Problem von Anonym - 18 Jahre

Wieso bin ich so traurig?

Hallo liebes KuKa-Team!
Ich habe euch schonmal geschrieben, aber leider nach drei Monaten immernoch keine Antwort erhalten...
Aber ich finde eure Einrichtung trotzdem toll, ich finde es echt lieb, dass ihr euch in eurer Freizeit um andere Menschen kümmert.
Nun möchte ich aber nochmal mein Problem äußern, da es immernoch aktuell ist.

Ich wüsste wirklich gerne wieso ich immer so traurig bin. Bei mir wurden mittelschwere bis schwere Depressionen diagnostiziert, außerdem habe ich Angst vor Menschen, besonders vor denen meiner Altersgruppe, und ertrage es nicht, längere Zeit mit mehreren von ihnen in einem Raum zu sitzen, ergo kann ich auch nicht zur Schule gehen, obwohl ich so gerne eine anständige Bildung genießen möchte. (Ich bin nach der zehnten Klasse mit einem Realschulabschluss abgegangen, was ich ziemlich kläglich finde...)
Ich habe meine Ausbildung zur Modedesignerin abgebrochen, weil ich Panik und Heulanfälle bekommen habe, ich musste dann den Raum verlassen und verschwand dann auch gerne mal für eine Stunde, weil ich mich nicht wieder ins Klassenzimmer traute.. Dabei hat mich in der Klasse niemand gemobbt.
Momentan verbringe ich meine Zeit zu Hause und tue was mir gefällt. Ich kann mich gut alleine beschäftigen und bin momentan auch einigermaßen glücklich, auch wenn der Hang zu Depressionen natürlich immer vorhanden ist.

Jetzt frage ich mich nur: Wieso?
Ich habe nie ernstzunehmende Probleme gehabt, mir ging es mein ganzes Leben lang nur gut. Ich habe eine nette und verständnisvolle Mutter und seit meinem sechsten Lebensjahr einen etwas kritischen und unterkühlten Stiefvater, der mich aber auf seine komische Art auch lieb hat. :-) Meine Eltern haben ein recht gutes Einkommen und weil meine Mutter eine ziemlich harte Kindheit hatte, bin ich sogar sehr behütet aufgewachsen. Ich denke, ich bin auch etwas verwöhnt, was mir nicht so zusagt weil ich finde, das macht einen schwachen Charakter.
Ich habe zwar nicht viele Freunde, aber die die ich habe sind wirklich nett und ich kann mich auf sie verlassen.
Alles was ich an Schwierigkeiten hatte war Mobbing. Das hat in der 1. Klasse angefangen und endete mit dem Schulabgang. Klar, da gings schonmal unschön zu, hauptsächlich lief das ganze auf psychischer Ebene ab, manchmal wurde ich auch geschlagen, aber nicht so oft. Es waren eher so die typischen kleinen Gemeinheiten die Kinder und Heranwachsende nunmal so tun. Die Schulsachen werden versteckt oder geklaut, man kriegt im Gang ein Bein gestellt, man wird ignoriert, ausgegrenzt, lächerlich gemacht, oder auch systematisch terrorisiert. Ehrlichgesagt kann ich mich an kaum etwas erinnern, ich habe einen richtigen Filmriss, obwohl ich nie irgendwelche berauschenden Dinge konsumiert habe.
Das klingt wahrscheinlich etwas dumm, aber deshalb kann ich diese ganze Mobbing-Geschichte nicht so gut schildern. Tut mir Leid. Aber ich denke so wichtig ist das nicht. Vor allen Dingen hatte ich es auch nicht besser verdient, weil ich einen schlechten Charakter habe. Und ein hässliches Gesicht auch.
In der Schule hatte ich auch anfangs immer ein paar Freunde, aber weil ich einfach furchtbar war haben die mich schnell wieder fallen gelassen.
Jedenfalls gingen irgendwann auch meine Noten total bergab, im ersten Halbjahr der siebten Klasse hatte ich eines der besten Zeugnisse, bei meinem Abschluss eines der schlechtesten.
Allerdings will ich das nicht auf meine Klassenkameraden schieben, ich glaube ich bin einfach eine faule Sau und habe deshalb so versagt.

Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass man so schwerwiegende psychische Störungen von ein Bisschen Mobbing kriegen kann. Das ist doch lächerlich. Ich meine, okay, zehn Jahre sind eine recht lange Zeit, aber trotzdem. Das passiert doch ständig und ist doch auch nur halb so wild. Ich muss wirklich einen ziemlich schwachen Charakter haben, wenn ich mich von sowas beeinflussen lassen kann...
Ich komme mir total erbärmlich und schwach vor. Ich kenne viele Leute die richtig viel Scheiße durchgemacht haben und die nicht so geschädigt sind wie ich.
Jetzt weiß ich auch gar nicht was ich tun soll. Meine Therapeutin sagt, ich bin nicht therapierbar.
Dass ich meine Zeit gerne allein verbringe, ist für mich auch kein Problem. Ich knüpfe nicht schnell Kontakte und lehne zu tiefgehende Beziehungen einfach ab. Ich verhalte mich anderen gegenüber etwas unterkühlt, aber das sehe ich nicht als Belastung an. Ich fühle mich nicht einsam.
Dennoch kann ich nicht ewig so weitermachen. Ich brauche einen Abschluss, eine Ausbildung, einen Job. Und zwar einen gut bezahlten, schließlich bin ich so verwöhnt. :-)

Bitte antwortet mir diesmal, ich brauche eure Hilfe wirklich dringend. (Wie tausend andere hier auch, ich weiß...)

