Problem von Lou - 17 Jahre

Hilfe - ich weiß nicht mehr weiter!

Hallo. Es wird etwas dauern, bis ich das Ganze beschrieben habe, aber zuallererst muss ich sagen, dass ich an einer sozialen Phobie leide, schon länger. Wissen tue ich es aber erst seit kurzem, bin deswegen auch in ambulanter Behandlung. Damals, in früheren Schuljahren war mir das allerdings noch nicht bewusst, sodass ich selbst nicht verstand, wieso ich so viele Probleme damit hatte, mich am Unterricht mündlich zu beteiligen, zu sagen, wenn ich etwas nicht verstanden habe oder allgemein gut Kontakte zu knüpfen. Dadurch, dass die mündliche Note vor allem in Hauptfächern stark zählte, sanken meine Noten immer weiter ab. Anfangs ging ich noch auf ein Gymnasium, dort waren es nur Physik und Mathe, in denen mir eine 5 drohte. Meine Mutter nahm mich von der Schule, um zu verhindern, dass ich wiederholen muss. Ein anderes Gymnasium nahm mich auf, allerdings wurden die mündlichen Noten dort nur noch schlechter, das fremde Umfeld und vor allem mein sehr dominanter Klassenlehrer machten das Ganze nicht wirklich einfacher. Genau eben dieser Klassenlehrer wollte mich zum Schluss, als ich knapp zwei Jahre auf der Schule verbracht hatte, sitzen lassen. Mehrere 5en wurden mir ins Zeugnis gedrückt, sodass mir die Chance auf eine Nachprüfung verwehrt blieb. Da wir die letzte Jahrgangsstufe mit G9 waren, wollte er mich damals sogar in die 7. (!) Klasse zurückstufen. Sofort erkundigten meine Mutter und ich mich, was es für Möglichkeiten gäbe, schulisch voranzukommen, obwohl man sich im Unterricht nicht allzu oft bis nie äußert, weil es einem eben sehr schwerfällt. Unsere Wahl fiel auf ein Internat, dort besuchte ich die 10. Klasse. Schulisch lief es sehr gut. In dem ein oder anderen Fach besser, in dem anderen nicht, aber ich war hoffnungsvoll. Dann allerdings erlitt ich bei einer der Partys immer samstags auf dem Internat eine starke Alkoholvergiftung. Seitdem habe ich Alkohol nie mehr angerührt, jedoch machte sich meine Mutter auch aufgrund der kriminellen Machenschaften anderer Schüler auf dem Internat (Drogen, etc.) Sorgen und meldete mich von dort ab. Da ich mittlerweile keine Schulpflicht mehr habe, wurde die Suche nach einer Schule in meiner Heimatstadt schwierig, umso erleichterter waren wir, als ich an einer Gesamtschule aufgenommen wurde. Zwar kein Gymnasium, aber ich war froh. Jedoch entschieden die Leiter der Schule, dass ich das Jahr würde wiederholen müssen, da auf dem Internat in Tertialen unterrichtet wurde, d.h. jeden dritten Monat wechselten sich die Nebenfächer ab, und da ich kein ganzes Jahr auf der Schule war, reichte der Stoff nicht, um noch an die Realschulprüfungen der 10. Klasse an der Gesamtschule anzuknüpfen. Ab da fing es alles an, schlimm zu werden. Ich schrieb die Hauptschulprüfung noch mit, bekam jedoch nie etwas schriftlich, da man meinte, man könne mich nicht bewerten. Das 10. Schuljahr brach an und ich war mit allem überfordert. Mit dem neuen Umfeld, der Situation und den mündlichen Prüfungen die schon bald anstanden, was für mich die Hölle auf Erden war. Ich war die Letzte, die von den Daten der Prüfungen erfuhr, geschweige denn worum es dabei genau ging. Ich bekam Angst, hinkte hinterher und ging immer unregelmäßiger zur Schule. Das war der falsche Weg, das wusste ich, ich fühlte mich damit auch nie wohl. Ich bin kein Mensch, der gerne faulenzt, dem sowas Spaß macht. Ich hinkte meinen Gleichaltrigen bereits um ein Jahr hinterher und wollte nicht, dass es noch schlimmer wird. Immer wieder raffte ich mich auch, ging ein paar Tage hin, verlor jedoch den Antrieb. Dann kamen die Monate, in denen ich gar nicht mehr zur Schule ging. Über 4 Monate, allerdings wurde ich für diese Zeit aufgrund meiner sozialen Phobie vorläufig von meinem Hausarzt vom Unterricht befreit, damit ich den Schulplatz nicht verliere. Diese Befreiung ist bald um, die momentane Situation ist wirklich schrecklich und niemand kann mir helfen. Meine Therapeutin, die sich speziell mit der sozialen Phobie befasst (die Therapie hat gerade erst angefangen, da ich zuvor auf einer Warteliste stand), hatte sich, nachdem