Problem von Caro - 15 Jahre

http://mein-kummerkasten.de/238855/2-Suizidversuch.html

Hallo Dana,
meine Adresse und Telefonnummer möchte ich nicht schreiben, da niemand von \"meinem Problem\" Bescheid weiss und wissen soll...
ich kann dafür meine eMail Adresse rausgeben:
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danke das du mir geschrieben hast.
Der Druck ist manchmal echt zu viel für mich, sodass ich einfach nicht mehr weiter weiß. Ich weiß auch das mein Dad sich das bestimmt nicht gewünscht hättte. Er wollte doch immer das ich seine Beste bin und das beste aus meinem Leben mache, mit sowas hätte er bestimmt nicht gerechnet.

Eine gute Freundin habe ich, mit der ich fast über alles reden kann.Das tut manchmal verdammt gut...

Bei einer Therapeutin war ich (mit meinem Freund) schon, nachdem mein Dad gestorben ist (damals dachte ich noch nicht so arg an Suizid) weißt du mein Freund war immer für mich da, aber als er mich verlassen hat, war mein leben zum kotzen, ich war meistens alleine.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht wie lang ich das noch alles durchhalte

Caro

Dana Anwort von Dana

Liebe Caro!

Ich freue mich, dass du mir zurück geschrieben hast.
Und ich finde, du klingst doch schon etwas ruhiger.

Wie gesagt: keiner erwartet von dir, dass du all diese Schicksalsschläge einfach so locker wegsteckst und sagst: Juhu, Leben ist klasse!

Leben kann ganz schön scheiße sein. ABER: es ist nicht immer scheiße. Es gibt die schlimmsten Zeiten...aber dann auch wieder wunderbare.

Stell dir zB folgendes vor:
Du würdest dich umbringen...und zwei Tage später zieht ein Junge in die Stadt und geht bei dir auf die Schule, vielleicht eine Klasse höher...und er wäre eigentlich DER Typ für dich...aber du lernst ihn nicht mehr kennen...

Nur so ein Beispiel.

Auch, wenn momentan alles einfach nur kacke ist und um dich herum viel schwarz ist, wenn man dran arbeitet, kommen auch wirklich wieder hellere Zeiten, das weiß ich aus Erfahrung. Bring dich nicht um diese Erfahrungen.

Du musst mir deine Adresse nicht geben, ich wollte dich da auch nicht einengen...aber vielleicht magst du mir ja deine Handynummer oder die Telefonnummer mal geben? Dann rufe ich dich (nach Absprache per Mail natürlich!) gerne mal an und wir quatschen einfach mal eine Weile.

Und weißt du, was das Schöne ist? Du bist ja gar nicht alleine. Du hast zB deine Freundin. Das ist schon mehr als manch anderer hat. Und daran siehst du auch, dass du was wert bist. Freunde haben nur Menschen, die das verdienen. Menschen, die nichts wert und einfach nur kacke sind, haben keine Freunde.

Und ich möchte dich noch etwas bitten: versuche, deinem Exfreund zu vergeben, dass er Schluss gemacht hat. Für Menschen, die nicht fachlich geschult sind, ist starke Trauer und die Probleme, die damit einher gehen, oft einfach überfordernd. Vielleicht wusste er nicht mehr, wie er dir Halt geben kann. Ich selbst habe eine Freundin gehabt, die ein starkes psychisches Problem hatte (viel stärker noch als bei dir) und sie hatte sich damals mit all ihrer Last richtig auf mich gelegt. Ich habe das kaum aushalten können und fühlte mich richtig schlecht, wenn ich manchmal auf ihre Anrufe nicht reagiert habe. Dabei habe ich sie total lieb gehabt.

Vielleicht war das bei deinem Freund ähnlich. Menschen sind einfach nicht perfekt.

Du musst in deinem jungen Leben schon einiges durchmachen und ertragen. Das macht aus so einem jungen Menschen quasi ZU schnell einen Erwachsenen. Du musst schon viel für dich da sein und Verantwortung übernehmen. Dazu hast du eine Mutter, die ebenfalls Probleme hat.

Es ist viel, das will ich gar nicht leugnen und das musst du auch nicht runterschlucken und sagen: ok, ich krieg das schon, alles easy. Denn es ist NICHT alles easy. Du hast ein gehöriges Päckchen zu tragen.

