Problem von Leon - 19 Jahre

Angeborene Melancholie mit dem Freund Chaos

Hi liebes Kummerkasten-Team
Vorweg finde ich die Ratschläge die ihr hier gebt richtig toll, deswegen habe ich mich entschieden mich etwas zu öffnen, weil es mir nicht gut geht und ich schon immer Probleme mit Persönlichkeitsstörungen und Menschen hatte. Mir macht es auch nichts aus, wenn mir keiner helfen kann. Damit habe ich mich schon vor langer Zeit abgefunden.
Ich werde dieses Jahr 20 Jahre alt und glaube, dass ich noch keinen Schritt vorwärts gekommen bin.
Ich bin wahnsinnig negativ eingestellt mir gegenüber und auf Fehler die ich mache und bestimmt machen werde. Ich weiß nicht einmal, was ich für ein Mensch bin, vielleicht auch gar keiner.
Ich weiß nicht mehr, wie ich glücklich werden kann, weil ich es vielleicht gar nicht mehr will. Und für jeden ist es klar, dass er eigentlich an sich selbst arbeiten muss um überhaupt einen ersten Schritt zur Besserung zu wagen.
Seit ich ein Kind bin lebt unsere Familie in einer verdreckten Wohnung, man könnte schon fast Messis sagen. Mein Vater ist in seinem Job ein guter Angestellter und sehr gefragt in seinem Betrieb, in dem ich auch eine abgeschlossene Ausbildung hinter mir habe, ich dort aber kaputt gegangen bin, weil ich mich mit diesem Beruf nicht abfinden konnte. Ich war schon eigentlich immer sehr sozial eingestellt, freue mich, wenn es anderen gut geht, aber auch manchmal die Menschen durch Undankbarkeit und Selbstsüchtigkeit hasse und verabscheue und weil es einfach scheint zusammenzukommen und einfühlsam zu sein. Man könnte sagen ich habe ein abartiges Helfersyndrom, was sich jetzt total widersprüchlich anhört. Auf jeden Fall gibt mein Vater unserer Mutter die Schuld und uns Kindern, was ich auch verständlich finde, dass wir noch nie jemanden zu uns einladen haben können und bis jetzt noch nicht werden. Er ist Alkoholiker, lag schon im Krankenhaus, wegen einer schweren Lungenentzündung, wäre fast gestorben, hat sich aufgerappelt, ist wieder gesund geworden und ist jetzt wieder genauso wie vor dem Krankenhausaufenthalt, weil sich bei uns nichts gebessert hat. Meine Mutter muss Antidepressiva mittlerweile einnehmen, weil sie auch nicht weiß, wo sie in unserer Wohnung und mit sich selbst anfangen soll. Jeder behält „alles“ für sich, redet mit keinem darüber und zieht eine Maske auf, wenn derjenige aus dem Haus geht. Zusammen "Essen" gab es bei uns noch nie. Jeder aß immer in seinem Zimmer
Familientherapie haben wir auch schon versucht, was aber überhaupt nichts gebracht hat.
Ich habe auch noch nie gesehen, dass meine Eltern sich wirklich liebten. Es ist wie als ob sie geschieden sind, aber zusammenleben. Soweit ich zurückdenke, habe ich mir das Meiste selbst beigebracht, habe meine Persönlichkeit aus Puzzel-Stücken von Personen zusammengefügt, die mich bis heute inspirieren, vor allem gewisse Musiker. Ich mache auch selber Musik, spiele Gitarre singe und schreibe Texte, zeichne sehr gerne und interessiere mich für Kunst.
Ich habe einen besten Freund den ich seit dem Kindergarten kenne, aber jetzt fast garnichtmehr sehe, da er anfängt seinen eigenen Weg zu gehen, so wie es normalerweise sein sollte.
Ihm habe ich alles anvertrauen können und kann es immer noch.
Ich hasse Leute die etwas gegen Homosexuelle, Frauen, Kinder oder Menschen mit anderer Hautfarbe haben. Manchmal fühle ich mich wie ein Homosexueller, der aber gar nicht schwul ist, sondern eine Zuneigung zu Frauen hegt, der gleichzeitig aber großen Respekt vor ihnen hat. Jetzt hab ich das Wort gefunden, ich denke man kann es „übersensibel“ nennen.
Ich bin seit 4 Jahren Vegetarier und seit 3 Jahren habe ich massive Essstörungen entwickelt, den Grund dafür weiß ich bis heute noch nicht ganz. Mir wird nur jeder erzählen, dass es widerwertig, schwach und völlig unnötig ist, was ich auch völlig nachvollziehen kann. Ich fühle mich aber besser, wenn ich dünn und zerbrechlich aussehe.
