Problem von Angelika - 47 Jahre

hilflos was soll ich nur machen

Liebes Team,
ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll...
versuche es einfach mal.
Ich bin Mutter von 3 Kindern ( 25,17,12,) Der älteste Sohn und meine Tochter (12) sind gesund und munter:-) ihnen geht es gut! Mein 17 jähriger Sohn ist vor 5 Jahren Diab. Typ 1 erkrankt!! Das war der schlimmste Tag in meinem und vor allem in seinem Leben!!! Ich mußte ihn damals sofort ins Krankenhaus bringen da seine Blz-Werte über 600 waren!!! Die Kinderärztin informierte sofort das Krankenhaus und dort warteten die Ärtzte schon auf ihn. Es ging alles so schnell und ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr woher ich damals die Kraft hergeholt habe. Vor meinem Sohn war ich relativ stark.. doch als ich nach Hause fahren mußte ( mein Sohn war versorgt und schlief ) bin ich zusammengebrochen! Meine Tochter damals 4 Jahre lief zum Nachbar und dieser rief ein Krankenwagen. Ich wurde ärztlich versorgt und meine Tochter wurde von Ihrem Vater abgeholt. Wir leben seid 10 Jahren getrennt. Haben aber ein sehr gutes Verhältnis und er ist ein toller Vater für unsere Kinder :-) Mein großer Sohn war damals beim Bund. Ich lebe seid 6 Jahren mit meinen beiden jüngeren Kindern mit meinen Lebensgefährten zus. Seid 8 Jahren sind wir ein Paar. Er stand mir immer zur Seite. Auch wenn ich selbst ins Krankenhaus mußte denn ich bin vor einigen Jahren an Krebs erkrankt.. und muß alle 2 Jahre zur Untersuchung ob sich wieder Tumore gebildet haben. Gott sei Dank.. bis jetzt alles gut :-) In den 5 Jahren sind viele schlimme Sachen passiert.. mein Sohn lag sehr oft im Krankenhaus.. wegen schwere Entgleisung seiner Blz-Werte. Nachts durchschlafen war oft nicht möglich.. Angst das er in der Nacht unterzuckert. Ich mußte ihn sehr oft in der Nacht alle 2 Std. messen!! Die letzten Jahre hat er sehr viel zugenommen.. hinzu kommt das seine Werte morgens teilweise so hoch waren das sich wieder Aceton(Übersäuerung) gebildet hat und er nicht zur Schule gehen durfte. Die 9.Klasse mußte er deshalb widerholen. Aber die Probleme blieben.. Blz hoch.. Acetonbildung.. nicht zur Schule.. Ernährungsberatung.. Psychologen.. Diab. beraterin kam zu uns nach Hause.. alles half nichts. Er ist schwer einzustellen.. heißt.. er entwickelt eine Insulinresitenz. Kein Abschluß, keine Perspektive für die Zukunft. Nach reiflicher Überlegung haben wir ihm in ein spezielles Diab.Internat gegeben.. er war damit ei.verstanden. Seit März lebt er jetzt da und ist total unglücklich dort. Er ruft mich ständig an und weint auch oft. Ich liebe ihn über alles und fühle mich als Versagerin!! Als Mutter versagt.. als Frau versagt ( das ist ein anderes Thema dss ich jetzt nicht erzählen kann.. keine Kraft mehr ) Weiß nicht was ich machen soll.. hole ich ihn zurück ???? Ist das der richtige Weg???? Keine Hauptschule nimmt ihn mehr.. zuviele Fehlstunden(388) und dann das Alter .. sein Vater sagt ich soll ihn dort lassen da er dort gut betreut wird. Mein Lebensgefährte sagt das auch.. ich muß ihn los lassen.. er wird schließlich bald 18. Meine Tochter vermisst ihren Bruder auch. Sie ist ein tolles Mädchen geht auf der Realschule.. und ist für ihr Alter unglaublich selbständig! Mußte sie warscheinlich auch.. da sich fast alles nur um ihren Bruder gedreht hat. Mein großer Sohn hat seine eigene kleine Familie mit zwei wirkich süßen Kindern. Aber das sagt wohl jede Oma von Ihren Enkelkindern. Ich selbst bin auch noch berufstätig. Ich stehe jeden Morgen früh auf und beginne meinen Tag.. wie eine Maschine erledige ich meine Pflichten. Der Kummer und die Sorgen fressen mich auf.. Nachts werde ich oft wach weil ich am ganzen Körper zitter.. kann es nicht kontrollieren.. das dauert ein paar Min. und dann ist es wieder weg.. ich möchte so gerne meinem Sohn helfen.. doch ich weiß nicht mehr wie.????.. Wir sind auch umgezogen vor 3 Jahren in der Nähe von meiner Fam. weil die damals sagten.. komm zu uns wir helfen Dir !! Doch was soll ich sagen.. niemand hat geholfen.. mein Sohn ist vor unserer Haustür zusammen gebrochen.. eine Nachbarin hat mir geholfen.. Wir wohnen in der gleichen Straße nur zwei Hauseingänge weiter. Meine Schwester die war nicht einmal in den ganzdien Jahren im Krankenhaus um ihn zu besuchen.. obwohl mein Sohn oft bei ihr und ihrern Söhnen war. Traurig und wütend hat mich das gemacht. Das habe ich ihr auch gesagt .. doch den Weg hätte ich mir sparen können.. (( (das nur mal am Rande erwähnt) mein Sohn ist ein herzensguter Mensch.. das sage ich nicht nur weil ich seine Mutter bin.. fühle mich leer und total hilflos. Habt ihr einen Rat für mich ?????
lg Angelika

