Problem von anonym - 15 Jahre

Ich kann einfach nicht mehr.

Hallo liebes Kummerkasten-Team :)

Ich möchte schon gleich zu Beginn sagen, dass ich es toll finde, was ihr hier für andere Menschen tut.

Ich hatte schon öfters darüber nachgedacht, euch mein Problem zu schildern, war aber jedes Mal der Meinung, dass es auch irgendwie anders geht und ich das auch so auf die Reihe bekomme. Nun ja. Das habe ich nicht geschafft, und nun lande ich hier. Man könnte sagen, das dass hier meine "letzte Hoffnung" ist, wieder irgendwie weiter zu kommen.
Wenn ich euch alle meine Probleme schreiben würde, säße ich morgen noch am PC. Ich versuche nicht zu sehr abzuschweifen.

Ihr müsst wissen, ich bin eine Person die unheimlich viel ernst nimmt. Ich mache mir immer und über alles Gedanken, habe unheimlich oft ein Schlechtes Gewissen und mir ist oft ziemlich viel peinlich.
Wenn ich in die Schule gehe, habe ich das Gefühl dass mich jeder anstarrt. Ich hasse dieses Gefühl. Ich finde mich selbst überhaupt nicht hübsch. Ich bin nicht gerade die dünnste, und sehe überhaupt weder wie ein Mädchen, noch wie ein Junge aus. Einfach hässlich. Und wenn ich dann noch in der Schule angestarrt werde, würde ich am liebsten im Boden versinken. Ich hasse die Menschen, die immer die neusten Klamotten tragen müssen. Ich hasse sie einfach. Ich hasse Menschen die Andere nach dem Aussehen bewerten, die, die meinen sie wären die tollsten, weil sie Markenklamotten anziehen.
Bei mir ist das einfach so, dass ich anziehe, was in meinem Schrank gerade herumliegt. Wenn ich ehrlich bin wünsche ich mir sogar manchmal, dass alle diese Menschen irgendwo eingesperrt, oder irgendwie getötet werden. Ich weiß..das ist krass.
Ich habe einfach das Gefühl das ich hinter meinem Rücken gemobbt werde. Nicht nur da. Es gibt genug Idioten die meinen sie könnten mich fertig machen.

Ich habe vor ein paar Tagen etwas von einem "Burnout-Syndrom" gelesen. Ich habe festgestellt das so gut wie alle der Symthome auf mich zutreffen. Ich bin total unter Stress, weil ich im letzten Schuljahr bin, mit Abschlussprüfungen und allem. Ich setze mich teilweise selbst unter Druck, weil ich nicht versagen möchte. Ich hasse mich selbst, sehe keine Hoffnung mehr darin, dass sich irgendwann mal ein Junge in mich verliebt, und auch keine Hoffnung mehr, dass sich generell bei mir etwas wieder zum Guten wendet. Ich habe zu Hause nur stress mit meinen Eltern. Ich hasse sie. Ich will so schnell wie möglich ausziehen, wenn ich mein eigenes Geld verdiene.
Nun ja...ich fühle mich einfach ausgelaugt...mein Kopf fühlt sich ununterbrochen so an, als wäre er eine Bombe, die gleich explodiert. Der Kopf ist gefüllt mit Aggressionen, Trauer, tiefstem Hass und Hoffnungslosigkeit.
Seit Wochen frage ich mich schon, was überhaupt der Sinn des Lebens ist. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass da keiner ist. Das einzige was mich noch am Leben hält (..ja, ich habe Selbstmordgedanken), ist eine "Freundin", die ich im Internet kennen gelernt habe. Sie ist 24. Da ist also schon ein gewisser Altersunterschied dazwischen. Aber das spielt für mich keine Rolle. Sie ist von der Art her genauso "verrückt" und lustig wie ich. Man könnte sagen, dass sie das wichtigste in meinem Leben ist. Außer ihr habe ich keinen dem ich Vertrauen kann. In der Schule habe ich eine Freundin. Sarah. Nur ihr vertraue ich auch nicht ganz, da ich immer mehr Enttäuschungen erlebe. Ich habe das Gefühl dass ich alleine auf dieser Welt bin. Weil mich irgendwie keiner Versteht. Auch meine "Chatfreundin" nicht. Natürlich rede ich mit ihr einige Male über meine Probleme. Aber ich komme mir dabei immer total dumm vor, weil ich sie so gut wie jedes mal zujammere. Sie sagt zwar selbst, dass es für sie vollkommen ok ist, aber das ändert nichts an meiner Einstellung dazu.

