Problem von Anonym - 24 Jahre

Schuldgefühle

Hallo KuKa-Team,

es war schon oft der Fall, dass ich Euch geschrieben habe. Eine Antwort von Euch ist eingerahmt und hing lange Zeit über meinem Bett. Bis ich sie nicht mehr gebraucht habe.

Ihr habt mir Mut gemacht und habt mich und meine Ängste verstanden. Dafür danke ich Euch sehr.

Ich hatte immer Probleme in meinem Zuhause, vor allem mit meiner Mutter. Letztes Jahr im November erlitt ich einen Nervenzusammenbruch in den Armen einer guten Freundin. Kurz vor Sylvester bin ich dann in einer Nacht und Nebelaktion ausgezogen, als meine Mutter nicht daheim war.

Erst war ich einige Zeit, ca 1,5 Monate, bei einer Bekannten und ihrer Familie untergekommen. Ich dachte, wenn sich diese Krise mit meiner Mutter gelegt hat, könnte ich zurück. Aber bei jedem Besuch wurde mir wieder klar, dass meine Mutter das nicht will. Weil ich mit meinem Auszug sie im Stich gelassen hätte, weil sie ihren Job verlor und somit auch den Halt. Sie hat rum gesponnen, fing an Medikamente zu nehmen, hat jeden vor den Kopf gestoßen und angelogen, jeden um Geld angebettelt und es auch bekommen.

Mittlerweile ist sie wieder in Brot und Lohn, hat einen Partner gefunden und sagte, dass sie jetzt frei sein will, nach ihr die Sintflut und sich nicht mehr um die anderen kümmert, weil sich um sie auch keiner geschert hätte, was allerdings nicht stimmt. Sie hat jeden verprellt und ich musste weiterhin, so wie ich es immer musste, ihre Probleme lösen.

Seit ich ausgezogen bin und die Distanz da ist, geht es mir besser. Zumindest solange, wie ich nicht auf sie treffe. Sie meinte, ich hätte ihr 24 Jahre ihres Lebens versaut und ob ich nun klar käme oder nicht, sei ihr egal. Es war meine Entscheidung zu gehen und damit hat sie nun nichts mehr zu tun.


Ich habe immer ihre Probleme gelöst und sie verteidigt und in Schutz genommen, versucht ihre Lage und ihr Handeln zu verstehen. Und dennoch hatte ich nie ein Mitspracherecht, war in den Dingen die ich für sie lösen musste, nie auf Augenhöhe.

Ich habe, obwohl sie mich auch im Stich ließ, als ich den Zusammenbruch hatte und die Lehrstelle kündigen musste auf Grund meines Burnouts, immer noch das Gefühl, dass sie ohne mein Zutun untergehen wird. Denn alle, die ihr hätten helfen wollen, hat sie verprellt und wird von denen nun gemieden.

Ich habe ihr einen ausführlichen Brief geschrieben und ihr alles gesagt, was mich belastet hat, waren neun Din A4 Seiten. Es hat mir gut getan, ihr endlich alles zu sagen. Darin steht u. a. dass ich den Kontakt zu ihr erst wieder aufnehme, wenn sie sich an die Beratungsstelle gewandt hat wegen der Tablettensucht und den Geldproblemen. Ich habe gesagt, solange sie keine Initiative für ihr eigenes Leben übernimmt, werde ich auch nichts mehr tun, denn ich sehe darin keinen Sinn.

Ich habe kaum die KRaft für mein Leben, was ich von null beginnen musste mit dem Auszug. Ich musste auch erst lernen, was es heißt erwachsen zu sein und dementsprechend zu handeln. Ich muss für meine Entscheidungen die Konsequenzen ertragen können. Ich habe mich dafür entschieden und es bis dato nicht bereut.

Ich habe nun auch einen Partner gefunden vor 6 Monaten, es passt einfach wunderbar, wie ein Seelenverwandter. Doch auch wenn er vieles erträgt hat er mir nahe gelegt, dass wenn ich mich nicht distanziere und mich darum kümmere, dass ich wieder in Ordnung komme, sieht er für UNS keine Zukunft.

Und ich habe 24 Jahre unter dieser Frau gelitten, was mir nie einer glauben wollte und nun bin ich ausgebrochen und empfinde es als richtig und wichtig. Doch muss ich diese Schuldgefühle haben? Sie hat mir immer eingeredet, von klein an, dass ich an ihrer Misere Schuld trage.

Ich denke, dass es einfach die Macht der Gewöhnung ist, die mich zu den Schuldgefühlen treibt. Denn mein Kopf sagt etwas anderes als mein Herz. Schließlich ist sie meine Mutter und sie zu verstoßen, erscheint mir falsch.

Andererseits, hätte ein mir Fremder mir das alles angetan, ich hätte ihn längst zum Teufel gejagt. Darf ich bei meiner Mutter einen Unterschied machen? Und wie soll es nun weitergehen? Stark bleiben und den Kontakt meiden?

Warten, bis sie von sich aus auf mich zu kommt? Problematisch ist, dass wir uns meist bei meinen Großeltern, ihren Eltern über den Weg laufen, die beide im Heim leben, in dem sie auch arbeitet.

