Problem von Joice - 18 Jahre

Depressionen und Liebeskummer nach über einem Jahr

Liebes Kummerkasten-Team,
ich schreibe euch, weil ich einfach nicht mehr weiter weiß.
Meine Mutter hat eine Freundin, mit der sie zusammen studiert hat. Da die Familie von dieser Freundin recht weit weg wohnt und die beiden ihren Kontakt sehr gepflegt haben, haben wir sie etwa ein mal im Jahr besucht. Der Sohn, wir nennen ihn mal "Steffan", von dieser Freundin ist 3 Jahre älter als ich und ich kenne ihn schon seit dem ich denken kann. Schon als kleine Kinder haben wir zusammen im Zelt auf ihrem Hof übernachtet, haben fange im Wald gespielt und sind einfach mehr oder weniger zusammen groß geworden. 2007 Bin ich dann wie üblich mit meiner Mutter für eine Woche zu der Familie gefahren und Steffan und ich haben uns föllig neu kennen gelernt. Ich war 14 und er 17, wir hatten ähnliche Interessen und lagen einfach auf der selben Wellenlänge. Nachts haben wir bis spät abends Horrorfilme geschaut, bis mich meine Mutter dazu ermahnt hat ins Bett zu gehen. Nach dieser total schönen Woche, fuhren wir wieder nach Hause. Da er in Mecklenburg Vorpommern und ich in Berlin gewohnt haben, konnten wir zunächst nur durch Telefonieren und Mailen kontakt halten, was jedoch zur alltäglichen Gewohnheit wurde. Sein überaus hoher Intellekt sprach mich sehr an, er hatte sehr viel im Kopf (was vermutlich daran lag, dass er in der 12. Klasse war, während ich noch in der sek 1 hockte). In den Oktoberferien sahen wir uns dann wieder, denn ich entschloss mich für ein paar Tage zu ihm zu fahren und buchte mir ein Zug- ticket. Am telefon hatten wir beide immer um den heißen Brei herum geredet, aber es war deutlich, dass wir mehr als Freundschaft für einander empfanden. Am 2. Abend folgte die schönste Liebeserklärung die ich mir jeh hätte vorstellen können. Als es dunkel war, band er mir ein rotes Seidentuch um die Augen und führte mich nach hinten auf ihren hof, wo eine Doppelluftmadratze lag, darauf Rosenbettwäsche und 2 rote Rosen, rings herum befand sich ein gigantisches Herz aus hunderten von Teelichtern. Wir legten uns auf die Madratze und schauten in die Sterne, während er mir ins Ohr flüsterte, dass er mich liebte.
Nun begann die absolut schönste Zeit meines Lebens. Er war mehr oder weniger mein erster Freund (aber nicht de,r mit dem ich das erste mal hatte, vorher hatte ich eine halbjährige Beziehung) und ich war das erste Mädchen was er überhaupt küsste. Wir teilten viele wunderschöne Momente miteinander, auch wenn zu Beginn unsere Eltern sich etwas quer stellten.
Nach einem Jahr Fernbeziehung zog er - für mich - zum Studieren nach Berlin.
Wir sahen uns nun mehr jedes Wochenende, jedoch bekam ich zu dem Zeitpunkt sehr starke psychische Probleme - die mit meiner Kindheit und Familie zusammen hängen. Ich hatte Angst das Haus zu verlassen, brach fast die Schule ab und schloss mich in meinem Zimmer ein.
Mein Freund gab mir immer kraft, stand hinter mir wenn es mir schlecht ging, und er war das einzige was mich davon abhielt aus dem Fenster zu springen (traurig, aber wahr). Dies war aber auch das Problem, welches uns auseinander brachte. Er war die einzige Person, auf die ich mich verlassen konnte, und unter meinen problemen litt unsere Beziehung. In der Schule (Privatschule..) wurde ich sehr stark gemobbt, und Steffan konnte nicht nachvollziehen, wieso ich Angst hatte nach draußen zu gehen. Dies führte dazu, dass ich mein Leben nur noch nach ihm ausrichtete, und alles andere vergaß. Er "zwang" mich dazu in der Schule sehr gut zu werden, und ich verdanke ihm viel, denn er hat aus mir die intellegente junge Frau gemacht, die ich jetzt bin. Allerdings dauerte es nicht lange, bis sich der Alltag in die Beziehung einschlich, und er lieber feiern ging, als auf seine "ängstliche junge FreundiN" aufzupassen. Bei mir erfolgte ein Schulwechsel, ich fand sofort einen Anschluss und knüpfte neue Bekanntschaften. Auch er beschäftigte sich viel mit seinen Studienkollegen, und es kam was kommen musste. Ich fühlte mich mehr und mehr im Stich gelassen, und suchte nach einer Alternative, die mir halt gab. Ich lernte einen anderen Jungen - in meinem Alter - kennen, unternahm viel mit ihm, was Steffan stutzig werden ließ. Zwischen mir und meiner neuen Bekanntschaft entwickelte sich mehr als Freundschaft, er hatte ähnliche Sorgen wie ich und verstand meine Probleme. Unverstanden von meinem Freund, begann ich mich so zu sagen "abzusichern" und hatte eine kleine "Affäre" mit der neuen Bekanntschaft. Wir haben nie miteinander geschlafen - und es ging auch nur über 2 Wochen.
