Problem von Anna - 17 Jahre

Finde keinen Platz in der Gesellschaft

Hallo. Nun bin ich fast 18 und habe das Gefühl mich in dieser Gesellschaft immer noch nicht auszukennen. Eigenlich bin ich das ganz normale Mädchen von nebenan, katholische familie, 3 Geschwister, kleine Stadt, sehr aktiv , Stufensprecherin, Partygänger und eigentlich auch relativ viele Freunde (Leider noch immer keinen festen Freund, aber darin liegt nicht mein Problem, glaub immernoch an die große Liebe :P). Ich bin eher unauffällig. Ich finde einfach keinen Platz. Ich fühle mich langweilig - obwohl ich das doch eigentlich gar nicht sein will. Ein Mauerblümchen, obwohl ich alles daran setzte aus dieser Rolle rauszukommen. Ich schaff es nicht. Immerwieder merke ich, dass ich nicht über Dinge lachen kann, die alle anderen als witzig empfinden. Dass ich witze mache, die oft keiner versteht. Dass ich bei manchen Sachen einfach keine Lust habe mitzureden. Dass ich mich manchmal einfach unsicher fühle, und ich nur noch lächle und nicke. Obwohl das ja nicht gerade von charakterstärke zeugt. Gerade komme ich vom Geburtstag meiner Tante. Ein Familienfest also. Alle waren total nett drauf, haben geredet und gelacht. Mein cousin (19)hat einfach einen wunderbaren Humor. Wenn ich ihn höre und beobachte, wie er die ganze Gesellschaft zum lachen bringt und jeder noch einen drauf setzt und ich einfach nur da sitze und grinse, lässt mich das einfach an mir zweifeln, ich wäre doch auch gern so humorvoll, so sicher und trotzdem spontan. Und ich glaube nicht, dass ich zuwenig Selbstbewusstsein habe, ich weiß dass ich einen großen Wert habe, und ich weiß auch dass da in mir drin ziemlich viel schlummert. Doch ich kann das einfach nicht nach außen tragen. Egal was ich mir vornehme, all die positiven Einstellungen, Gedanken...Ich fühle mich einfach nicht angenommen, nicht ein Teil der Gesellschaft. Oft kann es vorkommen, dass ich einfach ignoriert werde, und das nicht absichtlich, ich bin einfach "unaufällig" ja manchmal hab ich sogar das Gefühl "unsichtbar" zu sein. Vielleicht mache ich mir zu viele Gedanken. Doch ich habe einfach das Gefühl keinen Platz hier zu finden, nicht in dieser Gesellschaft, nicht in Party´s, nicht oberflächlichen Gesprächen, nicht in unserer verschobenen Wertevorstellung. Manchmal würde ich am liebsten weg. Oder was total ausergewöhnliches machen. Ein Zeichen setzen. Oft enden die Treffen mit Familie oder Freunde für mich in Traurigkeit und Frust. Ich bin ständig auf der Suche, doch komme nicht zur Ruhe. Fühle mich nicht wohl, fehl am Platz. Wo ist er, mein Platz in dieser Gesellschaft?

Danke, und liebe Grüße Anna

Dana Anwort von Dana

Liebe Anna!

Dir geht es wie vielen jungen Menschen, die für ihr Alter schon geistig sehr weit sind. Sie sehen ihr Umfeld und merken, dass sie ihr Potential nicht ausschöpfen können, weil das Umfeld sie behindert. Oberflächlichkeit in der Schule, eine feste Rolle in der Familie (nämlich die der Grinserin und Maulhalterin, auch wenn du sicher geliebt wirst), es sind immer Menschen da, die einen übertrumpfen, die man innerlich teilweise zum Vorbild hat und merkt, dass man sie nicht erreicht.

Meiner Meinung nach steckst du dir falsche Ziele, daher auch die Suche nach dem richtigen Weg, den du scheinbar noch nicht siehst.

Du schreibst, du seist ein Mauerblümchen und würdest sehr oft ignoriert. Ich glaube, dass deine Selbsteinschätzung fehlerhaft ist. Du wärst sonst nicht Stufensprecherin, sehr aktiv und hättest viele Freunde und Bekannte.

Ich denke, dass diese Frustration darin begraben liegt, dass du versuchst, jemand zu sein, der du nicht bist. Ok, dein Cousin ist superwitzig. Er hat immer und überall den rechten Spruch auf Lager. Und nun trauerst du, weil du das nicht kannst? Ich glaube, du bist dir gar nicht im Klaren, WAS du alles kannst. Den Platz in der Gesellschaft, den dein Cousin innehat, den kannst du nicht haben. Der ist ja besetzt. Eifere dem nicht nach sondern konzentriere dich auf deine Stärken und deine Möglichkeiten.

