Problem von S. - 14 Jahre

Vergewaltigung?

Hallo Kummerkasten,
als ich 7 Jahre alt war bin ich mit meiner Freundin nachts nach Hause gelaufen. Wir wurden von einem alten Mann hinter einen Busch gezogen woraufhin er sich gleich auszog und uns gezwungen hatte es ihm zu machen. Wir haben uns gewehrt und irgendwie befreien können. Zu Hause erzählten wir alles unsere Eltern die sofort die Polizei riefen und wir eine Aussage machten. Heute bin ich 14 und habe die letzten 7 Jahre keine psychischen Probleme gehabt oder sowas. Nur seit dem habe ich Angst vor alten Menschen. Die letzten 2 Monate habe ich mir immer Videos auf Youtube von Vergewaltigungen angeguckt und da ist es mir wieder eingefallen! Ich habe mich versucht wieder daran zu erinnern und ich komm nie weiter als das er sich vor uns auszog. Ich weis nicht wie ich weg kam ich weis nur noch ich war kurz vor meinem Haus und hatte Schmerzen. Schlimme Schmerzen! Den Teil habe ich damals der Polizei nicht erzählt gehabt da ich mich dafür schähmte (?).
Aber was ich nicht verstehe, wieso mir das erst nach 7 Jahren auffiel! Ich habe meine Freundin darauf angesprochen ob sie sich noch daran erinnern kann und habe ihr alles erzählt obwohl ich ihr damal in der 2. Klasse geschworen habe das wir es verdrängen werden. Meine Freundin antwortete darauf nur, das ich mich nicht so dumm anstellen soll und es vergessen soll und sie nicht drauf ansprechen soll! Danach war sie sehr sauer auf mich und ich weis nicht was ich tun soll! Meine Mama meinte damals, dass sie immer hinter mir steht egal was ich mache und das dies mich wahrscheinlich mein Leben lang verfolgen wird und wollte mich zum Psychologen bringen, nur da war ich nie! Ich habe es unterdrückt NIE dran gedacht! NIEMANDEN was davon erzählt! Nur langsam kommen Erinnerungen zurück die mich verwirren und deshalb bitte ich dich um Hilfe! Ich habe Alpträume und weis echt nicht weiter. Wie soll ich denn jetzt reagieren soll ich es weiter Jahre einfach unterdrücken so wie ich es jetzt die letzten 7 Jahre getan habe ? Professionelle Hilfe will ich nicht weil ich weis das es nicht viel helfen wird. Liebe Grüße und bitte um schnelle Rückmeldung Sofia <3

Dana Anwort von Dana

Liebe Sofia!

Das, was du beschreibst, klingt stark danach, dass es wirklich nötig wäre, einen Psychologen aufzusuchen. Du wunderst dich, dass du sieben Jahre lang nicht wirklich drüber nachgedacht hast und auch bei jetzigem stärkeren Nachdenken nicht weißt, was in besagter Nacht wirklich alles geschehen ist.

Ich bin kein Arzt und darf keine Diagnosen stellen, aber aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass in dir scheinbar ein Trauma sitzt. Jemand wird traumatisiert, wenn etwas sehr Schlimmes geschieht, das der Kopf und das Herz gar nicht richtig verarbeiten können. Der Geist "schließt" die Sache einfach ein. Man merkt zwar, dass es einem irgendwie nicht gut geht (siehe deine Angst vor alten Menschen) und dass man Angstzustände hat, aber man weiß nicht mehr genau, was eigentlich war.

Das Problem: der Geist weiß es. Tief im Inneren weiß er es und das brodelt vor sich hin.

Du hast das große Glück, dass deine Mutter hinter dir steht und du anscheinend langsam "wach wirst". Du bist auch ein ganzes Stück weiter als deine Freundin, die noch in der absoluten "Rühr mich nicht an!"-Haltung ist. Ich kann dir nur dringend raten, dich für eine Trauma-Therapie anmelden zu lassen. Da wird in mehreren Richtungen mit dir gearbeitet.

