Problem von Anonym - 39 Jahre

Unsere 13jährige Tochter hat einen Krankheitswahn

Hallo,
so langsam sind wir richtig verzweifelt. Wir haben zwei Kinder , einen Sohn 14 Jahre und eine Tochter 13 Jahre.
Aber jetzt mal alles von Anfang an...
vor etwa 3 Jahren in den Herbstferien kam unsere Tochter (ohne irgendwelche Vorzeichen) abend plötzlich schreiend und total hysterisch in unser Schlafzimmer gelaufen. Sie klammerte sich an uns und sagte sie möchte nicht sterben und wir sollten sofort mit ihr ins Krankenhaus fahren. Sie war total fertig und es dauerte lane bis wir sie beruhigen konnten. Sie sagte sie hätte \"Bandenwürmer\". Dieses hat ihr nachmittags beim spielen wohl eine Freundin erzählt (vermutlich weil unsere Tochter so schlank ist...). In aller Ruhe haben wir uns mit ihr hingesetzt und versucht ihr alles genau zu erklären. Damit sollte die Angelegenheit erledigt sein dachten wir... Pustekuchen !!!!
Am nächste abend ging das ganze Drama wieder von vorne los. So als wenn all unsere Erklärungen vom Vortag nicht stattgefunden hätten. Am nächsten Tag ist meine Frau mit der Kleinen zum Kinderarzt und später sogar zum Frauenarzt gegangen. Sie wurde total auf den \"Kopf gestellt\" und es wurden alle erdenklichen Untersuchungen durchgeführt. Gott sei dank - KEIN BEFUND !! das Kind ist kerngesund. Die Kinderärztin gab uns den Rat einen Kinderpsychologen aufzusuchen. Als ca eine Woche nach den Untersuchungsergebnissen unsere Tochter wegen der Ängste aus der Schule abgeholt werden musste, sind wir mit ihr umgehend zu einem Psychologen gegangen.
Diesem Psychologe haben wir das Problem geschildert. Nach einigen Sitzungen die unsere Tochter dort mit ihm hatte, wollte sie nicht mehr hingehen. Er sagte uns daß es eine Therapie zwecklos wäre, wenn das Kind keine Lust hätte.
Im laufe der Zeit schiehn sich das ganze allerdings auch von selbst gelöst zu haben, dso gut wie keine weiteren Attacken aufgetreten sind. Allerdings hat sie sich in der ganzen Zeit immer extrem für Krankheiten aller Art interessiert und auch viel danach gefragt. Sie betonte allerdings auch, daß mit ihr alles in Ordnung sei. Selbst ein Schulwechsel im letzten Jahr hat sie augenscheinlich sehr gut verkraftet. Wir hatte das ganze schon fast wieder total vergessen, bis zu diesen Sommerferien...
es begann diesmal damit, daß sie kaum noch Lust hatte raus zu gehen. Egal wie wir versucht hatte sie dazu zu ermutigen, sie wollte immer ständig in der Nähe einer Ihr vertrauten erwachsenen Person sein. Allein zu haus zu bleiben wenn keiner da ist, wurde plötzlich unvorstellbar. Mit dem Hund raus zu gehen war auf einmal wieder unmöglich geworden für sie. Sie hatte angst, daß sie unterwegs plötzlich sterben müsste oder eine unheilbare Krankheit ausbrechen würde und sie keine Hilfe in der Nähe hätte. zu Hause gibt es bei ihr nur noch ein Thema - Sie ist überzeut davon krank zu sein. Sie hat Schmerzen. Heute sind es Kopfschmerzen morgen hat sie Bauchschmerzen und übermörgen tun ihr die Füße weh. Jede Krankheit von der sie zufällig von anderen hört hat sie plötzlich auch. Selbst als in der Zeitung etwas über Krebs stand hatte sie diesen nun aufeinmal. So geht es den ganzen Tag. Wenn meine Frau und ich arbeiten gehen, dann bekommt unser Sohn alles von ihr ab. Er ist mit seinen 14 Jahren allerdings total damit überfordert, wenn sie schreiend und weinend vor ihn steht und sagt das sie total krank sei und schlimme Schmerzen hat von denen sie jetzt sterben müsse.
Die Schule schickt sie nach hause, da sie ja nicht wissen können ob sie wirklich etwas hat oder ob sie mal wieder nur \"spinnt\".
Sie muss ständig in der Nähe von ihr vertrauten Erwachsenen sein ... sonst geht der Terror wieder los. Freunde besuchen kann und will sie in diesen Zustand ja selber nicht.
Wir haben versucht jeden von der Geschite zu erzählen, damit nicht eines Tages die Polizei bei uns vor der Tür steht, weil wir uns nicht um unser \"totkrankes\" Kind kümmern....
z.Z. wird die kleine wieder von sämtlichen Ärzten auf alles mögliche untersucht.
Eine andere Möglichkeit wissen wir leider im Moment auch nicht. evtl soll sie nochmal zu einem Psychologen wenn sie körperlich gesund ist.
So langsam aber sicher macht diese Geschichte unsere ganze Familie kaputt. Es gibt immer öfter Streit und alle sind sehr gereizt...