Nun...und dann wäre da noch diese gottverdammte ungerechtigkeit auf dieser Welt. Die Politiker sprechen andauernd von fairness und sowas, dabei ist genau das Gegenteil der Fall.
Woher nehmen die sich das Recht Gesetze aufzustellen? Woher nehmen die sich das Recht uns zu bestimmen? Woher nimmt die Polizei sich das Recht Menschen zu verhaften? Warum gibt man nicht jedem eine Waffe? Warum werden wir gezwungen in die Schule zu gehen, wenn man doch im Endeffekt eh abkratzt? Das ist doch alles vollkommen unnötig. Das Leben ist unnötig. Wir Menschen verunstalten, ja, töten eigentlich eine Welt, die uns überhaupt nicht gehört. Wir setzen uns selbst auf den höchsten Rang, dabei bin ich der Meinung, dass die Tiere genau auf dem selben sind. Ich weiß einfach nicht woher sich die Menschen das Recht nehmen, sich höher als diese zu stellen.

Ich fühle mich selbst total kaputt. Ich weiß dass nicht mehr alles ok ist mit mir. Ich selbst würde ja zu einem Psychologen gehen, hätte ich nicht gehört, dass die einen in die geschlossene Anstalt einweisen können, ohne das man sich irgendwie widersetzen kann. Außerdem will ich nicht meine Eltern darum bitten müssen, mich zu einem Psychologen zu schicken. Die halten mich dann wahrscheinlich für total bekloppt und zeigen mir den Vogel.
Ich weiß einfach nicht mehr was ich tun kann. Mich zerreißt das alles irgendwie innerlich, und ich merke richtig, wie es mir von Tag zu Tag schlimmer geht...

Ich hoffe ich mache euch nicht irgendwelche Umstände. Ich weiß das ihr sehr viel zu tun habt. Vielleicht hätte ich diesen Text garnicht schreiben sollen.
Naja. Trotzdem danke, dass ihr euch mit meinem Problem beschäftigt. Ich habe das vielleicht garnicht verdient.

Liebe Grüße.

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte,

ui, da kommen viele verschiedene Problemfacetten zusammen.
Ich fasse mal für mich zusammen, was ich aus deinem Schreiben heraus lese.

1. "Ich komme mit mir nicht klar".
2. "Ich komme mit meinem Umfeld nicht so klar".
3. "Ich habe Angst und Unzufriedenheitsgefühle (Sinn des Lebens fehlt), habe schon an Selbstmord gedacht".
4. "Die Welt ist ungerecht".
5. "Ich fühle mich zerrissen und bin irgendwie fertig".
6. "Ich suche Hilfe, weiß aber nicht genau wie und habe Angst, die "falsche Hilfe" zu suchen".

So...dann wollen wir das mal zusammen angehen.

Das Erste, was mir auffällt, ist eine gewisse Wartestellung, ein Verharren in Ängsten, Hoffnungslosigkeit und Frust. Mir fehlt hier die Initiative zum Loslaufen. Allerdings hast du mit deinem Brief an uns wenigstens schon mal die Zehen bewegt und dich mit dem Gedanken an einen Psychologen aus der Erstarrung etwas gelöst.

Um loslaufen zu können, müssen gewisse "Ketten" ab, die dich momentan halten.

Kette 1: du kannst dich selbst nicht leiden.
Woran sehe ich das? Du schaust sehr stark, wie dein Umfeld auf dich reagiert, du fühlst dich angestarrt, nimmst alles, was gesagt wird, sehr ernst, denkst, jeder denkt irgendwie schlecht über dich und so weiter. Jemand, der in sich ruht oder zumindest zu sich selbst ein angenehmes Verhältnis hat, denkt so nicht. Du fühlst dich also in dir drin selbst nicht wirklich gut.

Da stellt sich die Frage, wie das zu ändern sein könnte. Ich hätte da ein paar Ideen.
Du schreibst, du fühlst dich hässlich und unbeachtet. Das ist ehrlich und das finde ich gut, denn so kann ich da ansetzen. Du musst für dich nun überlegen, wie du das ändern könntest. Da sitzen und drüber jammern, wird dich keinesfalls weiter bringen. Keiner zwingt dich in Markenklamotten, keiner braucht Markenklamotten. Aber es gibt auch tolle Wege, mit kleinem Geldbeutel schöne Sachen zu finden, die einem gut stehen und die toll aussehen. Dazu bzw davor könnte man einfach mal eine Typberatung machen. Du glaubst gar nicht, was so ein Frisör oder eine Kosmetikerin aus einem rausholt! Meist weiß man gar nicht, welche Farben und Formen einem stehen oder welche Frisur. Und meist weiß man gar nicht, wie viel besser man sich fühlt, wenn man plötzlich Dinge trägt, die einem stehen oder besser aussieht. Es hilft dem Selbstwertgefühl immens und das gilt es ja wieder aufzubauen.