Doch ich fühle, dass es meine Mutter nicht wert ist, dass ich meine Großeltern auf ihren letzten Tagen allein lasse. Schließlich haben mich diese mehr geliebt als meine Mutter und diese beiden haben sich immer um mich gekümmert.

Ich weiß, das ist ein unüberschaubarer Text und ein komplexes Problem. Ich möchte diese Schuldgefühle aus meinem Kopf bekommen, weil ich weiß, dass ich das nicht haben muss. Ich weiß aber nicht, wie ich das schaffen soll.

Da mein Leben nicht davon abhängt, könnt ihr Euch Zeit lassen mit der Beantwortung. Es ist schließlich nur eine Frage der Moral. Doch ich wollte, dass ein Außenstehender, ein Fremder mir einen Rat gibt. Vollkommen unbefangen. Denn hier in meinem Dunstkreis ist jeder parteiisch.

Danke für Eure Hilfe,
Daniel

Dana Anwort von Dana

Lieber Daniel,

ich hoffe, es ist ok, dass ich dein Anliegen übernehme. Ich war zwar damals noch nicht da, als du dein früheres Problem beschrieben hast und anscheinend eine Antwort bekamst, die über dein Bett konnte, aber ich bin eine "unparteiische Außenstehende", die völlig unbedarft an dein Problem heran tritt, von daher denke ich, dass das gut gehen könnte.

Ich habe sehr ausführlich gelesen und finde nicht, dass es unstrukturiert ist.

Zuerstmal meinen großen Respekt, dass du 24 Jahre durchgehalten hast. Dass du deine Mutter nicht im Stich gelassen hast, obwohl anscheinend absolut keine klare Sicht bei deiner Mutter existiert.

Ich kann dich beruhigen, du hast keinerlei Schuld auf dich geladen und musst daher auch nicht schuldbewusst sein. Du hast getan, was du konntest und als eben der Scheideweg erreicht war "tue ich etwas für meine Mutter oder schütze und rette ich mich endlich selbst", hast du den richtigen Weg gewählt. Irgendwann muss man auch wissen, wann man für sich selbst sorgen muss, bevor man untergeht. Deine Mutter ist eine erwachsene Frau, die auch wieder einen Partner hat. Sie muss für sich selbst sorgen, du hast keinerlei Verpflichtung, gerade dann nicht, wenn es dir seit Jahren null gedankt wurde, obwohl du für sie mit gesorgt hast und viele Pflichten übernommen hast, die du nicht hättest übernehmen müssen.

Dass du trotz aller Probleme deine Mum noch in Schutz genommen hast, spricht für dich und ehrt dich sehr. Man kann herauslesen, dass du ein sehr ehrbarer junger Mann bist, der sehr pflichtbewusst und sehr treu ist. Du nimmst viele Schwierigkeiten auf dich und kneifst nicht. Dein Partner, den du jetzt hast und der dir sicher hilft, kann sich daher glücklich schätzen.

Er hat allerdings auch Recht, dass nun DU an der Reihe bist. Du musst gesunden, du bist jetzt Priorität eins in deinem Leben. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist sicher sowohl deinem Partner als auch dir klar, doch ist es wichtig, dass du es angehst.

Distanz zu einem Leben, das man sein Leben lang geführt hat und unter dem man sein Leben lang gelitten hat, dauert lange und bedarf auch externer Hilfe. Dazu kannst du allerdings nicht auf deinen Freund hoffen, er ist nicht vom Fach, er wird daran zerbrechen. Du hast viel erduldet und viel erlitten, das muss geheilt werden. Und das schafft kein "normaler Mensch", das kann nur jemand, der das studiert hat und weiß, wie man aus diesem Strudel heraus kommt.

Geh es an, geh zu einem Psychologen oder Psychotherapeuten, beantrage eine Therapie (es gibt zwar eine Wartezeit, aber es geht erstmal darum, dass es losgeht!) und lass dir auf diese Weise helfen. Man kann zu den Therapeuten einfach mal hingehen. Adressen gibt es im Net, wenn man bei Google sucht oder auch im Telefonbuch.

Ich bin mir sicher, dass dein Partner dich dahingehend unterstützt. Er liebt dich und will, dass es einfach WEITER geht, dass du nicht stehen bleibst.

Du hast keine Schuld, du hast es RICHTIG gemacht, dass du endlich mal für dich selbst gesorgt hast, egal, was deine Mutter sagt. Die Wunden in der Seele müssen heilen, doch das schafft man meist nicht alleine, was auch nicht schlimm ist. Denn Hilfe suchen ist keine Schande.

Es gibt so einen Spruch: "auf einem wankenden Schiff fällt um, wer stehen bleibt, nicht, wer sich bewegt..." und den finde ich eigentlich ziemlich gut. Bleibe in Bewegung, immer ein Stückchen nach vorne. Erwarte keine Wunder, keine Riesenschritte...immer kleine Schrittchen...aber nicht aufhören zu laufen.

Du bist ein toller Mensch, du hast viel durchgemacht und wirklich heldenhaft den Buckel hingehalten.

Nun bist du dran, das sieht dein Partner richtig.

Ich wünsche dir nur das Beste. Nimm dir nun das, was du verdienst.

Liebe Grüße,

Dana