sich die Schule nicht auf die Anrufe meiner Mutter gemeldet hatte, mit der Schule in Verbindung gesetzt. Gestern habe ich dann erfahren, dass die Stufenleiterin gesagt hat, dass, selbst wenn ich von JETZT an TÄGLICH bis zum Schuljahresende zur Schule gehen würde, ich am Ende KEINEN Abschluss bekomme, da man mich ja nicht bewerten könne bis dahin. Und sie drückte auch mehrfach aus, dass sie BEZWEIFELT, dass ich den Stoff noch aufholen kann um auf diese Weise den Abschluss noch zu bekommen. Nun stehe ich hier. Anfangs ging ich auf ein Gymnasium, jetzt werde ich Ende des Jahres 18 und habe keinen Schulabschluss, nichts. Dass es mal soweit kommen würde, hätte ich nie gedacht. Das mit der sozialen Phobie habe ich zu spät erfahren, jetzt erst kann ich nach und nach daran arbeiten und das tue ich auch. Ich weiß aber einfach nicht mehr weiter! An dieser Schule komme ich nicht weiter, aber von einer anderen Schule genommen zu werden, ist so gut wie aussichtslos, da ich keine Schulpflicht mehr besitze und nichts vorzuweisen habe! Mein Ziel früher war das Abitur. Mein großer Traum war schon immer, Medizin zu studieren. Heute rückt alles in weite Ferne, alle Träume sind zerplatzt und egal an wie vielen Schulen ich mich bemüht habe, meine soziale Phobie hat mich stark daran behindert, am Ball zu bleiben. Natürlich lag auch vieles an mir. Ängste werden nur besser, wenn man sich ihnen stellt - doch jetzt ist es zu spät. Ich finde keine Schule mehr, habe keinen Abschluss und bin bald 18! Lange werde ich Zuhause auch nicht mehr wohnen, aber wie geht es dann weiter? Ich möchte kein HartzIV-Empfänger werden. Natürlich habe ich versucht, mir nebenbei etwas zu verdienen, um wieder etwas mehr unter Leute zu kommen und auch meinen Schlafrhythmus wieder auf Vordermann zu bringen, der unter den durchgemachten Nächten am Laptop gelitten hat - aber erfolglos. Mein Körper leidet schon unter den vielen Stunden am Laptop, weil ich einfach nichts anderes zu tun habe! Man wollte mir bei der Beratungsstelle, bei der ich nach einer Vermittlung für Nebenjobs gefragt habe, nicht helfen, da ich ja nicht nebenbei zur Schule gehe. Ich weiß wirklich nicht mehr weiter. Alles hängt voneinander ab! Soll es das gewesen sein? Das, worauf ich hingearbeitet habe? Ich weiß, dass ich das Abitur schaffen könnte! Natürlich habe ich meine Problemfächer, so wie viele: Mathe. Aber da lässt sich durch Nachhilfe was machen! Jeder sagt, ich sei begabt. Früher habe ich an meiner Schule Geige gespielt, gefördert wurde jedoch nichts, was am Geld lag. Meine Mutter und ich leben von HartzIV, ich will sie und mich so gerne stolz machen! Nicht so enden wie sie. Mein nächstes Ziel wäre so gern der Realschulabschluss. Aber wie? Bitte sagt mir, dass ihr mir helfen könnt! Ich komme mir so nutzlos in dieser Gesellschaft vor, als eine Belastung für meine Familie, ich mache ihnen solche Sorgen! Keiner weiß mehr vor oder zurück. Sogar meine Mutter nicht und die wusste bis jetzt immer einen Rat, sie hat wirklich viel für mich getan! Alles hat so schleichend angefangen. Hätte ich gewusst, worauf das hinausführt.. bei Gott, ich hätte anders gehandelt. Meine berufliche Zukunft ist mir am wichtigsten! Ich kann kaum mehr schlafen bei all den Gedanken, suche nach Auswegen, finde aber keine. Meine momentane Aufgabe kann doch nicht nur "atmen" sein, oder? Ich weiß, ich bin ein besonderer Fall, das haben schon viele gesagt, aber ich habe meinen letzten Rest an Optimismus noch nicht verloren! Ich bin für jeden, wirklich jeden Tipp dankbar. Ich WILL lernen, ich WILL doch etwas schaffen, ich will es ihnen beweisen! Aber wie? Jetzt habe ich die Therapie, aber keine Schule. Die Therapie wird nicht weitergeführt werden können, wenn ich keine Schule habe. Wegen der Bezahlung von der Krankenkasse. Dann habe ich nichts mehr und bin mit meinen sozialen Ängsten wieder allein! Egal wohin ich sehe, ich blicke in weite Tiefen. Ich fühle mich so wertlos, schuldig und ausgelaugt. Doch tief in mir weiß ich: Ich habe Energie, Wissen und Willen! Bitte, bitte helft mir! Ich habe so lange gehofft, gewartet, getan und versucht. Es kann doch nicht zu spät sein!

