Problem von Anonym - 16 Jahre

aufmerksamkeit ?!

hallo, ich schreibe euch nun noch einmal, weil ich beim letzten mal keine antwort erhalten habe und niemanden anderen wüsste mit dem ich reden könnte. danke das ihr so vielen jugendlichen bei ihren problemen helft.

ich denke ich bin depressiv. meine eltern haben sich ostern dieses jahr vollkommen plötzlich getrennt weil mein vater schon seit längerem eine neue hat. ich kann es ihm nicht verzeihen, dass seine kinder ihm so wenig bedeuten. er bemüht sich nun zwar um kontakt aber ich verabscheue ihn. mein kopf sagt mir es ist mein vater, du liebst ihn aber es geht nicht. dafür hasse ich mich. wenn er mir schreibt wie sehr er mich vermisst hasse ich mich nur noch mehr. meine beiden geschwisten sind etwas auffälliger als ich . mein bruder ist seit der trennung nurnoch agressiv meiner mutter und mir gegenüber und meine kleine schwester hat ADS. es war schon immer so, dass sich alle welt um die beiden gedreht hat und ich immer das brave mädchen war, gut in der schule, viele freunde...! meine einzig wahre freundin ist nach sydney gezogen und dem rest kann ich nciht wirklich vertrauen.
ich hasse mich dafür das ich nach mehr aufmerksamkeit strebe. ich würde so gerne aufhören zu essen, aber nicht mal das halte ich durch. ich hasse mich! ich versuche so oft mich zu übergeben nach dem essen, aber auch das schaffe ich nciht. langsam steigt mein selbsthass immer mehr an und seit einiger zeit schneide ich mir mit einer nadel meine arme auf. ich hab es einer freundin erzählt und sie fand das nicht sehr spektakulär. was soll ich denn noch machen ? ich verzweifle. ich kann noch nciht mal mit meiner mutter dadrüber reden weil sie dann direkt wieder anfängt zu heulen und zu schreien das ihr alles zu viel ist. dann kriegt das meine kleine schwester mit und sie soll nciht wegen ihrer bescheuerten schwester leiden! ich hasse mich so sehr. meinen körper, mein charakter, meine schwäche ! vielleicht sollte ich es beenden!

Julia Anwort von Julia

Liebe Ratsuchende,

das Wort, welches mir ganz besonders darum aufgefallen ist weil du es so oft erwaehnt hast, ist Hass. Hass auf deinen Vater, Hass auf das was er hinterlassen hat, Hass auf dein eigenes Verhalten. Bei soviel Hass ist wohl kaum noch Platz fuer positive Gefuehle, dass ist sehr schade.
Ich glaube nicht, dass es nur der Wunsch um Aufmerksamkeit ist um den es sich hier dreht, sondern vorallem Dingen um Verarbeitung. Es scheint sehr auf dich zugekommen zu sein die letzten Monate, nicht jede Veraenderung ist leicht hinzunehmen, vorallem nicht dann, wenn sie schmerzt.

Es klingt vielleicht leicht daher geredet, aber du solltest versuchen nicht zu streng zu dir zu sein. Die derzeitige Situation in deiner Familie ist mit Sicherheit sehr anstrengend, aber es liegt nicht an dir deinen Bruder zu beruhigen, mit der Krankheit deiner Schwester umzugehen und gleichzeitig deine Mutter zu schonen. Und du traegst auch nicht Schuld daran, dass etwas nicht so laeuft wie es besten Falls tun sollte.

Du scheinst fuer all das auch einen Suendenbock gefunden zu haben, denn seit dein Vater deine Familie verlassen hat scheint es drunter und drueber zu gehen. Oft hat man als Kind aber einen ganz anderen Blickwinkel auf die Situation in der Familie und vorallem in der Beziehung der Eltern. Es ist dein gutes Recht den Kontakt zu deinem Vater zu meiden, aber ich kann mir gut vorstellen, dass dich das auf Dauer auch nicht besser fuehlen laesst. Soetwas belastet oft sogar nochmehr. Vielleicht schaffst du es dir einen Ruck zu geben und deinen Vater mal um ein aufklaerendes Gespraech zu bitten. Ihm kannst du dann auch sagen, was eigentlich los ist seitdem er fort ist und wenn er seine Rolle als Vater ernst nimmt, wird er versuchen wollen, etwas daran zu aendern. Oder sich zumindest mit deiner Mutter austauschen und versuchen einen guten Kontakt zu euch Kindern wieder herzustellen. Und weil er sich noch bei dir meldet, koennte ich mir vorstellen, dass er auch weiterhin Interesse an seinen Kindern hat. Sich und einem anderen Menschen eine weitere Chance zu geben ist meistens viel befriedigender, als sich weiterhin in Hass zu waelzen.

Ich wuerde dir vorschlagen, in einem ruhigen Moment alleine mit deiner Mutter ueber deine Gefuehle zu sprechen. Du bist 16 Jahre alt, lass nicht zu dass negative Gefuehle deinen Alltag benetzen. Die Jugend ist etwas, was man nicht wiederbekommt. Deine Freundin ist weggezogen, ich hoffe ihr steht im weiteren Kontakt zueinander. Das bindet auch fuer die Zukunft und mit ihr kannst du sicherlich auch deinen Schmerz teilen. Trotzdem solltest du nicht vergessen, dass du im Hier und Jetzt lebst und du ein Recht auch auf andere Kontakte hast. Pflege jetzige Freundschaften, geh mal wieder mit einer Freundin ins Kino, macht einen Maedelsabend, tu das auf was du Lust hast. Hast du vielleicht auch Interesse an ein Hobby? Ein Schwimmkurs, eine Ballsportart im Verein? Dort lernst du auch andere Maedels kennen und macht Spass. Vielleicht magst du auch mal mit deiner kleinen Schwester etwas machen, zusammen kochen zB Eis essen gehen.

Versuche auch Licht ins Dunkel zu bringen, die Aufmerksamkeit (die uebrigens im gewissen Masse jeder sucht) kommt dann in einer ganz anderen Form zu dir. Freundschaften festigen sich und du wirst Teil von ihnen. Scheue dich nicht davor dich deiner Mutter anzuvertrauen, ich bin mir ganz sicher, sie kann damit sicherlich viel besser umgehen, als wenn du beginnst dich selbst zu verletzen oder andererweitig dir etwas antun moechtest.
Hab Mut, schau nach vorn und du wirst sehen, diese kleine Bemuehung wird sich lohnen. Man hat immer mal Phasen im Leben die einem runter ziehen, du wirst stolz auf dich sein, wenn du diese gemeistert hast.

Ich wuensche dir alles Gute
Julia