Ich habe früher Sport getrieben und wurde plötzlich von der Masse etwas anerkannt, nur weil ich ein schlanker Mensch nun war. Genau an diesem Punkt bin ich denke ich krank geworden und hab etwas gefunden, dass für Männer wie eine Freundin ist. Doch meine überaus komische Art war trotzdem noch da. Ich war früher auch etwas dicker und wurde aufgrund meines Gewichts und meiner größeren Brust, die mittlerweile fast verschwunden ist gehänselt. Ich hasse mich dafür immer noch und werde mich immer hassen. So viele Menschen haben es schlimmer als ich und ich bin so ein Idiot, der sich gut fühlt, wenn er kaputt ist, anders und eigenartig aussieht.
Ich kämpfe mit all meiner Kraft dagegen an. Manchmal klappt es etwas zu essen, manchmal einfach gar nicht richtig.
Als ich klein war, dachte ich wirklich, dass ich ein Außerirdischer wäre und adoptiert worden bin.
Zurzeit mache ich die mittlere Reife nach, gehe jeden Tag in die Schule und frage mich wirklich, wie ich mich gegenüber anderen Menschen verhalten soll. Jeden Tag frage ich mich, was ich für eine Person heute sein soll, so wie ein Schauspieler, der sich anpassen kann, aber nicht er selbst ist. Ich weiß mittlerweile denke ich nicht mal mehr, wer ich bin… Ich möchte sie weder durch irgendwelche Worte verletzen, noch meine eigene Meinung sagen. Deswegen bin ich still, gebe keinen Ton von mir und behalte alles für mich, weil ich große Angst auf die Reaktionen der anderen habe und sie aber trotzdem angrinse, so tue, als wäre alles in Ordnung und hoffe, dass es ihnen gut geht. Wenn ich still bin, bin ich sicher, denn Stille verrät mich nicht. Manchmal freue ich mich über das Wohl der anderen, manchmal hasse ich es,dass sie glücklich sind. Oft beneide ich sie, weil ich wünschte, ich wäre wie die anderen. Leicht zu amüsieren.
Ich denke ich bin dumm und total unbelesen.
Ich muss übertrieben eitel sein, da ich Dinge nur war nehme, wenn ich alleine bin.
Ich nehme ungern die Hilfe anderer an, möchte alles selber machen, arbeite am liebsten alleine, außer mit meiner alten Band, die mir wirklich Kraft gegeben hat, da ich alles ausdrücken und rausschreien konnte was ich hasse und liebe, ohne Sorgen zu haben, dass andere eine bestimmte Person in mir sehen und mich danach beurteilten.
Oft wollte ich mich einfach nur umbringen, bin als Kind in einen Fluss in Minusgraden gesprungen und wäre fast erfroren.
Es tut mir weh, meinen Eltern nicht helfen zu können, weil ich unfähig bin, obwohl ich nicht gern Zuhause bin. Ich schlafe im Wohnzimmer auf der Couch seit 5 Jahren und fühle mich einfach sehr unwohl. Mein Vater ist bis heute von mir enttäuscht, da ich sein eigenes Kind bin und er mich nur wollte, damit er „etwas hinterlässt“ und ich so werde wie er. Er hat mir auch in vielen Dingen geholfen, er ist sehr intelligent. Aber ich wollte NIE so werden wir er. Ich fühle mich manchmal schlecht, dass ich seinen Erwartungen nicht entspreche, genauso meiner Mutter, die ich liebe und die mir beisteht. Ich habe einen Halbbruder, den ich über alles bewundere und liebe, weil er es schafft auch trotz des Chaos zu leben und das Beste draus zu machen.
In eine Klinik will ich nicht gehen, weil ich nicht den Willen habe und mir vor allem die Zeit fehlt.
Außerdem wäre eine andere Einstellung, für mich wie eine Manipulation.
Ich habe Minderwertigkeitskomplexe und wenig Erfolgserlebnisse. Außer bei wenigen meiner Lieder hat mir noch nie jemand wirklich Applaus für meine Taten, die für mich relevant sind gegeben, was mich aber weniger stört.
Ich hatte schon immer den Traum, ein großer Musiker zu werden, ein Künstler der in seinen Gemälden seine Seele zum Ausdruck bringt und dadurch von anderen hofft, verstanden zu werden.
Ich glaube, dass ich deswegen noch am Leben bin.
