Problem von Anonym - 31 Jahre

Tja, was mach ich jetzt?

Also, wo fange ich an....

ich bin mit meiner Freundin seit 9 Jahren zusammen. vor 6 Jahren ist Sie so schwer krank geworden, das Sie mittlerweile Ihre Rente bekommt (mit 32). So wie es aussieht wird es die nächsten 5-10 Jahre keine Heilung geben. Sie ist nur noch daheim und kann auch nicht mehr ausser Haus. Ihre beste Freundin ist Ihre Mutter, ansonsten kennt Sie nur \"meine\" Freunde und Bekannte. Als ich Sie kennenlernte, war Sie noch Jungfrau, Mama die beste Freundin, keine Freunde/ Bekannte, noch nie eine Beziehung (egal wie flüchtig). Sie hat sich so sehr auf mich versteift, das Sie allein die Vorstellung sich von mir zu trennen, dazu bringt, Gedanken hat, sich das Leben zu nehmen.

Seit 4 Jahren, läuft unsere Beziehung eigentlich nur darauf hinaus, das ich ALLES manage. Zumindest versuche ich das so gut ich kann. Weiterhin bin für Sie die Abladestelle für Ihr leiden und Ihre Gedanken. Jedoch komme ich nicht mehr weiter, eigentlich wird unsere Finanzielle Situation stetig schlechter. Ich habe mittlerweile einige meiner Freunde verloren, da ich die Wochenden auch arbeiten muss, damit ein \"normales\" Leben halbwegs möglich ist. Ich vernachlässige mich selbst, ich rasiere mich vielleicht alle 2 Wochen mal, gehe vielleicht alle 2-3 Monate mal zum Frieseur, geschweige denn mal für mich da sein ist nicht mehr. Wir gehen beide unter, wenn das so weitergeht, und das kann ich ihr nicht antun. Sie trägt ja nicht wirklich die Schuld, und ich kann mich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden Sie zu verlassen... aber... ich kann nicht mehr. Ich bin fertig mit der Welt, mein Leben ist fürn Ar.... und ich weiss nicht wie wir da noch rauskommen könnten. Ich kann ihr das Leben nicht ermöglichen was Sie sich wünscht, ich gehe kaputt bei dem Versuch... Was soll ich machen?

Dana Anwort von Dana

Lieber Unbekannter!

Zuerstmal: meinen tiefen Respekt für das, was du schon seit Jahren tust.
Viele Männer hätten sich dieser Aufgabe entweder gar nicht oder auf jeden Fall nicht so lange gestellt.

Du bist also ein Mann mit langem Atem, der treu und sogar aufopferungsvoll gehandelt hat. Dafür bewundere ich dich.

ABER: du hast auch noch ein eigenes Leben. Für jemanden anderen zu leben quasi kann kein Lebensinhalt sein, so groß die Liebe auch ist.

Keiner hat Schuld an dem, was passiert ist. Daher ist es ein sehr schmaler Grat, wie zu handeln ist.

Als erstes musst du dir die Frage beantworten: "Bin ich nur noch aus Pflichtgefühl mit ihr zusammen? Oder liebe ich sie noch?" Daraus resultiert nämlich das, was danach kommen muss. Ich beantworte dir mal beide Fälle, du kannst dir das rausziehen, was für dich besser passt.

1. "Ich liebe sie noch."

Gut, das würde bedeuten, du bleibst bei ihr - und das nicht nur aus Pflichtbewusstsein und der Angst, dass sie alleine nicht überlebt.

In dem Fall müsste ein Kompromiss her. Du musst auch DU sein dürfen und nicht nur Krankenpfleger. Das kann KEINER von dir erwarten. Du musst zuerst mit deiner Freundin drüber sprechen, dass du auch Zeit für dich brauchst, dass du selbst noch ein Leben brauchst. Wichtig dabei ist, dass du sie nicht vor den Kopf stößt. Sie wird es schon von sich aus schwer haben, überhaupt noch gehobenen Kopfes existieren zu können, sie weiß ja, dass sie "eine Last ist". Bringe ihr also nah, dass du sie liebst, dass du sie nicht verlässt, dass du aber auch ab und an aufatmen musst. Dass du sie gerne pflegst, aber die Verantwortung nicht mehr alleine auf deinen Schultern tragen kannst - das ist einfach ZU schwer.

Deine Freundin ist doch sicher in einer Pflegestufe gelistet, sie hat also Anspruch auf Pflege. Solltet ihr das noch nicht beantragt haben, wird es höchste Zeit! Mit dieser Krankheit, die sie ans Haus fesselt, ist sie wahrscheinlich sogar die höchste Pflegestufe. Dadurch gibt es die Möglichkeit, einen Pfleger/eine Pflegerin zu bestellen, die dir hilft. Auch psychologische Hilfe ist da mit dabei und kann beantragt werden. Sowohl du als auch deine Freundin braucht dringend eine Therapie, die euch beide wieder im Alltag stärkt.

