dann auf den Weg zum Haus der Familie um meine Tochter heimzuholen.
Der Vater war vor dem Haus am Rasenmähen. Ich hatte erwartet, dass ein Familienrat stattfindet, wie dem Mädchen zu helfen sei.
Es stellte sich heraus, daß diese Ereignis bereits am Vortag war und das Mädchen nur jemanden zum Reden brauchte. Leider arbeitete mein Verstand nicht und ich bat meine Tochter nach Hause zukommen. Sie folgte unter Protest, verstand meine Ängste und war doch stinksauer auf mich.
Kaum zu Hause war die Mutter der Freundin am Telefon und beschimpfte mich, die Familie durch diesen Schritt gedemütigt zu haben. Sie dachte nur daran, während ich mir nun seit Tagen vorwerfe dem Mädchen Hilfe verweigert zuhaben, indem ich ihre Ansprechpartnerin, meine Tochter, heimholte.
Irgendwie komme ich nun aus diesem Kreislauf nicht mehr heraus, mache mir Vorwürfe und ärgere mich doch gleichteitig, dass die Eltern mal wieder das Problem anderen, mir, zuschieben, statt sich selbst einmal in Frage zustellen.
Nun drehen sich meine Gedanken im Kreis. Meine Tochter meint übrigens ich sollte die Probleme anderer nicht zu sehr an mich herankommen lassen.
Vor Jahren bracht sich ein Freund meines Mannes um, ich frage mich heute noch, ob wir das hätten verhindern können. Mein Mann hörte ihm Nächtelang zu, konnte seine Situation aber auch nicht ändern, das hätte der Freund selbst tun müssen.
Ich nehme auch diesen Hilferuf ernst, denke aber das zualllererst die Eltern, d. h. die ganze Familie das Problem angehen muss.
Bin ich zu selbstgerecht? Was kann ich als Aussenstehender tun, der nur eine ganz schlecht Beziehung zu dieser Familie hat?

Anwort von Sabine

Hallo!

Ich kann Deine Ängste und Sorgen verstehen, aber ich glaube nicht, dass Du sehr viel tun kannst. Deine Tochter hat einen guten Draht zu der Familie und versteht sich auch mit der Tochter sehr gut, wie Du es beschrieben hast. Vielleicht solltest Du da ein wenig lockerer lassen. Vielleicht kannst Du auf diesem Wege auch irgendwann das Vertrauen zu ihrer Freundin wiedererlangen.
Ich kann nachvollziehen, dass es Dich sehr beschäftigt und indirekt betrifft es ja auch Deine Tochter, denn sie wird als beste Freundin damit reingezogen.
Was Du tun könntest, um es wieder ruhiger zu stellen, wäre ein Gespräch mit den Eltern der Freundin Deiner Tochter. Sage ihnen, dass es nicht so gemeint war, wie es rübergekommen ist. So wäre zumindest diese Bahn erst einmal wieder ruhiger.
In erster Linie kannst Du nur für Deine Tochter da sein und sie auffangen. Sie bekommt eine Menge aus der anderen Familie mit und sie wird es auch belasten. Die beiden scheinen aber unzertrennlich zu sein, wie es klingt. Versuche nicht einen Keil dort hineinzutreiben. Es würde vielleicht Deine Tochter nur weiter entfernen.
Wie gesagt, in erster Linie kannst Du nur Deine Tochter auffangen, wenn sie darüber sprechen möchte. Ihr wird es helfen. Deine Tochter ist 16 und fängt immer mehr an auf eigenen Beinen zu stehen und eigene Erfahrunen zu mache. Dazu gehören nunmal auch die schlechten Erfahrungen und um damit besser klar zu kommen ist es gut für sie zu wissen, dass jemand da ist, der sie auffangen kann, wenn es gar nicht mehr geht oder sie sich ganz schlecht fühlt.
So sehe ich es zumindest und ich denke, dass ist vorerst viellecht das einzige, soweit mir einfällt, was Du machen könntest.

Lieben Gruß