ABER: du kannst das sehr wohl schaffen. Du bist ein Mensch mit Hirn (das merkt man an deinem Schreibstil) und ein Mensch mit Herz, sonst würdest du dir nicht so viele Gedanken machen. Dein Vater wollte, dass du "seine Beste" bist. Ich denke, das warst du sowieso.

Allerdings zwingt dich keiner, die Allerbeste zu werden. Versuche, dir den Druck selbst etwas zu verringern, indem du über kleine Schritte nachdenkst. Nicht gleich Riesenschritte oder "ich muss alles schaffen, alles packen und wenns geht, sofort." Kennst du die Geschichte von MOMO? Das ist ein Buch von Michael Ende. MOMO ist die Haupt-Akteurin in dem Buch...ein kleines Mädchen, das sich die Zeit nimmt und anderen Menschen zuhört. Schnell ist sie in der ganzen Stadt beliebt.

Und ihr bester Freund ist Beppo, der Straßenkehrer. Er kehrt immer die riesig langen Straßen ihres Dorfes mit einem einfachen Besen.
Momo fragt ihn mal, wie er das schafft. Wie er diese langen Straßen sehen kann und dann loskehrt, obwohl er weiß, wie lang sie sind! Also quasi, warum er nicht schon im Voraus aufgibt.

Und Beppo lächelt sie an und sagt: "Weißt du...ich mache das so. Ich beginne zu kehren und blicke immer nur kurz vor meine Füße. Und dann kehre ich. Dann mache ich einen Schritt und gucke nur vor meine Füße...und dann kehre ich...und plötzlich...ist die ganze Straße gemacht..."

Ich finde diesen Teil der Geschichte total klasse, denn er zeigt das, was wichtig ist. Vor dir liegt ein Berg. Und wenn du an den ganzen Berg denkst, ist er einfach zu groß. Du denkst: nee, das schaff ich eh nicht! Der Druck ist einfach zu riesig!....aber was, wenn du Schritt für Schritt gehst? Ganz kleine...ein Schritt kann eine Stunde sein, ein paar Minuten...oder auch mal ein Tag. Ein Schritt kann ein gutes Gespräch mit deiner Freundin sein...etwas Nettes, das du mit deinen Klassenkameraden machst...

Ein Schritt kann sein, dass du dir selbst sagst: ja, ICH bin wertvoll. Ich bin immer Papas Beste gewesen...und bin es noch. Ich bin es wert zu leben... Ein Schritt kann auch sein, dass du die Sonne siehst, wie sie scheint...und die Wärme spürst. Und nicht nur die Kälte. Ein Schritt kann sein, dass du positive Gedanken sammelst, dass du sie mit deiner Freundin teilst.

Ein Schritt könnte aber auch sein, nochmals eine Therapeutin aufzusuchen oder mal mit deiner Hausärztin zu sprechen, ob sie einen Rat für dich weiß. Sicher, es sollen so wenig wie möglich Leute von deinem Leid erfahren, so denkst du...aber warum? Du bist doch für das Leid nicht verantwortlich! Im Gegenteil, du bist Opfer dieses Leids. Und Opfer verdienen Hilfe.

Ich habe das heute schon mal jemandem geschrieben: wenn man eine Wunde am Bein hat, geht man zum Arzt und lässt sie reinigen, bekommt eine Tinktur drauf und vielleicht noch eine Spritze. Würde man einfach einen Verband auf die dreckige Wunde machen, um sie zuzudecken, würde sie eitern und dich vielleicht sogar in Lebensgefahr bringen.

So eine Wunde kann auch in die Seele kommen. Deckt man sie zu, eitert sie.

Sorge dafür, dass die Wunde gereinigt werden kann. Lass jemanden Erwachsenen (den du vielleicht nicht kennst, das ist manchmal sogar einfacher als jemanden, den man kennt, zu nehmen) den Arzt sein, der deine Seele reinigt und heilt und deine Freundin die Krankenschwester, die bei dir ist und dir durch hilft.

Du musst da nicht alleine durch, du musst den Druck nicht alleine ertragen. Und du bist ein tolles Mädchen mit vielen sensiblen Gedanken.

Wenn ich überlege, dass du das wegwerfen wolltest, wird mir ganz weh im Herzen. Ich hoffe sehr, dass du deinem Leben eine Chance gibst, besser zu werden.

Ich bin hier, wenn du weiter reden möchtest. Und wie gesagt, ich würde dich auch anrufen (ohne dass jemand sonst davon was mitkriegt in deiner Umgebung). Sprich mit mir, ich bin da.

Ganz liebe Grüße,

Dana