Problem von Bianca - 17 Jahre

Mein Vater ist ein Trinker

Hallo, meine Name ist Bianca und werde bald 17 Jahre alt. Ich habe einen Zwillingsbruder und eine 6 Jahre ältere Schwester. Meine Eltern arbeiten beide. Eigentlich klingt das alles ganz normal,aber eines trügt. Mein Vater trinkt seit dem ich schon Kleinkind bin. Meine Mutter unterstützt ihn.
Mir und meinen Geschwistern ist das Trinkproblem erst in den letzten ca. 5 Jahren klar geworden. Mein Bruder und ich waren ca. 12-13, von da an haben wir begriffen das nicht alles in Ordnung ist was daheim bei uns abgeht. Erst dieses Jahr haben wir uns 3 getraut mit unseren Eltern zu sprechen. Der erste Satz lautete: Vater ist kein Trinker! -mein vater gab uns das Versprechen zum Arzt zu gehen und ihn um Rat zu bitten, aber leider ohne Erfolg. Bis heute (fast 3 Monate her, seit dem Gespräch) ist alles bei dem Alten geblieben.
Meine Geschwister vermuten,dass das Trinken wegen seiner Arbeitsstelle ist. Dort hat er einen Kollegen der ziemlich schlimm seien soll und an meinem dad andauernt rumnögerlt. Dann haben wir erfahren das mein Dad auch in der Arbeit schon mal erwischt wurde beim Trinken.
Ich könnte jetzt Stundenlang darüber erzählen,aber im Grundgenommen läuft alles auf das gleiche hinaus.
Meine Geschwister und ich konnten jahrelang nicht über das Problem reden, nicht mal wir untereinander. Jeder von uns lebte jahrelang in seiner Welt. Mein Bruder hat begonnen sich auszugrenzen, hat begonnen zu rauchen, ist sitzengeblieben in der Schule, meine Schwester hätt fast die Uni geschmiessen, weil die Sorgen sie beinah aufgefressen hätten. Sie geht jetzt regelmäßig zu einer Therapeutin. Und was ist mit mir?
Ich habe, genauso anfangen wie mein bruder, mich auszugrenzen. Sitzte jetzt mehrere Stunden in meinen Zimmer anstatt das mitzuerleben was in unserem Wohnzimmer geschieht. Meine Eltern bekommen es mit und fragen uns immer wieder warum wir das tun. Ich kann nur darüber lächeln, ehrlich. Wenn sie selbst erkennen, warum wir das tun dann weiß ich auch nicht weiter. Sie fordern uns auf das was war zu vergessen, so zu tun als gäbe es kein Probelm (zumindest kommt es mir so vor)
Ich habe aber keinen Bock mehr auf den Mist. Ich habe jahrelang darunter gelitten. keine Liebe, keine Fürsorgen,keine Umarmungen, kein essen das auf dem Tisch steht,wenn man von der Schule heimkommt, ... . Es tut einfach nur verdammt weh!
Ich habe meine Hobbys aufgegeben, und mir kommt es vor als hätt ich auch mein Leben geopfert. ich kann in der Schule nicht klar denken, kann daheim nicht lernen, kann mich auf gar nichts konzentrieren. meine Freunde wissen von dem Problem. Und immer wieder sagen sie sie sind für mich da. wir helfen dir. Ich bin froh sie zu haben, aber ich bin es gewohnt nicht auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. ich bekomme auch immer wieder gesagt: Ich bin so selbstständig wie kein anderer, ich bin eine Kämpferin!
Ich würde gern wieder Leben können. Wieder in Ruhe lesen, sport machen, musik hören, mich ausruhen und nicht immer jeden tag mit den Gedanken wo anderst sein.

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Bianca.

Deine Schilderung läßt leider viele Fragen offen, die mich daran hindern, Dir einen wirklich guten Rat geben zu können.