Gruß
Ingo

Franzi Anwort von Franzi

Lieber Ingo,

ich freue mich, dass du dich an uns wendest!

Dass ihr nicht weiter wisst, kann ich absolut nachvollziehen! Es ist sehr anstrengend, mit jemandem zusammen zu leben, der andauernd denkt, dass er krank wäre.
Deine Tochter leidet eindeutig unter einem hypochondrischer Wahn. So ein Wahn tritt meist zusammen mit einer schweren depressiven Erkrankung auf, die unbedingt psychologisch behandelt werden muss. Meiner Meinung nach, reicht es bei deiner Tochter nicht aus, einen niedergelassenen Psychologen aufzuschen. Habt ihr euch schon mal überlegt, dass eure Tochter in eine Klinik geht und sich dort über mehrere Wochen intensiv behandeln lässt? Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer die erste Zeit ist, wenn man eigentlich gar keine Lust darauf hat, behandel zu werden. Aber ich weiß auch, dass die Ärzte in so einer Klinik sehr kompetent sind und alles versuchen, zu helfen. Es ist schon richtig, dass eine Therapie nicht wirklich etwas bringt, wenn deine Tochter keine Lust hat. Aber in einer Klinik wird sie täglich mit ihrer Erkrankung konfrontiert und wird irgendwann einsehen, dass sie Hilfe braucht. Da sie noch minderjährig ist, habt ihr das Recht, sie dort einweisen zu lassen. Natürlich wird sie im ersten Moment ziemlich sauer sein und sich eventuell auch etwas abgestoßen fühlen. Aber irgendwann kommt der Punkt, wo sie selbst einsieht, dass es richtig war.

Ihr als Eltern begebt euch in eine Co. Abhängigkeit (bei Suchtproblemen wird das so genannt, trifft aber hier im übertragenen Sinne auch zu). Das heißt, dass euer Leben sehr doll von der Krankheit eurer Tochter bestimmt wird. Euch geht es schleht, weil ihr nicht wisst, wie ihr ihr helfen könnt. Ihr könnt sie nicht alleine lassen, weil sie Angst hat, dass ihr in dieser Zeit etwas passiert. Jeder richtet sich nach ihr und euer Sohn leidet sehr darunter. Er bekommt wohlmöglich nicht mehr die Aufmerksamkeit, die er braucht, weil seine Schwester sich mit ihrer Krankheit immer unbewusst in den Mittelpunkt drängt. So kann es also nicht weiter gehen!

Lasst euch vom Hausarzt eine Einweisung geben. Schildert ihm das Problem und macht ihm klar, dass ihr nicht weiter wisst. Er wird euch auch Adressen von geeigneten Kliniken geben können. Ansonsten kann man sich sehr gut im Internet oder bei der Krankenkasse informieren, welche Klinik in Frage kommt.

In der Klinik wird deine Tochter intensiv betreut. Durch verschiedene Therapien wird sie mit der Krankheit konfrontiert und lernt, dass ein kleiner Schnupfen nicht tödlich endet. Die Therapien sind auf die Altersgruppe sehr gut abgestimmt. Sie wird zum eventuell eine Bewegungstherapie machen, um sich mit ihrem Körper auseinanderzusetzen, Musik- und Maltherapie, um ihre Gefühle auszudrücken. In Gruppentherapien wird sie sehen, dass sie nicht die einzige mit so einer Krankheit ist.

Ich war damals wegen einer Essstörung in einer Klinik. Mir hat der Aufenthalt sehr doll geholfen, auch wenn ich im ersten Moment gar keine Lust darauf hatte. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass deiner Tochter auch geholfen werden kann. Ihr müsst euch allerdings darauf einstellen, dass so eine Therapie sehr lange dauern kann (bei mir waren es 10 Wochen + anschließend die ambulante Therapie über mehrere Jahre) und dass eure Tochter sehr ablehnend euch gegenüber reagiert. Seid in dieser Zeit nicht nachgiebig! Es geht um die Gesundheit eurer Tochter! Ihr ist mehr damit geholfen, wenn ihr hart bleibt und die Therapie nicht abbrecht! Versucht ihr zu zeigen, dass ihr sie nur in diese Klinik gebt, weil ihr sie liebt und weil ihr wollt, dass sie wieder ein unbeschwertes, glückliches Leben führt.

Ich wünsche euch alles Liebe und hoffe, dass deiner Tochter geholfen werden kann. Vielleicht magst du ja irgendwann mal berichten, ob sie es geschafft hat?!

Liebe Grüße,
Franzi