Steffan turtelte zu dem Zeitpunkt mit einem sehr hübschen Mädchen auf der Uni rum, was er mir im Nachhinein reuhevoll erzählte, aber tat das was er immer getan hatte einfach ab, und stellte meine Handlung als hundertfach schlimmer dar. Erst wollte er sich von mir trennen als ich ihm meine Aktion beichtete, doch ich kroch (wortwörtlich...) vor ihm auf dem Boden rum, mein Stolz war nicht mehr vorhanden, und flehte ihn an er Möge mir verzeihen.
Nach einigen Wochen tat er es auch - mehr oder Minder. In den nächsten Wochen behandelte er mich wie Dreck, wehe ich sagte oder guckte auch nur falsch.
Da mir meine neu gefundenen Freunde unendlich viel Halt haben, schaffte ich es irgendwann mich von meinem Freund zu trennen.
Ich konnte einfach nicht mehr, hatte Angst dass ich mir selbst etwas antue oder völlig den Verstand verliere, denn meine EINZIGE Bezugsperson behandelte mich wie das letzte Stück.
Somit trennten wir uns nach 3 langen Jahren.
Es war die Hölle, es verging keinen Tag an dem ich nicht an ihn dachte.
Ich fande keinen in meinem Umfeld, der auch nur annähernd einen ähnlichen Intellekt besaß (Soll schon etwas heißen, wenn man wie Steffan sein Abi mit "sehr gut" abschließt und am Ende Elektrotechnik studiert). Ich bin ein Mensch, ich kann nicht alleine sein. Und so lernte ich nach einigen Monaten einen netten Jungen kennen, namens "Tim".
Tim ging auf meine Schule, eine Stufe über mir, und hatte nicht sonderlich viel in der Birne, aber er zog mich rein optisch sehr an (etwas! fülliger, breite Schultern, dunkle Haare, 1.96m groß) und ich entdeckte, dass hinter diesem kindischen Äußeren ein interessanter, sensibler Kern steckte.
Wir trafen uns häufiger und ich sah, dass er sehr tiefgründig sein konnte, auch wenn dies nicht sehr häufig voram. Jedoch starb sein Vater vor gerade erst 2 Jahren und wir konnten viele Gemeinsamkeiten entdecken. Er brauchte jemanden, wie ich wen brauchte um nicht unter zu gehen, und wir begannen uns gegenseitig halt zu geben. Seit einem dreiviertel jahr sind wir nun zusammen. Vor wenigen Wochen haben wir einander unsere Liebe gestanden (Ich finde dieses Wort ist sehr bedeutsam) und es läuft eigentlich alles sehr gut. Wir ergänzen einander sehr, da wir beide unglaublich sensibel sind verletzen wir einander nicht, und verstehen uns auch ohne Worte. Allerdings habe ich sozusagen die Rollen mit meinem Ex getauscht. Bei Steffan war ich die "kleine Dumme, die noch viel zu lernen hatte und der man viel beibringen konnte", Bei Tim ist es umgekehrt. Ich habe (muss ich leider sagen, sorry) sehr viel Mehr im Kopf, aber ich denke darauf kommt es auch nicht an. Wichtig ist, dass wir uns halt geben, vertrauen können und für einander da sind. Und das sind wir.
Allerdings habe ich trotzdem ich mit Steffan schon über ein Jahr auseinander bin, immernoch depressionen deswegen, träume weiterhin jede Nacht von ihm und kann mir nicht verzeihen, was passiert ist. In jedem Pärchen sehe ich uns Beide, bei jeder Traurigen Musik denke ich an die wunderschönen Zeiten die wir hatten, und kann einfach nicht mit ihm abschließen. Ich bin so verzweifelt und weiß nicht mehr was ich tun soll. Seine Mutter und seine Familie sind über die Jahre auch die meine geworden, und ich vermisse alles, was ich damals hatte und nie wieder bekommen kann. Ich glaube diese Liebe, war eine sehr Große und ich bezweifle dass es so etwas wieder geben wird.
Leider brach Steffan jeglichen Kontakt zu mir ab, ich habe schon versucht ihn wieder mit kleinen Mails dazu zu bringen mit mir zu Sprechen, doch für ihn bin ich aus seinem Leben gestrichen. An seine Persönlichkeit wird nie wieder jemand heran kommen. Denn ich denke gerade diese Probleme schweißen zusammen.
Daher meine Frage, was soll ich tun? Ich bin mit Tim glücklich zusammen, aber er wird Steffan nie das Wasser reichen können. Und ich werde weiterhin in jedem glücklichen, melancholischen oder traurigen Moment nur Steffan vor meinen Augen sehen, weil ich damit nicht abschließen kann.
Seit einigen Wochen werden meine Depressionen wieder schlimmer. Ich Bitte euch wirklich dringend um Hilfe..