Dana Anwort von Dana

Meine liebe Lou.

Zuerstmal: du hast mein absolutes Mitgefühl - und das schreibe ich nicht oft. Mich hat dein Problem sehr berührt, denn ich kann mir nur im entferntesten vorstellen, wie es sein muss, lernen zu WOLLEN, Ziele zu haben und diese nicht im mindesten durchgeführt zu bekommen.

Dennoch möchte ich dir Mut machen. Dein Weg ist sicherlich noch nicht zu Ende. Rede mit deinem Arzt und deinem Therapeuten, es gibt auf jeden Fall einen Weg, dich erstmal weiter zu behandeln, ohne dass du zur Schule gehst. Da muss wahrscheinlich was "umgestellt" werden, damit die Krankenkasse das weiter mit macht, aber das sollte schon möglich sein. Dein Problem fußt ja gerade darauf, dass eine Behandlung unerlässlich ist, weil du ohne sie nicht weiter kommst.

Du bist eine tolle Kämpferin und hast schon einiges erreicht, auch wenn du jetzt erstmal die Schulpleite im Vordergrund siehst. Aber du hast gekämpft und bist immer wieder aufgestanden - und das, obwohl dich eine Phobie total hindert. Du bist kein Mensch, der aufgibt. Auch jetzt nicht. Von daher rate ich dir, immer einen Fuß vor den anderen zu setzen, immer einen Schritt mehr zu gehen...bis hin zu deinem Ziel.

Das Gute: du bist noch jung! Auch wenn das jetzt komisch klingt, weil die Schulpflicht abgelaufen ist, es gibt für dich noch einige Möglichkeiten. Lass dich jetzt erstmal behandeln und kläre mit deiner Krankenkasse, wie das weiterlaufen könnte.

Danach gibt es zB die Möglichkeit, auf einem so genannten Schulkolleg die Schulabschlüsse nachzuholen. Und zwar JEDEN. Du kannst dort dann Realabschluss machen oder sogar Abitur, je nachdem, was möglich ist. Mein früherer Lebensgefährte hat das so gemacht und ich kannte damals viele, die diesen Weg gegangen sind. Es gibt einige Kollegs in Deutschland, die das anbieten. Meist haben die auch ein Wohnheim daneben, in das man ziehen kann und es gibt Schüler-BAFöG, das heißt, man wird finanziell unterstützt.

Und das Beste: mit 17 bist du dafür noch zu JUNG. Der Jüngste damals in Mainz war 19, glaube ich...und manche waren noch älter, hatten schon eine Ausbildung und wollten gerne noch Abi nachmachen. Andere hatten gar keinen Abschluss und haben ihn nachgeholt. Alles nette Menschen, die einfach einen anderen Weg gegangen sind.

Das Kolleg in Mainz gibt es leider nicht mehr, glaube ich. Aber wenn du "Schulkolleg" mal bei Google eingibst, wirst du fündig. Dir stehen noch viele Möglichkeiten offen - aber jetzt bist erstmal du dran. Deine Phobie muss verarbeitet werden, du musst deine Therapie durchziehen können. Kämpfe dafür, dass du das kannst, denn so wie ich dich hier einschätze, habe ich eine intelligente junge Frau vor mir, mit dem Herz an der richtigen Stelle, die einfach ein psychisches aber behandelbares Problem hat, das ihr momentan den Weg etwas steinig macht. Lass nicht zu, dass dir der Mut komplett genommen wird! Lote deine Möglichkeiten weiter aus, nimm deine Therapie in Anspruch, lass dir raten von Arzt und Therapeuten, was möglich ist und was du tun kannst, rede mit deinen Eltern, fragt bei den Schulkollegs nach und so weiter.

Auch fällt mir gerade ein, dass es die Möglichkeit gibt, per "Fernstudium" sein Abi zu machen. Ein Freund von mir hat das gemacht, der musste das alles einfach nur am PC machen, hat für sich gelernt und dann die Prüfungen online geschrieben. Wenn du möchtest, könnte ich sicher eine Verbindung zu ihm herstellen, damit du da nähere Infos erhältst. Sicherlich gibt es auch einiges bei Google zu lesen darüber.

Dein Weg ist noch lange nicht zu Ende, auch wenn da momentan ein Berg mitten drauf zu stehen scheint. Schritt für Schritt, Lou. Du wirst es schaffen, da bin ich mir sicher. Meist muss man einfach anfangen, einen Tunnel zu graben...das ist anstrengend, aber irgendwann ist man durch!

Dir alles Liebe und viel Erfolg!
Berichte gerne, wie es dir so ergeht!

Liebe Grüße,

Dana