Problem von anonym - 18 Jahre

sprachgestört

hallo kummerkastenteam
ich bin 18 Jahre alt und leide sehr an meiner Sprache
schon in der Grundschule hatte ich Schwierigkeiten im Fach deutsch und englisch.
ich war früher 2 Jahre auf einer sprachheilschule und hatte auch viele Logopäden.
ich bin wahrscheinlich auch legasteniker oder war es früher, aber mein hauptsächliches Problem ist, dass ich mich nicht traue zu reden. Ich bin eine deutsche und mir ist das sehr peinlich, wie ich rede. wenn ich rede vertausche ich die satzteile oder drücke mich schlecht aus und mein gegenüber hat Schwierigkeiten mich zu verstehen. Dies schlägt auch sehr stark auf mein Selbstwertgefühl, ich habe Angst rot zu werden, wenn ich rede. ich rede sehr wenig zu Hause, aber auch in der Schule. ich habe auch Angst wenn mich jemand anspricht. Ich bin mittlerweile in der 11 klasse, im Fach englisch und deutsch habe ich jeweils eine 4. auch in den anderen Fächer traue ich mich nicht lange zu reden , weil ich befürchte rot zu werden.
Einerseits ist es auch sehr traurig, dass ich schlecht in sprachen bin, weil dies wird mein abiturdurchschnitt und meine Chancen im Beruf und im studium sehr beeinträchtigen. ich höre auch von anderen, dass ich viel lesen soll , aber bei mir hat es keine Fortschritte gemacht. Obwohl ich versucht, habe jede Woche ein spannendes Buch zu ein bestimmtes Thema zu lesen, hatte es nicht geholfen.
irgendwie ist es ungerecht, dass ich anfang meiner Geburt beeinträchtigt bin, meine ganzen Berufswünsche und Träume kann ich in die Mülltonne werfen.
ich bin verzweifelt und weiß nicht mehr, was ich machen soll.
bitte helft mir

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Ich habe deinen Text mehrfach gelesen und musste erst überlegen, wie ich die Antwort angehe. Das passiert nicht oft, aber hier ist es ja wirklich ein vertracktes Problem, für das du dazu noch nichtmal was kannst und das vor allem bleiben wird.

Das einzige, was also eine Antwort vermag, ist, dir etwas Hilfestellung zu geben, wie du damit umgehen kannst.

Zuerstmal: also...wenn du Legasthenikerin bist, dann sind es 60 Prozent der Schreiber hier auch. Du machst doch kaum Fehler! Finde ich toll. Insgesamt glaube ich, dass diese Sprachstörung das "Ding" in deinem Leben ist, auf das du komplett fokussiert bist. Verständlich, es beschäftigt dich ja auch, seit du sprechen kannst und behindert dich öfter im Umgang mit deinem Umfeld.

ABER: diese Sprachstörung ist nur einer von abervielen Punkten, die dich als Menschen ausmachen. Es scheint, als definiertest du dich über diesen "Makel", als sei nichts anderes wichtig. Und davon gilt es runterzukommen. Natürlich leidet ein Selbstwertgefühl, wenn man ständig konfrontiert wird und sich aber auch selbst konfrontiert mit etwas, das man nicht kann. Ich zB bin nicht die Schlankeste. Wenn ich nun immer vergleichen würde und immer an mir rummäkeln würde, würde ich ja niemals mehr fröhlich sein können. Und ich bin es so gern!

Es ist unglaublich wichtig, dass man seinen gesamten Wert kennt. Nicht nur Stücke davon. Bestimmt bist du in vielen Dingen gut, du bist talentiert, du bist klug - sonst würdest du sicher nicht demnächst dein Abi machen. Und: du hast das alles TROTZ deiner Sprachstörung geschafft! Viele hätten da vorher schon gekniffen. Du nicht. Du hast weiter gemacht. Und das zeigt, dass in dir drin eine große Stärke sitzt. Ist das nicht wundervoll? Du bist ein starkes Mädel, das für seine Ziele eintritt.

Ja, du hast Angst. Menschen können ignorant sein und viele haben einfach nicht gelernt, sozial miteinander umzugehen. Das sollte aber nicht dein Problem sein. Vergib Menschen ihre Unzulänglichkeiten, so wie du hoffst, deine toleriert zu bekommen. Denk daran, was du gut kannst, was deine Stärken sind. Was tut dir gut? Was magst du gern? Was kannst du toll? Es gibt sicher viele Dinge, die nur vergraben liegen, weil die Sprachstörung so präsent ist.

Zudem ist es sicher sinnvoll, mehr Ruhe in dein Sprechen zu bringen. Durch die Angst, etwas falsch zu machen, hast du schon im Voraus eine Negativerwartung, die sich dann natürlich prompt erfüllt. Die Psyche des Menschen ist unglaublich stark, die kann einen total einwickeln, wenn man es zulässt. Wenn du also denkst: "Ok, das wird jetzt nix", dann wird es auch nix. Sieh die kleinen Erfolge. Wenn du mal ein, zwei Sätze richtig gesagt hast, sei stolz drauf! Und ärgere dich nicht über das, was vielleicht verdreht raus kam. Lass dir ZEIT beim Sprechen, denke nach, hole Luft, rede langsam und bedächtig - das sind alles Dinge, die helfen. Ich kenne jemanden, der das Stotterproblem hat. Er hat gelernt, durch Atmen und gleichzeitiges langsames Sprechen, das in den Griff zu kriegen.

Weißt du denn eigentlich genau, was dir fehlt? Wurde mit dir detailgenau darüber gesprochen? Ich fände es wichtig, dass du genau weißt, was eigentlich falsch läuft, warum dein Gehirn was durcheinander schmeißt. Vielleicht wäre ein erneuter Versuch in einer Sprachheiltherapie sinnvoll? Oder vielleicht auch eine normale Psychotherapie, wo du lernst, diesen Fehler anzunehmen und mit ihm umzugehen? Es gibt auch Kurse, das weiß ich von dem Stotterer her, wo man psychisch und physisch (durch Sprecherziehung) sehr geholfen kriegt. Leider weiß ich hier die näheren Infos nicht...aber ich habe im Fernsehen mal gesehen, wie Stotterer fast komplett "geheilt" worden sind. Wichtig ist wirklich auch das tägliche Training. Ganz in Ruhe und sehr langsam Sätze zu bilden...und das Tag für Tag.

Lass dich nicht von so einem doofen Problem ins Boxhorn jagen! Du bist doch ein toller Mensch, den SO viel mehr ausmacht und solltest nicht zulassen, dass deine Ängste dein Leben bestimmen. Sicher, es kann sein, dass gewisse Jobs nicht möglich sind. Aber vielleicht würde eine Berufsberatung da Klärung bringen? Es gibt doch viele Berufe, in denen nicht sooo viel geredet werden muss.

Insgesamt könnte ich mir vorstellen, dass eine erneute Sprachheiltherapie im Zusammenhang mit einer Psychotherapie wirklich Erfolg bringen kann. Du kannst lernen, dich auch mit dieser Störung zu lieben. Und wenn du dich selbst mehr magst, wirst du das auch ausstrahlen. Lass dich nicht verunsichern, notfalls bitte deinen Gegenüber um etwas Geduld. Steh dazu. Es ist keine Schwäche, es ist einfach nur ein Punkt unter vielen anderen, die zu dir gehören. Definiert wirst du aus der Summe aller Dinge, die dich ausmachen, nicht nur aus diesem einen.

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute!

Alles Liebe,

Dana