Problem von anonym - 36 Jahre

Angst vor Verlust und das Gefühl nichts Wert zu sein

Vor einigen Monaten verlor ich meine geliebte Tochter. Vor 2 Jahren meinen Vater. Die beiden Menschen, die mir im Leben am nächsten Standen und immer für mich da waren. Sie kannten mich und ich vertraute Ihnen.
Kurz bevor meine Tochter starb lernte ich einen sehr netten Mann kennen. Er musste nun mit mir durch eine schwere Zeit. Weil ich weiß, dass er damit nicht zurecht kommt und diesen Verlust auch nicht richtig nachvollziehen kann, schirme ich dies vom Ihm ab. Ich habe wahnsinnige Angst Ihn zu verlieren. Angst davor, ständig Fehler zu machen und nicht gut genug zu sein. Wenn ich mich dann doch mal wenigstens teilweise anvertrauen will, bekomme ich nicht die Antworten, die ich hören möchte. Meistens bekomme ich gar keine Antworten. Ich wünschte mir zu hören, dass er mich liebt und trotz der Umstände sehr froh ist mich kennen gelernt zu haben. Doch wenn ich dann mal mit Ihm rede gibt er mir zu verstehen, dass er nicht weiß ob er das durchhält, also die schwere Zeit und das obwohl ich mich so bemühe und er nur die Spitze des Eisberges an Gefühlen kennt, die in mir toben. Ich bin immer so unsicher, versuche das mir aber nicht anmerken zu lassen. Das war ich füher nicht. Wenn ich etwas nicht so gut mache, dann verliere ich schnell die Nerven und möchte alles hin schmeißen. Gerne will ich eine gute Partnerin sein, Ihn Glücklich sehen und mich geliebt fühlen.... doch leider scheinen meine Bemühungen um Normalität und all die Nettigkeiten die ich Ihm zukommen lasse nicht genug zu sein. Zumindest fühlt es sich so an. Noch vor einer Weile war nichts wichtiger als meine geliebte Tochter. Meine ganze Zukunft, mein ganzes Leben basierte auf Ihr Glück und unser gemeinsames Leben. Wir waren ein Team, beste Freundinnen und ich hätte nicht in meinen schlimmsten Albträumen an sowas gewagt zu denken. Manchmal möchte ich alles hin schmeißen und weg gehen. Irgendwohin, wo mich keiner kennt und alleine bleiben. Doch ich weiß nicht, ob ich das will, weil mit alles zu viel wird, oder ob ich mich selbst bestrafen will. Klar weiß ich, dass ich am Tod meiner Tochter keine Schuld habe, aber trotzdem mache ich mir Vorwüfe. Ich kann die Tatsache nicht ändern.... aber ich wünschte es so sehr... und ich finde nichts, dass mir den Schmerz nimmt und es wird nie einen Ersatz für Sie geben. Wenn mich mein Partner nun verlassen sollte, auch welchem Grund auch immer, oder ich in einer Kurzschlußhandlung wegen dem Gedanken, dass er mich nicht liebt gehe, weiß ich nicht was dann mit mir passiert. Eventuell falle ich noch tiefer. Ich fürchte mich vor der Zukunft, obwohl ich weiß, dass mir nun nichts schlimmeres mehr passieren kann, als das was war. Leider habe ich niemanden im Bekannten und Verwandtenkreis, mit dem ich darüber sprechen kann. Was kann ich tun, mit der Situation besser klar zu kommen. Wie bekomme ich meine Ängste in den Griff. Ich hoffe, das ich nicht zu durcheinander geschrieben habe. Das Thema ist sehr schwer für mich.... Vielen Dank

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte,

ich bin froh, dass du uns geschrieben hast. Denn so aussichtslos ist deine Lage nicht, wie sie sich momentan anfühlt. Gewisse Dinge gilt es zu verstehen, andere anzugehen...und es wird sich alles etwas lichten.

Zuerst möchte ich dir mein Mitgefühl aussprechen, dass du gleich zwei schlimme Verluste erleiden musstest. Das eigene Kind zu verlieren ist mit Sicherheit eine der schlimmsten Dinge auf der Welt - und ich bin sehr froh, dass du anscheinend so viel Stärke besitzt, trotzdem für dich zu kämpfen und zu hoffen, dass alles auf den richtigen Weg kommt. Denn dein Brief an uns beweist genau das. Du suchst aktiv nach Auswegen, nach Lösungen...und driftest nicht einfach schwächelnd vor dich hin. Viele hätten sich sicher aufgegeben, du tust es nicht.

Und genau deshalb wirst du es auch schaffen, da bin ich zuversichtlich. Ein paar Punkte gälte es anzugehen:

Es wäre wichtig, deinem Partner seine "Unzulänglichkeit" zu vergeben. Er KANN nicht anders. Diese Problematik, die dich beschäftigt, fordert eine Rossnatur und wirklich viel Kraft. Er ist ein Laie auf dem Gebiet, er weiß gar nicht, wie er diese Trauer und diese Schwere angehen soll, wie er dich da beschützen soll. Er ist da auch sehr ehrlich und sagt, dass er nicht weiß, wie er das schaffen kann. Es ist GUT, dass er da so ehrlich ist, denn das zeigt, dass er sich damit auseinander setzt und seine Grenzen kennt. Er kann dich nicht heilen, er kann dir nicht helfen. Er ist da hilflos.