Liebe Grüße,
Die Anonyme

Marie Anwort von Marie

Liebe Ratsuchende,

es tut mir Leid, dass du bisher noch keine Antwort von uns erhalten hast - aber diesmal klappt es :-)

Zunächst einmal möchte ich versuchen, dir eine Erklärung für deine Depressionen anzubieten.

Eine Depression entsteht meistens aus zwei Dingen heraus: Zum einen daraus, dass man eine gewisse Veranlagung dafür besitzt, die z.B. genetisch bedingt sein kann. Zum anderen aus einem schlimmen Ereignis oder belastenden Lebensumständen heraus, die die Depression auslösen bzw. mitverursachen können.
Wenn nur eins von beiden zutrifft, passiert im Normalfall nichts. Wenn aber beides zusammenkommt, entsteht daraus eine Depression.

Zu diesen belastenden Ereignissen bzw. Lebensumständen zählt u.a. auch Mobbing. Es mag dir unwichtig erscheinen, aber das ist eine der schlimmsten Sachen, die einem Menschen passieren können - besonders in einer Zeit (Kindheit und Jugend), in der es sehr wichtig ist, von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden. Wenn du ständig nur abgelehnt wirst, hinterlässt das zwangsläufig Spuren. Daher kommt wahrscheinlich auch deine Angst vor Gleichaltrigen - du hast bisher ja fast nur schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht.
Ich bin sicher, dass es 90% aller Menschen genauso gehen würde wie dir, wenn sie zehn Jahre lang so etwas hätten durchmachen müssen. Das ist nicht lächerlich oder erbärmlich und hat auch nichts mit Charakterschwäche zu tun, sondern ist im Gegenteil vollkommen verständlich und nachvollziehbar!
Der Grund, warum du dich an diese Dinge nicht mehr richtig erinnern kannst, liegt vermutlich darin, dass du sie verdrängt hast - das macht unser Gehirn automatisch, um uns zu schützen, wenn wir eine Erfahrung machen, die so schlimm ist, dass wir sonst nicht damit umgehen könnten.

Dir wurde immer vermittelt, dass du nicht in Ordnung bist, dass du hässlich bist und einen schlechten Charakter hast. Du meinst, das wäre der Grund, warum du gemobbt wurdest. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall: Du wurdest gemobbt und deswegen denkst du jetzt, dass du ein schlechter Mensch bist und gar nichts anderes verdient hast.

Aber das stimmt nicht! Du hast genauso deine Stärken und Schwächen wie jeder andere Mensch auch. Du bist vielleicht nicht perfekt, aber du bist mit Sicherheit auch nicht schlechter oder weniger wert als andere.
Ich denke, es ist ganz wichtig, dass du daran arbeitest, ein realistisches Bild von dir selbst zu bekommen. Im Moment nimmst du an dir nur das Negative wahr - aber es gibt auch gute Seiten an dir, und denen solltest du mindestens genauso viel Aufmerksamkeit schenken. Wenn es dir schwer fällt, Gutes an dir zu entdecken, dann frag ruhig mal deine Freunde, was sie an dir mögen. Vielleicht können dir auch die Tipps auf dieser Seite weiterhelfen: http://www.selbsthilfe-beratung.de/minderwertigkeitsgefuehle.html

Deine Therapeutin macht es sich aus meiner Sicht ein bisschen zu leicht, wenn sie sagt, du seist "nicht therapierbar".
Ich bin sicher, dass, wenn du es selbst willst, dir eine Therapie gut dabei helfen könnte, mehr Selbstbewusstsein aufzubauen, deine Depressionen in den Griff zu bekommen und deine Angst vor Gleichaltrigen abzubauen. Ich würde dir raten, dich nach einer neuen Therapeutin oder einem Therapeuten umzusehen (schau mal hier: http://therapie.de) und wenn du jemanden gefunden hast, mit dem du gut zurecht kommst, es noch einmal mit einer Therapie zu versuchen. Nur Mut, du schaffst das! :-)
Es kann allerdings lange dauern, bis eine Psychotherapie wirklich Erfolge bringt, daher wäre zur "Überbrückung" vielleicht auch eine zusätzliche Behandlung mit Medikamenten sinnvoll - einfach, damit diese Traurigkeit erst einmal ein bisschen nachlässt. Wenn das für dich infrage kommt, kannst du dich ja mal von einem Psychiater dazu beraten lassen.

Wenn du kein Problem damit hast, allein zu sein, wäre vielleicht auch eine Ausbildung, in der du nicht viel mit anderen Menschen zusammen arbeiten musst (zumindest nicht mit Gleichaltrigen), das Richtige für dich. Schau mal hier: http://www.alleberufe.de/
Dort findest du bestimmt auch einige Berufe, an die du noch gar nicht gedacht hast und die vielleicht für dich infrage kämen.

So, das war's erstmal von mir... Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen. Wenn du magst, kannst du dich jederzeit wieder an uns wenden.

Ich wünsche dir alles Gute und ganz viel Kraft, um deine Probleme anzugehen!

Liebe Grüße,
Marie