Liebe Grüße, Joice

Bettina Anwort von Bettina

Hallo liebe Joice,

ich erkenne mich in deinem Problem wieder.

Ich hatte vor sehr langer Zeit auch eine wunderschöne Beziehung, von der ich glaubte es wäre die perfekte und niemand kann meinem damaligen Freund das Wasser reichen, aber da habe ich mich im Nachhinein wirklich getäuscht.

Ich möchte dir kurz von mir erzählen:

ich war mit Peter damals 6 Jahre zusammen - wir haben eine Fernbeziehung geführt. Ich war damals sehr glücklich mit ihm. Die Rollenverteilung war ähnlich wie bei dir. Er konnte mir in so vielen Dingen helfen, von denen ich glaubte sie nie allein zu schaffen. Alles lief wunderbar bis zum 22. Dezember 2006, an diesem Abend hat er mich betrogen. Hinter alles kam ich leider erst ein halbes Jahr später. Ich war sehr verletzt und reagierte in blinder Wut. Letztendlich trennten wir uns - ich fiel in ein tiefes Loch.

Als ich dann einen neuen Partner kennenlernte, konnte ich meine Verlustgefühle etwas dämpfen und mir ging es kurzfristig besser. Ich fühlte mich wieder glücklich - nur leider war dieser Zustand nicht von Dauer. Die Beziehung lief schlechter und schlechter. Ich wurde weitere 2 mal betrogen und beendete auch diese Beziehung. Peter war immer noch in meinem Kopf. Ähnlich wie bei dir hat auch er damals jeden Kontakt abgebrochen, ich versuchte ihn per Email zu kontaktieren und um eine erneute Chance zu bitten. Leider passierte nichts, aber ich erkannte, dass ich mit dem Verlust allein nicht fertig werden würde und holte mir professionelle Hilfe - ich ging zu einem Therapeuten. Ich kann es dir nur empfehlen, er gibt dir ganz neue Sichtweisen auf das Problem. Heute habe ich erkannt, dass ich auch allein Ziele erreichen kann. Ich habe mich neu lieben und schätzen gelernt.

An Peter habe ich schon seit 2 Jahren nicht mehr gedacht.

Seit ca. einem halben Jahr habe ich den wundervollsten Menschen als Partner, den ich mir vorstellen kann. Wir ergänzen uns perfekt und unterstützen uns gegenseitig. Ich konnte Peter ablegen, deshalb habe ich es geschafft meinem neuen Partner eine wirkliche Chance zu geben, ohne einen Vergleich mit Peter etc. ...

Sprich mit Tim über deine Gedanken. Sag wie du dich fühlst. Es hilft sich anzuvertrauen. Vielleicht würde auch dir eine Therapie helfen, gerade weil du auch von Depressionen sprichst. Es gibt auch Partnertherapien. Denk mal drüber nach. Mir hat das damals jedenfalls sehr geholfen.

Ich wünsche dir und Tim alles gute!!!

Liebe Grüße Bettina