Und das musst du erkennen lernen. Die Forderungen, die du an deinen Partner stellst, die Erwartungen, die du hast, sind einfach zu hoch. Das, was du erlebt hast, ist so schlimm, dass man kaum als geschulter Mensch die richtigen Worte findet. Wie soll er das als nicht geschulter Mensch schaffen? Er ist damit total überfordert, aber noch bei dir, weil er dich liebt. Da ist auch der Beweis! Würde er dich nicht lieben, hätte er schon längst die Segel gestrichen und wäre auf und davon. Dass er das alles aushält und immer wieder merkt, dass er dir nicht richtig helfen kann und trotzdem da bleibt...das ist wirklich ein Liebesbeweis.

Was kannst du stattdessen tun? Ich möchte dir dringend und sehr herzlich zu einer Therapie raten. Das, was du bei deinem Freund suchst, die Aussprache, die Verarbeitung, das kann nur jemand, der davon Ahnung hat. Das würde gleichzeitig deinen Freund entlasten und die Beziehung entspannen. Du kannst ihn ja fragen, ob er mal mitkommen möchte, das wird er bestimmt nicht verneinen. Aber du solltest für dich wirklich eine Therapie hinzu ziehen. Deine Seele muss diese Verluste verarbeiten dürfen, alleine ist da kaum ein Fortkommen. Und glaube mir: das kann wirklich nur ein Fachmann oder eine Fachfrau. Diese Personen haben das richtig gelernt, sie wissen, was sie tun müssen, um dich für den Alltag wieder stärker zu machen und mit dir das Erlebte so zu verarbeiten, dass du wieder weißt, wie du dein Leben leben kannst, ohne dass die Bilder und die Gedanken dich dauernd so vereinnahmen.

Du sprichst selbst von einem Eisberg, dessen Spitze man momentan nur sieht. Psychologen sind gelernte "Taucher", die dir helfen, den Eisberg zu schmelzen, ihn abzutragen und das, was von ihm übrig bleibt, so in dein Leben einzuarbeiten, dass du dich nicht dauernd dran verletzt. Ganz weg gehen solche Gedanken und Bilder nie, die Erfahrung ist halt gemacht. Aber gelindert kann es werden und das mit Erfolg.

Ich weiß, das klingt jetzt hart für dich, wenn ich sage: Geh in Therapie, es kann dir sonst keiner helfen. Aber es ist die Wahrheit. Bei ungeschulten Menschen gibt es leider irgendwann eine Grenze. Ich selbst musste das auch schon erleben - ich musste irgendwann Abstand von einer guten Freundin nehmen, die ich über ein Jahr durch ihre schlimme Zeit begleitet habe. Ich hatte sie soweit, dass sie in Therapie ging und als sie endlich versorgt war, merkte ich, wie ausgelaugt ich war. Ich konnte einfach nicht mehr. Alles an ihr hat mich an diese schlimme Zeit erinnert. Als Profi hast du gelernt, den nötigen Abstand zu wahren, ohne dies dem Gesprächssuchenden zu zeigen. Und du weißt als Profi, was du sagen und tun musst, um dem Hilfesuchenden die Hilfe zukommen zu lassen, die er braucht, ihn nicht alleine zu lassen.

Ich weiß, dass dein Freund und du aufleben werdet, wenn er merkt, dass nicht alle Last auf ihm hängt und wenn du merkst, dass deine Lasten mitgetragen werden von jemandem, der sich auskennt. Psychologen findest du leicht über Google. Einfach deine Heimatstadt und "Psychologe" oder "Psychotherapie" eingeben. Du kannst gleich bei mehreren Psychologen einen Termin machen und sie dann abklappern. Es kostet dich nichts. Ich wünsche dir, dass du einen/eine findest, dem/der du vertrauen kannst.

Ich kann es dir nur wärmstens empfehlen, weil ich aus meiner Erfahrung im Umfeld heraus weiß, dass es wirklich hilft. Die schlimmen Dinge sind passiert...aber es ist ja keinem geholfen, wenn es bald ein neues Opfer gibt, weil du vor lauter Angst und Schmerz nicht mehr weißt, was du tun sollst. Ich hoffe, du kannst das Gute in meinem Rat sehen und sagst nicht: "Psychologe?? Niemals!!"

Ich wünsche dir den Mut, dich in professionelle Hände zu begeben und deinen Freund von Erwartungen und "Schuld" freizusprechen. Ich würde ihm das auch offen sagen, es ist wirklich auch schwer für ihn.

Dir alles Liebe und Gute! Du wirst es schaffen, ich bin mir sicher!

Dana