Dana Anwort von Dana

Liebe Angelika!

Das, was du hier schreibst, macht mich wirklich betroffen. Vor allem, dass du, nach allem, was du geschafft hast und nach der Verantwortung, die du trägst, der Meinung bist, als Mutter versagt zu haben (auf das Versagen als Frau gehe ich mal nicht ein, dazu hast du nichts geschrieben).

Du bist eine tolle Frau, Angelika. Du hast so viel Kraft aufwenden müssen, so viel Leid erfahren, so viele Dinge besiegen müssen...und du meisterst dein Leben trotzdem! Viele Menschen hätten sicher schon aufgegeben, von daher hast du mehr Stärke in dir als du denkst.

Ich versuche dir mal meine Gedanken zu schildern, ob sie dir eine Hilfe sein können? Ich weiß es nicht, hoffe es aber.

Du hast all die Jahre "funktioniert", wie du schreibst. Du hast dich aufgeopfert, warst immer für deine Familie da, besonders für deinen Sohn. Dich selbst hast du hintenan gestellt und das, obwohl du selbst eine wirklich starke Erkrankung hattest, die den Körper sehr fordert und wo du eigentlich die Zeit für dich alleine gebraucht hättest. Aber die Sorgen waren immer da.

Ich möchte dir noch ein paar Gedankenblitze mitgeben, die mir beim Lesen deines Problems durch den Sinn schossen:

1. Lass deinen Sohn da, wo er ist. Sicher, er ist nicht sehr glücklich da, er wird kontrolliert, er hat sicher viele Einschränkungen hinzunehmen, ABER er lebt und er lebt gut! Zu Hause, in seinem gewohnten Umfeld, habt ihr den Diabetes ja nicht in den Griff bekommen. Zu viele Verlockungen, zu viel Stress...
Er ist dort nicht so glücklich, was ich auch verstehen kann. Da ist ja keine Mutter, die die ganze Zeit um ihn rum ist. Danach sehnt er sich natürlich. Aber ich sehe das wie deine beiden Männer, die eindrücklich sagen: "Nur dort wird ihm wirklich geholfen werden können, es ist gut, dass er dort ist."

2. du bist mit Sicherheit keine Rabenmutter! Du hast SO vieles getan! Nur weil dein Sohn dort nicht glücklich ist und deine kleine Tochter recht schnell selbständig werden musste, heißt das nicht, dass du eine schlechte Mutter bist und warst. Im Gegenteil. Deine Kinder können froh sein, dass sie dich haben! Du sorgst sehr gut für deine Familie.

