Problem von Alischa - 14 Jahre

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Hallo Marie!

Vielen, vielen Dank nochmal dafür, dass du dich so sehr für mich einsetzt!

Bei meiner Mutter klappt das nämlich im Moment nicht so gut. Ich habe nach dem Lesen deiner Antwort, meinen ganzen Mut zusammen genommen, und ihr von allem erzählt. Sie hat laut angefangen zu weinen und mich in den Arm genommen. Sie hat sehr viel Mitgefühl...bis zu dem Zeitpunkt, andem ich ihr gesagt habe, dass ich \'es\' nicht haben möchte.
Sie sagt es sei Mord und will auf keinen Fall eine Abtreibung! Sie sagt ich soll es bekommen, und dann geben wir es ab. Sie hat leicht reden, sie ist nicht vergewaltigt worden von jmd. von dem man es nie glauben würde, und ist jetzt schwanger.

Meine Mutter war mit mir beim Arzt, und ich habe ganz klar gesagt das ich keine Ultraschallbilder sehen möchte & auf keinen Fall das Geschlecht wissen will. Als sie es aber gesehen hat, hat sie gesagt: Oh, eine kleine Prinzessin!
Ich bin völlig fertig!Eine kleine Prinzessin...
Aber ich will sie nicht länger in mir haben. Wenn ich das Kind zur Welt bringen will, habe ich die nächsten paar Monate immer etwas das mich \'daran\' erinnert.

Nein. Ich will es nicht. Mama hat zwar einen Beratungstermin in den Niederlanden gemacht, aber für sie hat sie dei Entscheidung schon getroffen.
Dafür will ich sie hassen, aber ich kann es nicht, weil ich sonst niemanden direkt bei mir hätte...

Ich hatte bis vor 4 Monaten ein Leben wie im Märchen. Zwar sind meine Eltern geschieden, aber ich habe Kontakt zu beiden. Jetzt muss ich daran denken, uns stelle jedes Mal aufs neue Fest, das mein Leben ein Haufen Elend ist. Wann kommt man damit klar? Auch ohne eine Therapie?

Was kann ich tun, damit sie mich und meine Entscheidung versteht? Warum benimmt sie sich so?

Vielen Dank für dein Mitgefühl & freundliche Grüße,

Alischa

Marie Anwort von Marie

Liebe Alischa,

zunächst mal: großen Respekt dafür, dass du mit deiner Mutter darüber geredet hast! Das hat sicher sehr viel Mut und Überwindung gekostet.
Leider scheint sie zum Thema Abtreibung eine sehr ablehnende Haltung zu haben. Bei diesem Thema gehen die Meinungen sehr weit auseinander: Manche finden, dass man einen Menschen niemals töten darf, egal ob er schon geboren wurde oder noch nicht. Sie finden, dass man auch jedem ungeborenen Menschen die Chance auf Leben geben muss. Das Kind kann ja schließlich nichts dafür, dass es z.B. aus einer Vergewaltigung entstanden ist. Und wenn das Kind selbst schon mitbestimmen könnte, würde es sicher nicht wollen, dass es abgetrieben wird. Da es aber selbst noch nicht mitentscheiden und sich nicht wehren kann, ist es wichtig, dass sein Leben von anderen geschützt wird - in deinem Fall von deiner Mutter.
Diese Meinung hat sich wahrscheinlich über Jahre oder Jahrzehnte hinweg bei deiner Mutter gefestigt. Deswegen fällt es ihr so schwer, deine Entscheidung zu verstehen - sie müsste ja von einem Moment auf den anderen das, was sie bisher für richtig gehalten hat, komplett über den Haufen werfen! Aus ihrer Sicht würde sie, wenn sie dir jetzt die Erlaubnis für eine Abtreibung geben würde, ihre Zustimmung dazu geben, dass ein unschuldiger und wehrloser Mensch getötet wird - und das kann sie nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Und: sie hat selbst ein Kind und ist sicher sehr froh, dass sie dich damals bekommen hat. Das könnten die Gründe sein, warum sie sich so verhält.

Ich weiß, das ist schwer zu verstehen. Genauso schwer fällt es wahrscheinlich auch ihr, dich zu verstehen. Sie selbst hat nicht dasselbe durchmachen müssen wie du.
Ich denke, alles, was du tun kannst, ist ihr ganz klar zu sagen, wie es dir damit geht und warum du dieses Kind nicht bekommen willst. So, wie du es uns geschrieben hast. Wenn dir das sehr schwer fällt, kannst du ihr auch einfach mal die Mails zeigen, die du uns geschrieben hast. Vielleicht versteht sie dich dann besser.
Ich finde, es ist schon mal ein gutes Zeichen, dass sie einen Beratungstermin in den Niederlanden ausgemacht hat. Vielleicht ändert sie ihre Meinung ja doch noch?

Du fragst, wie du mit der Erinnerung und mit dem Gedanken, dass dein Leben jetzt ein Haufen Elend ist, klarkommen sollst. Du hast sehr viel durchmachen müssen - wahrscheinlich mehr, als manch anderer in seinem ganzen Leben ertragen muss. Es ist wahnsinnig ungerecht, dass dir das passiert ist - aber es kann leider niemand rückgängig machen, so sehr wir es uns auch wünschen. Du kannst jetzt nur versuchen, einen Weg zu finden, wie du damit umgehen kannst.
Ich denke, es ist ganz wichtig, dass du jetzt sehr auf dich und auf deine Bedürfnisse achtest, also auf das, was dir im Moment gut tut. Versuche herauszufinden, was dir hilft, mit dieser Situation umzugehen. Dazu habe ich eine gute Seite gefunden, schau mal hier: http://www.hab-keine-angst.de unter "Hilfe" -> "Hilfe für Betroffene".
Probiere diese Sachen ruhig mal aus und finde heraus, was dir persönlich gut tut. Manchmal sind es ganz kleine Dinge, die einem wieder Halt geben können.

Und: Ich finde es immer noch ganz wichtig, dass du dich mit der Erinnerung an das, was dir passiert ist, auseinandersetzt. Im Moment versuchst du, diese Gedanken so weit wie möglich wegzuschieben und "es" einfach zu vergessen. Das ist auch vollkommen verständlich! Aber es wird auf Dauer wahrscheinlich nicht funktionieren. Die Erinnerungen werden sich immer wieder aufdrängen und es kostet sehr viel Kraft, sie immer wieder zu unterdrücken - manchmal sogar so viel, dass gar keine Kraft mehr für andere Dinge übrig bleibt.
Deswegen ist es wichtig, dass du dieses schlimme Erlebnis verarbeitest, am besten mit professioneller Hilfe (z.B. in einer Beratungsstelle oder bei einer Psychotherapeutin). In einer Therapie kann das z.B. so ablaufen, dass man sich immer und immer wieder mit diesem Erlebnis auseinandersetzt - solange, bis die Erinnerung ihren Schrecken verliert, zumindest soweit, dass man damit leben und damit abschließen kann.
Du wirst diese Erinnerung zwar nie ganz vergessen können und sie wird immer noch weh tun, wenn du daran denkst - aber du kannst lernen, damit umzugehen und damit zu leben. Wie bei einer Wunde, die zwar eine Narbe hinterlässt, aber mit der Zeit verheilt.
Und, auch wenn es vielleicht nur ein schwacher Trost ist: Denke daran, dass es vorbei gehen wird. Irgendwann wirst du wieder ein normales Leben führen und die Erinnerung wird dir nur noch wie ein böser Traum vorkommen, aus dem du aufgewacht bist.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft, das alles durchzustehen!

Alles Liebe,
Marie