Allein Dein Satz:

"keine Liebe, keine Fürsorgen,keine Umarmungen, kein essen das auf dem Tisch steht,wenn man von der Schule heimkommt, ... . Es tut einfach nur verdammt weh!"

verrät, dass die Problematik in Deiner Familie wohl nicht nur von Deinem Vater ausgeht!
Es sieht danach aus, als ob auch einiges mehr zwischen Deiner Mutter und Dir steht, als Du hier geschildert hast.
Einiges mehr, als dass ich jetzt leichthin nur schreiben könnte, dass Deine Mutter vielleicht ihre Hauptaufgabe darin sieht, zu ihrem kranken Mann zu stehen.
Dabei ist Deine Mutter wohl nicht nur "Opfer", das sich allein um Deinen Vater sorgt, sondern eben auch Eure Mutter, deren Aufgabe es ist, sich um Euch zu sorgen und zu kümmern (wenn es der Vater schon nicht tut)!
Andererseits kann ich nicht beurteilen, wie sehr Deine Familie darauf angewiesen ist, dass Deine Mutter mit arbeitet.
Wobei, wenn es notwendig ist (es ist nicht ganz leicht, drei Kinder groß zu ziehen!), wäre das z.B. ein Grund, warum "das Essen nicht auf dem Tisch steht, wenn ihr aus der Schule kommt"! Nicht stehen kann!
Ich weiß es einfach nicht, wie weit es Deinen Eltern schwer fällt, z.B. Deiner Schwester das Studium evtl. mit zu finanzieren!
Ich kann nicht sagen, ob Deine Eltern vielleicht vor existentiellen Sorgen die Sorgfalt Euch gegenüber vernachlässigt haben.
Ein wenig wundere ich mich darüber, dass Du es hier allein auf das "Trinkproblem" Deines Vaters reduzierst.
Aus anderen Familien, in denen ein Alkoholiker ist, kenne ich es, dass da die Kinder enger zusammen halten und die Mutter in aller Regel versucht, ihre Kinder vor dem Vater zu schützen.
Du schilderst, dass jeder von Euch Kindern sich eher auf sich selber zurückzieht!
Und bei Deinem Bruder als auch bei Deiner Schwester, dass die beiden mit der Situation eher nicht klar kommen.
Wenn Dein Vater dann der Alkoholiker ist, als den Du ihn beschreibst, dann muß ich Dir sagen, dass ein Anzeichen dafür, dass eine Suchtgefahr besteht, gerade darin zu erkennen ist, dass soziale Kontakte zuerst vernachlässigt und dann ganz abgebrochen werden.
Und das verwirrt mich auch ein wenig, weil Du ja andererseits schreibst, dass Deine Mutter euch bittet, doch am "Familienleben" im gemeinsamen Wohnzimmer teilzunehmen.
Ein Alkoholiker hätte viel lieber seine Ruhe, weil ihm sein Alkohol "Gesellschaft" genug bietet!
Es gibt Menschen, die mit dem Begriff "Alkoholiker" bereits umgehen, wenn jemand nach einer Flasche Bier den Geruch danach mit sich herumträgt. Was nicht unbedingt angenehm für die Umgebung ist.

Schade finde ich, dass Du zwar vieles über Deine Geschwister und deren Situation zu berichten weißt, aber ihnen wohl nicht so nahe stehst, als dass ihr euch gegenseitig eine Stütze sein könntet.

Schade finde ich es, dass Du die Rolle, die Deine Mutter in der Gesamtgeschichte spielt, nur am Rande erwähnenswert findest.

Gut ist es sicherlich, dass Du Dich Deinen Freunden gegenüber öffnest und an Deinen Sorgen teilhaben läßt!

Mein Rat?

Reduziere Dein Gesamturteil nicht auf einen Begriff "Alkoholiker", sondern versuche möglichst selbstkritisch eure Familie einmal als Ganzes zu betrachten.
Überlege einmal, was Dich und Deine Geschwister davon abgehalten hat, mehr füreinander dazusein. Warum es dazu gekommen ist, dass die beiden sich einigeln. Warum ihr nicht miteinander habt sprechen können.

Und ganz wichtig: pflege Deine Freundschaften und ziehe Dich nicht auch noch zurück!
Versuche den Frust, den Dir Dein zuhause bereitet durch aktive Pflege Deiner Hobbies und Deiner Freundschaften ein wenig auszugleichen!

Und, wenn es keinerlei Gemeinsamkeiten mit Deiner Familie gibt: Du hast jedes Recht darauf, an Dein eigenes Glück zu denken und in Deine Zukunft zu schauen!

Die Vergangenheit wirst Du nicht mehr ändern können!

Also schau nur noch zurück, um daraus zu lernen und Deine Schlüsse für Deine eigene Lebensplanung zu ziehen!

Und ansonsten: schau nach vorne und mache das Beste aus Deiner Zukunft!

Alles Liebe,

Bernd