3. Deine Verwandten...nimm es ihnen nicht übel, dass sie sich in sicherer Entfernung aufhalten. Großes Leid überfordert schnell andere Menschen. Sie sind hilflos, weil sie nicht wissen, wie sie helfen können und dann ist oft der einzige Weg aus der Misere der Rückzug. Es gibt nur wenige Menschen, die das aushalten und die dazu stehen und das beibehalten können. Daher Respekt für deinen Mann und deinen Lebenspartner. Du musst eine besondere Frau sein, dass sie beide gerne in deinem Leben sein wollen und dich beide so unterstützen.

4. Deine kleine Tochter. Du sagst selbst, sie musste früh selbständig werden, da es immer und immer wieder um deinen Sohn ging. Ich würde ihr dafür mal danken, mit ihr einfach mal über alles reden und ihr vielleicht einfach mal ein Geschenk machen (vielleicht etwas, das sie sich schon länger wünscht?). Sie hat sehr früh Eigenverantwortung übernehmen müssen und hat dies auch gemacht. Du hast eine tolle Familie.

5. DU SELBST bist nun mal an der Reihe!
Auch wenn ich das als Punkt 5 der Liste gesetzt habe, ist dies der eigentlich wichtigste Punkt hier. Als letztes gesetzt, damit er dir lange in Erinnerung bleibt.

Du bist ausgelaugt. Deine Batterie ist schon im roten Bereich. Das ist kein Wunder, wenn du neben den ganzen Problemen und Krankheiten auch noch arbeiten gehst. Natürlich ist die Arbeit sicher wichtig, ich weiß ja nicht, wie es euch finanziell geht, aber ansonsten solltest du dir pro Woche mehrere Stunden für dich alleine nehmen.

Du brauchst etwas zum Aufatmen, zum zur Ruhe kommen.

Ich würde dir dafür folgendes empfehlen:

Versuche, einmal die Woche etwas zu tun, was dir richtig Spaß macht. Ob das Sport ist, ob das ein Nähkurs oder Kochkurs ist, ob das Treffen mit einer Freundin ist, egal. Einmal die Woche etwas, das NUR dir gehört.

Dazu solltest du auf jeden Fall eine Therapie in Anspruch nehmen. Auch wenn du sicher jetzt sagst: "Neee, brauche ich nicht, ich bin doch nicht plemplem!!", das hat damit nichts zu tun. Du brauchst Stärkung in deinem Alltag und die Therapeuten haben da sehr gute Möglichkeiten, dir einfach Übungen mitzugeben, die du machen kannst und mit dir das Erlebte aufzuarbeiten. Du brauchst dafür keine Medikamente, es geht einfach nur darum, dass du mal über das Ganze redest und Hilfe bekommst, wie du nun damit umzugehen hast. Im Prinzip das, was ich hier gerade mache, nur eine Spur professioneller und persönlicher.

Diesen Rat meine ich wirklich ernst. Es wird dir helfen. Therapeuten findest du über Google. Einfach "Psychotherapie" und den Namen deiner Heimatstadt oder der größeren Stadt neben deiner Stadt eingeben, Google spuckt dir wirklich alle Adressen und Telefonnummern aus, die eingetragen sind - und das sind eine Menge.

Dazu gibt es noch die Möglichkeit, sich mal bei einem Kurs für autogenes Training anzumelden. Dort lernt man, in kleinen Übungen zu Hause zur Ruhe zu kommen. Sich selbst zu entspannen und den Stress mal loszulassen.

Und das ist es, was du dringend, wirklich dringend brauchst, Angelika. Du bist so angespannt und voll von allem, dass du nichtmal mehr ordentlich schläfst und total abgeschlagen bist. Du brauchst Zeit und Ruhe für DICH. Das ist auch nicht egoistisch, das ist nötig. Kein Mensch kann ewig so weiter machen.

Rede mit deiner Familie darüber, erkläre ihnen, was jetzt Not tut...und dann sorge mal endlich für DICH. Sonst wirst du irgendwann nicht mehr können und da hat keiner was davon.

Ich wünsche dir Tapferkeit und Mut, alles anzugehen und die nötige Konsequenz, auch mal für dich da zu sein.

Viel Erfolg!

Liebe Grüße,

Dana