Du hast in der Schule Verantwortung, die Menschen vertrauen dir. Du bist intelligent, klug und kannst dich gut ausdrücken. Du bist tiefgründig und denkst viel nach. Das alles sind gute Eigenschaften, die ich alleine aus diesem Brief hier heraus lesen kann. Und ich bin sicher, da schlummern noch mehr.

Deinen Platz in der Gesellschaft findest du nicht, indem du ihn anderen Menschen neidest oder versuchst, ihnen nahe zu kommen, um einen ähnlichen Platz einzunehmen. Dein Platz wartet noch, bis du heraus gefunden hast, wer du wirklich bist und was DICH ausmacht.

Du bist nicht so witzig wie dein Cousin? Dann sei es nicht. Und dann probiere es nicht. Es ist keine Unzulänglichkeit, wenn du das nicht so gut kannst oder wenn die Witze, die du machst, eben Witze von solcher TIefgründigkeit sind, dass viele sie nicht verstehen. Du bist einfach du. Bei vielen Sachen willst du nicht mitreden? Dann rede nicht mit. Sei darüber aber nicht frustriert sondern sage dir: ich bin eben ich und bei manchen Themen will ich nicht mitreden.

Suche dir deinen Weg zu deinem Platz. Dieser Weg sollte nicht mit Frustration gepflastert sein sondern mit Erkenntnissen über dich und deine Stärken.

Du scheinst jemand zu sein, die gut organisieren kann, die kein Problem damit hat, vor einer Gruppe zu sprechen oder die Leitung zu übernehmen, sonst wärst du nicht Sprecherin bei euch. Bau das doch aus! Da scheinen große Stärken von dir zu liegen.
Beispiele:

- rotes Kreuz. Die suchen immer Helfer, man kann da Zusatzausbildungen machen. Eine Schülerin von mir macht das. Seit sie dort dabei ist, ist sie wie verwandelt. Zum Positiven.

- Auslandsjahr? Vielleicht wäre das was für dich! Oder später ein FSJ, irgendwo weit draußen, wo du merkst, dass man dich braucht.

Such dir Plätze, wo deine Stärken gebraucht werden und wo du merkst, dass dir das gut tut. Hadere nicht damit, dass du manche Dinge nicht so gut kannst, sondern baue das aus, WAS du gut kannst. Du schreibst selbst, dass du in dir gutes Potential siehst. Nutze es. Für DICH alleine. Für das, was du aufbauen kannst. Und scheiß drauf (entschuldigung), dass du nicht so sicher und so spontan bist. Ich zB habe eine recht große Klappe und kann auf Gesellschaften durchaus alle zum Lachen bringen.

Aber mir fällt es schwer, mich dann auch mal zurück zu nehmen. Da beneide ich diejenigen, die das können. Ich könnte jetzt trauern, dass ich so nicht bin und mich selbst runtermachen. Aber ich versuche, diese Stärke in mir so zu nutzen, dass andere Menschen davon profitieren und mich nicht kritisieren müssen. Versuche das einfach auch. Es funktioniert!

Du schreibst, dass, egal, was du dir vornimmst, du deinen Platz nicht findest. Es wird etwas dauern, aber der Moment wird kommen, wo du merkst: ja, DA liegen meine Aufgaben! DA ist es, wo ich helfen oder arbeiten will! DA kann ich mich einbringen. Und das ist nunmal eine Suche.

Insgesamt würde ich auch von diesem "Platzgedanken" wegrücken. "Man hat seinen Platz" ist irgendwie auch immer mit Unbeweglichkeit verbunden. Man sitzt, man hat seinen Platz, man muss sich nicht mehr bewegen. Genieße diesen Weg dahin, er ist nicht doof und es ist auch nicht schlimm, noch nicht genau seinen Platz zu kennen.

Ich wünsche dir, dass du den Mut fasst, Dinge auszuprobieren, die dich deinem Ziel näher bringen können. Dass du nicht frustriert Dingen nachhängst, die gar nicht das sind, was DICH ausmacht sondern beginnst, ANNA zu sein. So wie du eben bist. Und dich SO auf den Weg machst.

Liebe Grüße und viel Erfolg auf diesem Weg!

Dana