Es gibt noch so viel, was ich noch schreiben könnte, aber ich wollte einfach einen Teil meiner Seele einmal ausschütten, auf der Hoffnung, dass es mir etwas besser geht. Es tut mir leid, ich entschuldige mich so oft, weil es anderen wirklich schlecht geht, wie die Menschen die gar kein Zuhause haben und hungern müssen und nicht wollen um mit sich selbst zufrieden sein zu können. Zurzeit habe ich das Gefühl, dass mein Kopf platzt. Ich kann mich so schwer in der Schule konzentrieren, weil ich so viele unnötige Dinge in meinem Kopf habe. Eigentlich bin ich kein schlechter Schüler, aber meine Noten werden immer schlechter und alle halten mich für egoistisch und dumm, habe ich das Gefühl.
Es tut weh, jemandem zu helfen, dem man nicht helfen kann.
Ich bin ein Schwächling, der aber nichts dagegen hat.
Es ist vielleicht alles etwas verwirrt formuliert.
Ich danke Euch fürs Lesen!

Sabine Anwort von Sabine

Lieber Leon

Du hast sehr viel geschrieben und ich werde jetzt mal versuchen Schritt für Schritt auf das einzugehen, was Du so von Dir gegeben hast.
Schon der ersten Aussage, dass Du 20 wirst und noch keinen Schritt weitergekommen seist, seh ich anders. Ich glaube Du denkst in zu grossen Dimensionen. Bei all dem, was du bisher erlebt hast, wirst Du TROTZ allem 20. Das allein stellt schon eine Leistung dar. Ich kann nachvollziehen, dass Du Dir selbst gegenüber extrem kritisch bist. Bei anderen mögen 60% ok sein, aber für Dich müssen es wohl eher 110% sein. MINDESTENS... Du scheinst perfektionistisch veranlagt zu sein, aber dazu kann ich Dir gerne einen Rat geben, der mir auch selbst weitergeholfen hat. Die Perfektion ist nicht zu erreichen, weil man immer wieder noch etwas oben drauf setzen kann. Ausserdem würde das erreichen der Perfektion das Ende bedeuten, weil es dann nichts mehr zu tun gäbe. Wenn man immer nur nach den Sternen greift, dann sind die Erfolgserlebnisse ziemlich gering, weil es nun mal selten ist, dass man einen Stern in Händen hält. Man sollte nie die ganz grossen Ziele, Träume und Hoffnungen aus den Augen lassen, aber Du solltest Dir auch Kleinere stecken, die leicht erreichbar sind, um eben besagte Erfolgserlebnisse zu haben, die dazu wichtig sind wieder Energie und Schwung für neue Projekte zu haben. Ohne Kraft keine Leistung! Die Frage "Wer bin ich, wo komme ich her und wohin gehe ich" ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Selbsterkenntnis ist gar nicht so einfach und vor allem nichts, das man sich mal so aus dem Ärmel schüttelt. Das viele Menschen sich dafür interessieren und auf die Reise zu sich selbst gegangen sind, kannst Du daran erkennen, wie sehr doch der New-Age-Hype um sich greift. Die zutreffendste Aussage ist wohl, dass das Leben der Weg der Selbsterkenntnis ist. Meist ist es sogar so, dass Dich Freunde oder Bekannte eher einschätzen können, als Du Dich selbst. Sie können Dich einfach aus einem neutraleren Blickwinkel sehen. Der Gedanke nichts zu können oder dumm zu sein, entsteht oft dadurch, dass man sich eben nicht selbst wahrnimmt. Jeder hat sozusagen besondere Fähigkeiten. Egal ob es nun gut zuhören können, ein Organisationstalent oder ein Musiker ist. Man nimmt es nicht wahr, weil es für einem selbst "normal" ist. Man tut es immer und es fällt einem nicht schwer. Tja, Fakt ist, dass Du Dir z.B. leicht tust Musik zu machen. Für andere kann es wiederum extrem schwer sein. Nur weil Du Deine Gaben als normal ansiehst, sind es trotz allem Fähigkeiten, die Du nun mal hast und diese machen Dich auch besonders.
Dein Helfersydrom, wie Du es nennst, hat noch einigermaßen gesunde Züge. Klar, helfen kann Glücksgefühle erzeugen. Man freut sich sozusagen über die Freude anderer und fühlt sich dabei gut. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange Du Dich nicht selbst dafür ständig aufopferst. Meist ist es so, dass Helfende gerne ausgenutzt werden und einfach nichts zurückkommt. Die Helfer haben sich meist sogar damit abgefunden, dass sowie nichts zurückkommen wird. Die Tatsache, dass Dir hin und wieder die Undankbarkeit und die Selbstsucht anderer bitte aufstößt ist somit absolut normal und auch gerechtfertigt. Auch DU hast das Recht geholfen zu bekommen, wenn Du anderen hilfst. Dass es Dir schwer fällt Hilfe anzunehmen, weil Du lieber alles alleine in den Griff bekommen möchtest steht dem jedoch im Weg. Vielleicht haben die Gedanken, dass Du dumm bist und nichts kannst dazu geführt, dass Du dir selbst und anderen beweisen willst, dass Du durchaus in der Lage bist alles allein zu schaffen. Ich behaupte nicht, dass Du es allein nicht schaffen würdest. Hilfe anzunehmen macht es leichter. Warum solltest Du es Dir schwerer machen als es sein muß? Etwas allein zu schaffen stärkt das Ego insofern, dass man dann stolz auf sich selber sein kann. Hilfe anzunehmen wiederum bezeugt, dass man Mut hat und zollt anderen Respekt, wenn man sie helfen lässt, wenn sie z.B. in einer Sache besser oder schneller sind als Du selbst.