Die Kette 2 hängt mit der Kette 1 stark zusammen: du kannst mit deinem Umfeld nicht so richtig, bzw "hasst" Dinge an den Menschen, die den Lebensweg mit dir teilen (zumindest momentan).

Hass oder Neid auf andere brauchst du nicht. Das braucht keiner. Das macht hässlich. Lass die mit ihren Markenklamotten doch angeben. Wenn sie nichts anderes haben als das, dann können sie einem echt leid tun. Doch wenn du nichts anderes hast als Hass auf andere und Selbstzweifel, dann trägst du das ebenso dick vor dir her, jeder kann es aus dir lesen. Finde heraus, was dir gut tut und was du gut kannst. Wo liegen deine Stärken? Die optischen Stärken kann jeder geschulte Mensch heraus arbeiten (Frisör, Kosmetikerin, Stilberatung), das kostet auch nicht sooo viel. Wünsch dir sowas doch mal zum Geburtstag! Ich kenne mehrere Mädels, die das in deinem Alter machen durften...und da kamen plötzlich glänzende Sternchen bei raus. Einfach die optischen Stärken betonen, vielleicht dich auch etwas weiblicher kleiden...und schon fühlst du dich ganz anders.

Die inneren Stärken musst du selbst ausarbeiten, da kann dir keiner so wirklich helfen. Versteife dich nicht auf das, was du nicht kannst oder was deiner Meinung nach fehlt, sondern schau, was da ist, was existiert. Meist ist das mehr als man denkt. Und nur du bist wichtig - die anderen sind es nicht. Jeder Mensch hat seine Stärken und seine Probleme. Neide anderen nicht Geld oder Besitz...das ist mehr als unwichtig. Ich habe in meinem ganzen Leben noch NIE eine Markenklamotte getragen...und ich habe trotzdem Freunde und fühle mich wohl.

Du wirst merken, dass dir solche Gedanken auch nichts mehr anhaben können, wenn du selbst mehr zu dir stehen kannst. Es ist völlig wurscht, was andere denken oder sagen. DU musst vor dir bestehen. Vor niemandem sonst. Und Menschen, die das wissen, strahlen gleich etwas völlig anderes aus. Du bist du - du hast gute Seiten und natürlich schlechte. Die schlechten werden nicht untergekramt sondern beobachtet, aber die guten Seiten ebenso. Denn die Erkenntnis, dass du durchaus eine junge Dame bist, die einiges kann, hilft enorm beim Selbstwertgefühl.

3. Kette: Ängste, die zum Teil unbegründet sind, bzw Gedanken, die dich fesseln, aber eigentlich nur aus dir heraus kommen, nicht von außen.

Du hast die Symptome vom Burnout gelesen und denkst, du könntest es haben? Du denkst, dass niemals ein Junge sich in dich verlieben könnte? Schau, diesen Stress setzt du dir selbst. Deine Gedanken kreisen dauernd um Hass und um Wut, um die Panik, übergestresst zu sein, um Ängste über Krankheiten, von denen du gelesen hast etcpp. Das Wort "Hass" kommt bei dir unglaublich oft vor. Du hasst alles und jeden...wo wir dann wieder beim Selbsthass wären, aber das haben wir ja oben schon durch.

Du selbst setzt dich in diese Angstzustände, du selbst lässt zu, dass ein Gefühl wie "Hass", was ein wirklich heftiges Gefühl ist und vor allem ein so furchtbar destruktives, in dir drin so viel Unordnung anrichtet. Da ist nichts Positives in deinen Gedanken. Es wäre nun also wichtig, auch positive Gefühle neben diese negativen zu setzen, so dass auch mal etwas Gutes in deinem Kopf rumspukt. Deine Eltern werden wahrscheinlich etwas hilflos sein, weil sie merken, dass rund um dich einfach eine Mauer ist. Dazu kommt ihre "Funktion" als Erzieher, so dass sie sicher immer mal wieder mit "wie kannst du!" oder "du sollst nicht..." oder sowas ankommen. Trotzdem sollte das kein Grund für Hassgefühle sein. Deine Eltern sind Menschen wie du auch. Oft sind die Rollen so fest geprägt, dass man da kaum rauskommt, aber ich rate dir mal zu einem offenen Gespräch mit deinen Eltern. Rege da ruhig auch mal die Typberatung und die psychologische Hilfe an. Du hast da nämlich durchaus einen GUTEN Gedanken gehabt, endlich mal das Chaos in dir drin etwas anzugehen - es ist ein erster kleiner Zweig, der zum Ast werden kann, der dir aus dem Sumpf hilft. Deine Eltern werden dich nicht verspotten, sie werden dir helfen wollen. Sie werden wahrscheinlich sogar total erleichtert sein, dir helfen zu dürfen, weil sie endlich einen Weg sehen, mit dir klar zu kommen.