1. Stärkung im Alltag. Du lernst, wie du damit umgehen kannst, wenn Bilder kommen, wenn dich etwas aus der Vergangenheit konfrontiert. Du lernst, dass du einen tollen Wert hast und ein toller Mensch bist (viele vergessen das nämlich leider, weil sie denken, sie hätten so eine furchtbare Tat irgendwie verdient).

2. langsames Eingehen auf das, was geschehen ist. Das passiert erst, wenn erste Gespräche gelaufen sind und du da auch nachgucken möchtest. Und dann werden die Seele und der Geist repariert. Ich weiß nicht, wer dir gesagt hat, dass so eine Hilfe nichts bringt, aber das ist absolut falsch. Man wird stabilisiert und lernt, mit allem umzugehen.

Wie Verdrängung funktioniert, würde ich dir gerne an einem Bild erklären:
Stell dir vor, du hast eine Wunde am Arm. Die tut sehr weh und sieht furchtbar aus, du willst nicht, dass jemand sie sieht, also deckst du einen Verband drüber und machst den Ärmel runter. Das ist erstmal super, denn die Wunde ist unsichtbar geworden und keiner sieht sie, weil ja auch der Ärmel drüber ist. Doch die Wunde ist nicht behandelt worden und bekommt nun weder medizinische Unterstützung, noch bekommt sie Luft, weil ja mehrere Schichten Stoff drüber sind. Und was passiert? Sie fängt an, sich zu entzünden und zu eitern. Die Schmerzen werden stärker und irgendwann muss der Verband ab und die Schäden sind viel größer als wenn man gleich was gemacht hätte.

Genauso ist es mit der geistigen Verdrängung. Dein Geist und deine Seele haben die Tat damals einfach zugedeckt. So schützen sie dich theoretisch vor Schaden. Das Problem ist, dass das einfach nicht wasserdicht ist und man irgendwann merkt, dass da irgendwas nicht stimmt. Auf dem Punkt bist du gerade. Du versuchst, dich selbst zu konfrontieren, indem du Vergewaltigungsvideos schaust, dein Geist versucht es zu verarbeiten, aber so ohne Hilfe ist das schlicht unmöglich. Irgendwann wird der Geist anfangen "zu eitern" und es kann sein, dass es dir dann noch schlechter geht. Ich habe vor ein paar Jahren eine Frau begleitet, die mehrfach missbraucht worden war. Sie hatte 20 Jahre geschwiegen, hatte dazwischen einen Suizidversuch und danach stumpfte sie so ab, dass sie ihren Alltag irgendwie bewältigte und sich abends dann zuschüttete mit Alkohol. Sie hatte Angst vor jeglichen Männern, versuchte, so wenig weiblich wie möglich zu wirken und schnitt sich. Sie war also schon in dem Stadium des "Eiterns"...und ich habe damals den Verband gelockert. Sie war danach (obwohl sie sich vorher strikt geweigert hatte) sowohl in der Therapie als auch in einer Klinik und das hat ihr unheimlich gut geholfen.

Du bekommst eine auf dich genau zugeschnittene Behandlung, die Fachleute wissen, was sie tun müssen, um Geist und Seele zu heilen, bzw erstmal zu versorgen. Ich kann dir nur raten zu vertrauen. Ich weiß, das ist schwierig, aber es funktioniert, ich weiß es aus eigener Erfahrung mit dieser Frau.

Ich wünsche dir den Mut, dir diese Hilfe zu holen. Du hast schon damit angefangen (was echt gut ist!), indem du uns hier geschrieben hast. Das bedeutet, du weißt, dass du Hilfe brauchst. Geh den Weg weiter, damit es dir bald wieder gut gehen kann. Ich weiß, dass du das hinbekommst, du scheinst ein starkes Mädel zu sein, das Vertrauenspersonen im Rücken hat und mutig anfängt, Dinge zu hinterfragen.

Viel Erfolg, Sofia!

Liebe Grüße,

Dana