Du interessierst Dich für Musik und Kunst UND bist sogar aktiv dabei. Menschen die künstlerisch begabt sind, haben meist eine sehr sensible Ader. Die ist auch wichtig um gefühlvoll arbeiten zu können. Natürlich kann Sensibilität auch von Nachteil sein, spätens dann, wenn zu sehr mit anderen mitfühlt. In diesem Fall solltest Du lernen Dich abzugrenzen. Nicht einfach alles was um Dich herum ist zulassen, sonst verlierst Du irgendwann den Überblick ob Du z.B. traurig bist oder ob es jemand in Deinem Umfeld ist und Du es nur als eigenes Gefühl wahrnimmst.
Nun zu dem Thema des Gewichtes. Es ist leider ziemlich normal, dass man in der Schule wegen Übergewicht gehänselt wird. Ja, Kinder können grausam sein. Die meisten kommen damit nicht klar und ziehen sich dann zurück. Die einen essen dann noch mehr aus Frust, die anderen wählen den Weg des Fastens, woraus durchaus Essstörungen entstehen können. Vielleicht glaubst Du, dass wenn Du dünn und zerbrechlich wirkst, von anderen in Ruhe gelassen wirst, was wohl auch meist der Fall sein wird. Ich sehe es einfach als eine Art Schutzmauer an, die Du wahrscheinlich brauchst um das Gefühl von Sicherheit zu haben. Hättest Du mehr selbstvertrauen, bräuchtest Du diese Mauer wohl nicht mehr.
Das Gefühl hier falsch zu sein, bzw. Dich als Ausserirdischen zu sehen, mag vielleicht daher kommen, dass Du keinen Ort hast an dem Du Dich wirklich wohl und zuhause fühlst. Du scheinst auch in Deiner Familie nie wirklich wahr genommen worden zu sein, das kann dazu führen, dass Du Dich selbst nicht spüren oder kennen lernst. Wie Du so schön sagst, schützt Dich diese Schauspielerei davor, dass andere Dir zu nahe kommen. Du bist Dir unsicher, wie sie reagieren würden. Da Du meist ja negativ eingestellt bist, macht es Dir vielleicht angst, dass sie Dich ablehnen, mißverstehen oder Dich als "krank" erachten. Dazu kann ich nur sagen, dass es mit Sicherheit solche Leute geben wird, aber es kann eben auch sein, dass einer dabei ist, der Dich versteht und mit dem Du Dich gut verstehen würdest. Die Chance verletzt zu werden ist durchaus höher als die, dass Du einen Freund findest. Aber Tatsache ist nun mal, dass wenn Du nie jemanden an Dich ranläßt, diejenigen die gut für Dich wären auch nicht an Dich dran können. Darum ist es immer einen Versuch wert.
Ich habe nicht das Gefühl, dass Du dumm oder schwach bist. Dieser Text hier ist sehr gut formuliert und es braucht auch Mut so auch sich herauszugehen. Auch das kann nicht jeder. Dass Deinen Noten zur Zeit leiden, liegt meiner Meinung nach daran, dass Du keine Perspektive siehst, für die es sich lohnen würde zu arbeiten. Versuch doch einfach einen guten Abschluss zu machen und dann vielleicht in den Berufen der Kunst fußzufassen.
Als Abschluss möchte ich noch deine letzten beiden Sätze kommentieren.
Ja, es ist schwer jemandem zu helfen, dem man nicht helfen kann. Aber allein schon die Tatsache, dass man jemandem das Gefühl gibt nicht allein zu sein und ihm die Hoffnung gibt, dass man das Problem lösen kann, ist oft in der Lage Berge zu versetzen.
Wer erkennt, dass er Schwach ist und in der Lage ist es zuzugeben der zeigt seinen wahre Stärke.
Ich hoffe Du kannst mit meinem Statement etwas anfangen. Ich wünsch Dir auf jeden Fall alles gute!

Liebe Grüße
Sabine