Geh deine Ängste an, überwinde sie langsam aber sicher, trau dich, da mal einen Schritt nach vorne zu wagen. Hab Vertrauen, auch wenn es für dich schwierig zu sein scheint. Gut gesetztes Vertrauen an der richtigen Stelle ist etwas Gutes und Produktives.

4. Kette: Du machst alles für alles verantwortlich, nur dich selbst nicht.
Du sprichst von Ungerechtigkeiten, stellst verschiedene Fragen...aber man sieht daraus, dass du dich wohl noch nicht so ganz mit den Weltzusammenhängen beschäftigt hast.

Es ist leicht, anderen Menschen Dinge vorzuwerfen, so aus seinem Zimmer daheim. Recht und Gesetze sind für die Gesellschaft wichtig, um gewisse Dinge so weit wie möglich zurück zu halten. Genauso das Amt der Polizei, die die ausführende Gewalt ist. Hätte jeder eine Waffe, um sich selbst zu verteidigen, würde die Anzahl des Missbrauchs von Waffen enorm steigen. Und so weiter. Jede deiner Fragen für dich sinnfüllend zu beantworten, würde den Rahmen hier sprengen.

Aber zu einem Punkt möchte ich gerne noch etwas schreiben:
Ein Leben kann unnötig sein. Durchaus. Aber das liegt an demjenigen, der es lebt. Man kann sein Leben so sinnfrei wie möglich gestalten und dann irgendwann zusammen brechen in der Erkenntnis, dass man absolut unnötig gelebt hat und das gesamte Leben total sinnlos war. Wow, juhu, super Sache. Und so total unnötig.

Natürlich sterben wir irgendwann. Wie es nach dem Tod aussieht, ist mir persönlich total wurscht. Aber wenn ich mein Leben lang da sitze und hadere, dass der Tod ja eh irgendwann kommt und dass die Welt nicht gerecht ist...ja, dann lebe ich tatsächlich nicht wirklich. Wenn ich mir aber sage: "Mein Leben soll mit Sinn gefüllt werden und dafür will ICH PERSÖNLICH sorgen!", dann sind da viele Möglichkeiten offen.

Beispiel: Wenn du es schlimm findest, dass Menschen Tiere unterjochen, geh aktiv in den Tierschutz, werde Vegetarier und unterstütze die Tiere, wo du kannst. Arbeite zB am Wochenende im Tierheim mit. Da lernst du neue Menschen kennen, du kannst etwas Gutes tun und abends sagen: jeah, heute hab ich richtig was Gutes gemacht! Man kann nicht einfach da sitzen und warten, dass sich die Welt ändert. Das muss jeder selbst anfangen. Und zwar nicht im Großen, dazu sind wir alle gar nicht gemacht, sondern im Kleinen! Wenn es plötzlich zB in deiner Familie mehr Frieden gibt, wäre das ein riesiger Schritt! Denn wie sollen Kriege aufhören, wenn schon eine Familie es nicht schafft, miteinander harmonisch zu leben? Versuche, dir das KLEINE Glück zu angeln, warte nicht auf das große. Das stellt sich entweder von selbst irgendwann ein oder es ist dann die Summe aus den ganzen kleinen. Fang an, dich selbst zu definieren, lauf los. Werde aktiv! Man findet den Sinn des Lebens meist nicht beim Philosophieren im eigenen Zimmer.

Die Idee mit dem Psychologen finde ich wirklich eine gute, denn so ein Therapeut oder eine Therapeutin könnte dir als Fachmann sehr dienlich sein. Du könntest lernen, dich wieder selbst zu mögen, du könntest lernen, wie du im Alltag besser zurande kommst, wie du wieder stark wirst und dein Gesicht auch mal wieder lacht. Die Horrorstories von Ärzten, die dann gleich die "weißen Männer" mit Zwangsjacke rufen, sind nicht sehr realitätsnah. Wenn du nicht mit einem Messer zu ihnen gehst, es dir an die Kehle hältst und "ich mach Schluss!!" sagst, gibt es keinen Grund, dich einzuweisen. Aber reden tut unglaublich gut und ein Psychologe ist ein sehr guter Helfer, ein Wegweiser und keine drohende Gefahr.

Ich kann dir nur meine Gedanken zu alldem schreiben, was du geschrieben hast. Aber ich halte es für wichtig, dass du irgendwann weißt, wo dein Weg ist und wo du stehst im Leben. Ich hoffe, da ein wenig Licht reingebracht zu haben und wünsche dir herzlich, dass du die Ketten sprengst und loslegst.

Dir alles Liebe,

Dana