Problem von Julie - 37 Jahre

Mein Leben ist anders - und ich bin es auch!

Nachdem ich nun langsam wirklich nicht mehr weiter weiß, schreibe ich einfach einmal was mich bedrückt.

Mein ganzes Leben ist sehr eigenartig - milde gesagt. Habe schon seit frühster Kindheit sexuelle Belästigungen erlebt und bin mit 11 Jahren fast vergewaltigt worden. Einer meiner Ex-Partner, setzte dieses dann in die Tat um, aber anstatt mich zu trennen blieb ich bei ihm - ich dachte ich bilde mir alles ein. Und es folgten auf der Straße weitere sexuelle Übergriffe indem mir jemand die Ganze zeit beim laufen in den Schritt fasste und ich nur panisch und starr vor Angst die nächste U-Bahn Haltestelle aufsuchte (Passanten helfen einem kein Stück - die würden noch dabei zugucken wenn schlimmeres passiert). Aufgrund dessen habe ich natürlich sexuelle Probleme gerade in meiner jetzigen Beziehung.

Aber es geht noch weiter. Seit dem Übersiedeln von Ost - nach Westberlin wurde ich in der Klasse gemobbt und 3 Jahre lang fast täglich von einem Mitschüler verprügelt. Die Lehrer und meine Eltern halfen mir nicht - im Gegenteil musste ich mir von meiner Mutter anhören, das sie ja nicht wüsste welchen Grund dieser Junge haben sollte.

Beruflich ist genauso eine Katastrophe. Habe zwar eine Lehre gemacht, wurde dann aber wegen eines Schwangerschaftsabbruch rausgemobbt und letztlich gekündigt. Meine Umschulung zur Bürokauffrau half mir auch wenig weiter...Kein Job, weil keine Berufserfahrung.

Privat, was soll ich sagen, ich habe seit ich denken kann das Gefühl hier nicht her zu gehören - als ob ich bei meiner Geburt an der falschen Haltestelle ausgestiegen bin. Alle Menschen sind mir fremd. Sie streiten sich wegen Kleinigkeiten und kennen keine wahren Werte - alles ist wie ein Theaterspiel. Aber ich spiele nicht mit - nicht weil man mich nicht lässt, sondern weil ich es einfach nicht will.

Meine derzeitigen Depressionen und Autoaggressionen waren schon früher da. Denn als Kind fing ich schon an mich zu verletzen. Und auch wenn ich über meine Probleme rede oder (mittlerweile kann ich das) meiner Mutter meine Meinung sage (in ruhigem Ton) wird sofort scharf zurückgeschossen und ich werde sogar noch beleidigt. Das Beste daran ist, das ich von anderen dann zu hören bekomme, das ich doch bitte auf die psychischen Belange anderer Rücksicht nehmen soll - aber es nimmt niemand auf mich Rücksicht.

Ich bin doch nicht der Prügelknabe der Nation, wo jeder mal draufschlagen darf...

Ich weiß echt nicht mehr weiter - habe das Gefühl von niemandem ernst genommen zu werden. Man verlangt nur, das ich funktioniere und mir einen Job suche. Aber das ich momentan dazu nicht in der Lage bin, scheint keiner zu verstehen. Ich habe derzeit ständig Albträume wegen meiner Vergangenheit und da soll ich normal weiterleben????? Es den anderen Recht machen und schön die Klappe halten????? Hauptsache ich passe ins System....

In eine Klinik will und werde ich nicht gehen, obwohl ich gestern nahe dran war, nach einem erneuten Absturz.....

Vielleicht hat jemand einen Rat.......

Dana Anwort von Dana

Liebe Julie!

Ich danke dir für deine Offenheit, ich denke, es war gut, dass du einfach mal gesagt hast, was so alles in dir brennt. Du hast den ersten Schritt gemacht und eben NICHT mehr die Klappe gehalten. Das ist sehr gut.

