Problem von Anonym - 16 Jahre

Schwul und niemandem zum reden

ich bin jetzt (seid kurzem) 16 Jahre alt. Es fing ungefähr mit 14 an, dass ich nach und nach herausfand, dass ich schwul bin. Mit 15 (etwa vor einem halben Jahr) wahr ich mir auch schon sicher und konnte es für mich selber akzeptieren. Ich wahr schon immer sehr schüchtern, introvertiert und zurückgezogen. Aber eben noch nicht im "ernsten" Bereich, es gehörte halt einfach zu meiner Persönlichkeit. Seid einer ganzen Weile wurde es immer schlimmer. Ich wurde schlechter in der Schule, zog mich immer mehr zurück und heute bin ich fast den ganzen Tag zu Hause, sitze am PC oder mache sonst was alleine (Klavier). Mit der Schule ist es zum Glück wieder besser geworden, ich habe versucht persönliche Probleme von der Schule zu trennen, was mir auch gelungen ist und meine Noten sind wieder so gut wie früher. Das Problem ist, dass ich mit Niemandem offen über meine Probleme reden kann... Nichtmal mit meinen Eltern, da ich mich bisher vor niemandem ge-outet habe. Ich habe darüber nachgedacht es zu erst meinem besten Freund zu sagen, den ich seid dem Kindergarten kenne. Er hat mal beiläufig erwähnt dass er nix gegen Schwule hat. (Vielleicht auch meinen Schwestern...) Aber ich habe eine Todesangst vor der Reaktion meiner Familie und wenn ich meine Probleme weiter für mich behalte fressen sie mich noch auf... Manchmal sitze ich alleine im dunkeln in meinem Zimmer und weine einfach, während ich über alles nachdenke...
Ich denke ich habe jetzt einiges Geschrieben, vielleicht habe ich mir auch selbst ein wenig geholfen indem ich mir mal alles von der Seele geschrieben habe...
Das Hauptproblem ist einfach, dass ich mich mehr und mehr von Mitmenschen zurückziehe und mich nicht traue mit jemanden zu reden.

Stefan Anwort von Stefan

Lieber Ratsuchende,
ich freue mich, dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast. Ich kann verstehen das die deine derzeitige Situation sehr belastet.

Es ist schon zu lesen, dass du gelernt hast mit deiner sexuellen Orientierung umzugehen. Für Außenstehende klingt es oft so, als würde nichts dahinter stehen, doch das ist nicht der Fall. Es gehört viel dazu, mit sich selbst klar zu kommen, gerade dann, wenn man sich unschlüssig über die Reaktionen des Umfeldes ist. Nicht selten kommen Betroffene in einen derart großen Konflikt, dass sie sich selbst verachten beziehungsweise nicht akzeptieren können. Also: Du hast schon einen gewaltigen Schritt hinter dich gebracht! Respekt!

Das du dich zurück gezogen hast finde ich verständlich. Du musstest erst lernen mit dir selbst umzugehen. Leider kann man dabei nicht mit dem Verständnis von anderen rechnen, wie auch, wenn niemand etwas davon weiß, was in dir vorgeht. In solchen Zeiten kommt einem das Leben oft ungerecht hart vor. Wie du vielleicht siehst: auch hier hast du wieder einen großen Schritt getan! Es ist also nicht so, dass du dich nicht weiterentwickelst.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es für dich schwer ist mit niemandem über dich und das was in dir vorgeht reden zu können. Umso mehr freue ich mich, dass du den Mut hattest, dich an uns zu wenden!

Ich möchte dir hier gern mal unsere zukünftige Soforthilfe zum Thema „Coming Out“ reinkopieren, da das für dich ein sehr aktuelles Thema ist. Die Sofothilfe ist leider noch nicht als solche online auf unserer Seite abrufbar, aber das wird sich sicherlich bald ändern!

_________
Coming Out – Zu sich selbst stehen
Was ist das?
Als Coming Out oder Outing (engl.: aus sich herauskommen) bezeichnet man die Handlung, bei der Schwule/Lesben/Bisexuelle vor anderen Leuten zu ihrer sexuellen Orientierung stehen.

Zwischen dem Erkennen und Akzeptieren der eigenen Gefühle und Vorlieben und dem Dazustehen kann es ein langer Weg sein. Oft kommt es darauf an, wie viel Selbstbewusstsein man hat und in welchem Umfeld man lebt.

Gerade in der Jugendzeit outen sich die meisten Betroffenen. Es kommt jedoch durchaus nicht selten vor, dass auch verheiratete Männer und Frauen merken, dass sie eigentlich mehr Interesse am eigenen Geschlecht haben.

Das Coming Out steht oft in Verbindung mit einem Umbruch im Umfeld. Dennoch ist es wichtig, zu dem zu stehen, was man selbst fühlt. Danach fühlen sich die meisten Betroffenen einfach freier und ungezwungener. Wie fast alles bringt ein Coming Out nicht nur Gutes mit sich: man wird mit Anfeindungen und Beleidigungen leben müssen und lernen, damit umzugehen.