Insgesamt ist es wichtig, dass du weißt: du musst das gar nicht alles schaffen und ertragen! Das ist nicht deine Aufgabe als Freund! Es heißt zwar "in guten und in schlechten Zeiten", aber das kettet einen nicht daran, alles im Alleingang zu machen, der einzig Verantwortliche zu sein. Hol dir Hilfe! Sprich mit der Krankenkasse, was alles möglich ist, frag einen deiner Freunde, zu dem du Vertrauen hast, ob er mit dir kommt und dir hilft, alles zu deichseln.

Du brauchst mehr Freiraum. Unbedingt. Sonst nimmst du noch mehr Schaden an der Seele als du jetzt schon genommen hast. Die Treue zu einer Frau kann nicht bedeuten, dass man selbst ohne Hilfestellung einfach untergeht.

Am wichtigsten wäre die Therapie. Damit hätte deine Freundin eine neue Anlaufstelle, du könntest einfach mal wieder erleichterter sein...und hast selbst jemandem, dem du mal etwas sagen kannst. Ohne das wird es nicht gehen.

2. "Ich kann sie nicht mehr lieben und bin am Ende. Ich bin nur noch bei ihr aus Pflichtbewusstsein"

Das ist eindeutig der falsche Weg. Eine Beziehung krampfhaft aufrecht zu erhalten, obwohl es so schwierige Umstände sind, ist zwar nobel und edel, aber wenn du dabei komplett auf der Strecke bleibst, kann das nicht der Weg sein.

Ich kann da sogar aus Erster-Hand-Erfahrung sprechen. Mein Freund, mit dem ich seit einem halben Jahr zusammen lebe, hat eine Frau, die ihm das Leben zur Hölle gemacht hat. Sie ist psychisch labil und krank und hat ihn terrorisiert. Sie hat sich mit allem, was sie konnte, an ihn gehängt. Er war am Ende so kaputt, dass er seine Umwelt nicht mehr wahrgenommen hat. Er war nicht mehr in der Lage, befreit zu lachen oder sich über irgendwas zu freuen. Er war wie ein ausgehöhlter Baum.

Erst, als er sich gelöst hatte, lebte er wieder auf. Wir sorgen für seine Frau mit - ihr ging es gar nicht so um ihn als Person, sondern mehr um das Versorgtsein. Sie hatte vorher panische Angst, dass sie alleine ihr Leben nicht packt. Sie ist jetzt in einem betreuten Wohnen untergebracht, wo sie versorgt wird. Das Sozialamt kümmert sich um sie, sie ist in einer hohen Pflegestufe und es wird für sie gesorgt. Mein Freund ist immer noch für sie da, da bin ich auch ganz dafür und unterstütze ihn. Aber er hat den nötigen Abstand, der ihn weiter leben lässt.

Seither lacht er wieder von Herzen...er ist fröhlich und es kommen seine alten Seiten wieder zum Vorschein - zB ist er ein sehr kreativer Mensch mit vielen Fähigkeiten. Die waren alle total verschüttet.

Ich möchte dir raten, genau zu überlegen, ob du deine Freundin liebst oder nicht. Denn daran hängt alles, wie es weiter geht.

Liebst du sie noch, dann bleib bei ihr, aber holt euch unbedingt alle Hilfe, die ihr kriegen könnt. UNBEDINGT. Pflege, psychologische Hilfe, du nimmst dir mal wieder Zeit für dich (da muss deine Freundin durch!) und gehst aktiv in eine Richtung, die gesund für DICH ist.

Liebst du sie nicht mehr, hat es keinen Sinn, sich aus Pflichtbewusstsein aufzuopfern, nur weil du denkst, du musst das. Schau, dass deine Freundin versorgt ist, renne zu den Ämtern und Kassen, besorge ihr einen Platz im Betreuten Wohnen, rede auch mit der Mutter darüber, dass du einfach nicht mehr kannst und mit 31 schon eigentlich "fertig mit dem Leben" bist.

Und dann lebe wieder.

Diese beiden Möglichkeiten hast du.
Geh in dich und überlege, was du fühlst. Und dann beginne, für dich zu arbeiten. Für deine Seele und dein Leben.

Denn du hast auch eins. Du brauchst keine Schuldgefühle deiner Freundin gegenüber zu haben, nur weil du nicht kaputt gehen willst. Hier ist das reine Pflichtgefühl falsch. Du bist noch so jung. Sorge für dich!

Ich wünsche dir sehr viel Erfolg und die richtige Entscheidung.

Liebe Grüße,

Dana