Anwort von Bernd

Hallo Unbekannte.

Leider kann ich mir nicht so recht ein Bild von dem machen, worin Deine Schwierigkeiten mit Deinen Eltern letztendlich begründet sind. Es gibt aber einige Anhaltspunkte. Ob und in wieweit das, was ich hier schlußfolgern werde, tatsächlich auf euer Familienleben zutrifft, wirst Du selbst ergründen müssen. Dazu solltest Du vielleicht einmal ganz (von Dir selbst) unvoreingenommen das Folgende durchlesen.

Zuerst bin ich über Deine Formulierung gestolpert:
"sie nennen mich besserwisser, nur weil ich abi gemacht habe und studiere, sie haben nur hauptschule."

Für eine zukünftige Grundschullehrerin finde ich es bedenklich, wenn Du den Hauptschulabschluß so herabwürdigst! Sicherlich nennen Deine Eltern Dich nicht "Besserwisser", weil Du studierst! Das ist eher ein Zeichen dafür - vor allem im Zusammenhang mit Deiner Ansicht über den Wert eines Hauptschulabschlusses - dass Du Deinen Eltern wohl gerne ab und zu Deine "geistige Überlegenheit" demonstrierst!?
Ich schreibe das nicht nur so: in Deinem Alter und schon einiges früher habe ich dasselbe versucht! Bereits in der Oberstufe war es ein Hobby von mir, mit möglichst vielen Fremdwörtern um mich zu werfen. Und dann eine stille Freude daran zu haben, mich über meine Eltern erhaben fühlen zu können.
Wie können meine Eltern mir Vorschriften machen wollen, wenn sie nicht einmal verstehen, was ich mit ihnen rede?
Das ist ein tolles Gefühl der Überlegenheit. Darüber vergisst man ganz, dass man ohne seine Eltern ganz schlicht und ergreifend nichts hat und nichts ist!
Meine Eltern hatten mir das Fremdwörterlexikon geschenkt, mit dessen Hilfe ich sie dann rethorisch an die Wand geredet habe!
Und dass ein abgeschlossenes Studium alleine absolut nichts wert ist, beschreibst Du ja selbst mit dem Beispiel Deines Freundes.
Im ersten Augenblick war ich wirklich verstört, als ich gelesen habe, dass Dein Vater Dich "noch" letzte Woche geschlagen hat.

Und dann habe ich mich gefragt, was dieses "noch" eigentlich bedeuten soll.
Zuerst suggerierst Du damit, dass diese Schläge ein oft wiederkehrendes Ereignis in Deiner Familie ist.
Es kann aber genauso bedeuten, dass es ein einmaliger Gewaltakt war, und Du mit dem "noch" einzig den Bezug auf Dein fortgeschrittenes Alter herstellst.
In dem Alter hätte mich mein Vater nur einmal geschlagen!
Mir hat es bereits gereicht, dass er seinerzeit gesagt hat: "solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst, hörst Du gefälligst darauf, was wir Dir sagen!"

Da brauchte ich nicht viel nachzudenken! Und ich hatte auch kein "Problem" damit: Ich bin aufgestanden, habe meinen Koffer genommen und habe meinem Vater gesagt, dass ich ab heute selbst dafür sorge, mein Studium zu finanzieren. Und weder seinen Tisch, noch sein Geld benötige!

Jetzt frage ich Dich, weil es mich wirklich stutzig macht: Warum bist Du willens, das für Dich so unerträgliche Elternhaus weiter in kauf zu nehmen?
Irgendwie bleibt das Gefühl bei mir zurück, dass die Annehmlichkeiten, am Ende doch überwiegen. Zumindest soweit, dass Du es noch auszuhalten bereit bist, bis Du es ohne weitere Einschränkungen und Unannehmlichkeiten (wie z.B. Ferienjobs, oder sonstige Arbeit, Wäsche selber waschen, Essen selber einkaufen und zubereiten, Studentenzimmer, statt Wohnung, ....) geschafft hast, Dich auf die eigenen Füße zu stellen.

Ich denke, Du solltest vielleicht noch einmal in Dich gehen und ernsthaft überlegen, was wirklich die Unstimmigkeiten in Deine Familie trägt!

Mein Vater hat dazumal meine konsquente Haltung akzeptiert und uns so die Möglichkeit gegeben, auch wieder friedlich zusammen zu kommen.

Ich mag meine Eltern niemals missen! Und meine Kinder ihre Großeltern ebensowenig!

Du magst Dich im Augenblick im Trotz mit Deinem Plan abgefunden haben. Aber glaube mir: irgendwann wirst Du es anders sehen!

Alles Liebe,

Bernd