Was bringt mir ein Coming Out?
Zu den Vorteilen eines Outings gehört zweifellos, dass man endlich offen und ehrlich über seine Gefühle sprechen und zu seiner Neigung stehen kann. Keine Verheimlichungen und Ausreden mehr, nur damit man so leben kann, wie man es möchte! Natürlich erhöht sich durch die Möglichkeit, endlich „richtig“ zu leben, die Chance, Gleichgesinnte zu treffen und eventuell einen Partner/ eine Partnerin zu finden, enorm.

Womit muss ich rechnen, wenn ich mich oute?
Vor deinem Outing sollte dir eins klar sein: nicht jeder wird es gutheißen. Wie schon erwähnt, musst du gerade bei Jugendlichen mit Anfeindungen und Vorurteilen sowie Beschimpfungen rechnen. Auch die Reaktion der Leute, denen du dich anvertraust, könnte nicht so sein, wie du es dir wünschst. Vielleicht wenden sich manche Personen auch von dir ab. Aber bedenke: Wie viel wert sind dir Freunde/Bekannte/Personen, die dich nur mögen, wenn du so bist, wie sie es verlangen und du dich die ganze Zeit verstellen musst? Du lebst für dich und nicht für Andere!

Wie oute ich mich am besten?
Dir sollte klar sein, dass es keine „Zaubermethode“ gibt, bei der alles so läuft, wie du es dir wünschst. Am Anfang solltest du dich jedoch nur ausgewählten engen Freunden und der Familie anvertrauen. Am besten wäre es natürlich, wenn du mit jeder Person einzeln sprechen kannst.

Überlege dir genau, welchen Freunden du dich anvertrauen möchtest. Tratschtanten kannst du in einem solchen Moment überhaupt nicht gebrauchen. Daher gilt: vertraue dich in der „ersten Phase“ lieber wenigen an, aber dafür Leuten, denen du 100% vertrauen kannst. Wenn du beschließt, deinen Freunden zuerst von deiner Orientierung zu berichten, solltest du ebenfalls bedenken, dass deine Familie es nicht von Anderen erfahren sollte!

Wenn du dich Freunden anvertraust, kannst du versuchen, ihnen die Scheu und den Schock zu nehmen, indem du ihnen genau sagst, warum, wieso, weshalb (sofern du es kannst) und du bei negativen Reaktionen nicht gleich wütend oder traurig das Weite suchst.

Fange niemals einen Streit deswegen an, versuche stets sachlich und ruhig zu bleiben. Alles andere kann zu einem Schuss in den Ofen werden.

Wenn du dir bei der möglichen Reaktion von bestimmten Personen unsicher bist, kannst du das Thema schwul/lesbisch/bisexuell ja mal unverbindlich ansprechen und erzählen, dass du jemanden kennst, der so ist. Lass dich aber, wenn möglich, auch nicht von „schlechten“ Reaktionen verunsichern. So was sollte dir nur zeigen, dass etwas mehr Fingerspitzengefühl notwendig ist.

Vermeide es bitte, sofort von einem Geliebtem/einer Geliebten zu sprechen. Das kann deine Gesprächspartner unter Umständen schocken.

Gehe bei jedem Gespräch am besten vom Schlechtesten aus. So vermeidest du eventuelle Enttäuschungen. Denke dir aber eins: du kannst nur gewinnen! An Charakterstärke und Selbstbewusstsein. Zu sich selbst zu stehen, ist viel mehr wert als blöde Sprüche zu reißen und Mutproben zu bestehen – so viel Mut wie du bringen nur die wenigsten auf!

Versuche deinen Gesprächspartnern Zeit zu lassen, damit klar zu kommen und sich damit auseinander zu setzen. Einige werden sich vorher noch nie mit dem Thema intensiv beschäftigt haben und brauchen unter Umständen Zeit, sich zu informieren.

Falls du dich Freunden des gleichen Geschlechts anvertraust, ist es ratsam, ihm/ihr zu sagen dass du nichts von ihr/ihm möchtest, um so mögliche Berührungsängste zu nehmen.
Es ist außerdem ratsam, sich nach Möglichkeit mit anderen Homo-/Bisexuellen auszutauschen. Sie haben in der Regel schon alle das durch, was dir noch bevor steht und können dir daher sicher auch Ratschläge geben.

Der vielleicht wichtigste Tipp: warte den richtigen Moment ab! Da du die Personen kennst, denen du dich anvertraust, wirst du erkennen können, wann dieser Moment gekommen ist!

Nützliches/Interessantes:
http://www.lambda-bb.de
http://libs.w4w.net/index.php/veranstaltungen/coming-out
http://forum.boypoint.de/
http://www.nasowas.org/

___________
Das war die zukünftige Soforthilfe!
Auch wenn es darin schon enthalten ist, möchte ich dir noch einmal ganz persönlich nahe legen, dich mit Anderen Betroffenen auszutauschen. Empfehlen kann ich dir da unter anderem http://forum.boypoint.de/ .

Ich hoffe dir mit meiner Antwort etwas helfen zu können! Sollte das nicht der Fall sein oder du andere Probleme haben, kannst du dich natürlich gern erneut an uns wenden!

Alles Gute,
Stefan F.