Ich möchte im einzelnen jetzt nicht auf das eingehen, was du erlebt hast, aber ich bestätige dir: es sind wirklich schlimme Dinge. Du hast Sachen erlebt, die sich tief in die Seele eingebrannt haben und die dich als "seelischen Invaliden" zurück lassen. Eigentlich hast du es erkannt: so kann man ein Leben eigentlich nicht weiter leben. Das geht einfach nicht. Du willst nicht in eine Klinik: das respektiere ich, ich würde dir sogar davon abraten in diesem Fall.

Kliniken ziehen dich ja bewusst aus deinem Alltag raus - aber was ist danach? Du kommst ja wieder hinein und musst dein Leben weiter bestreiten. Was ich dir aber sehr herzlich und dringlich raten möchte, ist eine Therapie.

Würdest du dir ein Bein brechen, würdest du ganz natürlich zum Arzt gehen, der es dir wieder richtet. Würdest du es nicht tun, würdest du dir eine chronische Verletzung einhandeln, die dir das ganze Leben lang Beschwerden macht. Und genauso ist es mit seelischen Verletzungen. Die schlagen harte Wunden - und wenn man dann nichts dagegen tut, bzw versucht, das irgendwie runter zu drücken oder alleine damit fertig zu werden, dann schwelen diese Wunden und belasten das komplette Leben, bis man nicht mehr weiter kann. Du merkst es ja selbst schon, dass dich deine Vergangenheit und die damit verbundenen Ängste und Phobien so behindern, dass du nicht mehr "normal" leben kannst. Dein Umfeld versteht dich nicht richtig, kann sich nicht hinein versetzen, Arbeitgeber haben dann eh ein Problem. Alles, was psychisch ist, ist für viele Laien sehr schwer fassbar. Menschen, die das nicht ebenfalls erlebt haben, sind meist hilflos oder verständnislos.

Das wertet dich aber in keinster Weise ab, das ist einfach so. Und es "beweist" auch nicht, dass eigentlich "nix ist". Es ist sehr wohl was. Und es ist sehr viel bei dir los.

Jeder Berater hier würde dir denselben Tipp geben: such dir einen Therapeuten, eine Therapeutin. Diese Menschen sind geschult, sie können gezielt helfen, gezielt im Alltag stärken, gezielt mit dir verarbeiten und HELFEN. Du bist dann mit deinem Problem nicht mehr alleine, du wirst lernen, wie du damit umgehen kannst, was du dagegen unternimmst, wie du im Leben wieder besser Fuß fasst. Es ist enorm wichtig, ich hoffe, du merkst selbst die Notwendigkeit.

Google dir Namen und Adressen von Psychologen rund um deine Heimatstadt, schau auch ruhig mal nach Psychiatern, oft ist eine Kombination sehr sinnvoll, da die Psychologen eben in Gesprächen helfen und die Zukunft klarer mit dir gestalten und die Psychiater eben Ärzte sind, die medikamentös eingreifen können und dich somit zusätzlich unterstützen. Ich würde dir empfehlen, einfach zu einigen hin zu gehen. Das ist zwanglos und möglich, es kostet dich auch nichts, außer vielleicht die 10 Euro Praxisgebühr, es sei denn, du lässt dir eine Überweisung ausstellen, was auch kein Problem wäre. Daran ist NICHTS peinlich oder komisch. Du gehst damit den Weg, der Hilfe bedeutet. Teste sie durch, das ist dein gutes Recht! Und dort, wo du dich gut fühlst, lässt du dich nieder.

Ich wünsche mir für dich, dass du diesen Kampf aufnimmst. Du bist es wert! Auch wenn dir viele Menschen vermitteln wollten, dass du nichts wert bist, sie irren. SIE sind die auf dem falschen Weg, nicht du. Sie haben in dir was zerstört und dazu hatten sie kein Recht! Du bist du und du bist gut so, wie du bist! Kämpfe für dein Leben, lass sie nicht gewinnen! Du bist es wert, ein schönes Leben zu haben, fern der Ängste und Einschränkungen. Hol dir fachliche Hilfe, lass dir helfen - und du wirst bald aufatmen können. Und das ist ein geniales Gefühl.

Alles, wirklich alles Gute für dich, liebe Julie!

Dana