Problem von Nadine - 21 Jahre

Berührungsängste

Hallo :)
Ich habe schon seit einigen Jahren das Problem,dass ich Berührungsängste habe. Wenn mich andere Menschen berühren,ekel ich mich regelrecht oder fühle mich schmutzig. An manchen Tagen ist es nicht ganz so schlimm.. Freunde dürfen mich nur bedingt umarmen.. Zwar würde ich sie gerne umarmen und ihre Nähe zulassen,aber die Überwindung ist verdammt schwer. Nur ganz selten schaffe ich es, andre kurz zu umarmen.. Auch trösten kann ich nicht. Das macht mir schwer zu schaffen,wenn meine weinende Freundin neben mir sitzt und ich sie umarmen,trösten möchte und es einfach nicht schaffe. Noch etwas zu meiner Familie/Vergangenheit.. Meine Eltern haben mich früher geschlagen und an so viel Liebe kann ich mich auch nicht erinnern.. Auch bis heute umarme ich meine Eltern nicht und wir bleiben eher auf Distanz.Wenn mir Jemand zu nahe kommt oder sehr innig ansieht,fühle ich mich überhaupt nicht wohl und werde meistens rot im Gesicht,weil mir das so unangenehm ist.. Das Problem bezieht sich im Übrigen nur auf Menschen. Mit Tieren habe ich keinerlei Probleme..

Ich hoffe,ihr habt irgendeine Antwort und könnt mir helfen.. Danke im Voraus!

Dana Anwort von Dana

Liebe Nadine!

Du lebst einfach das Verhaltensmuster weiter, das du als Kind erfahren hast. Jemand, der mit Berührungen eigentlich nur schlechte Erfahrungen gemacht hat, kann durchaus dazu tendieren, diese auch nicht weitergeben zu können.

Dazu kommt, dass du anscheinend auch immer impliziert bekommen hast, wertlos zu sein. Wenn dir nun also jemand Aufmerksamkeit schenkt, dich anguckt und dir somit zeigt, dass er/sie dich wahrnimmt, dann behagt dir das gar nicht, weil du es nicht kennst. Das passiert leider mit Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben. Im Prinzip gibt es zwei Extreme. Die, die NUR noch Körperkontakt brauchen, also dauerndes Knuddeln und busseln und die immer wieder hören wollen, dass man sie wirklich gern hat. Und dann die, zu denen du auch gehörst, die den Abstand und die Distanz vorziehen, die sich unwohl fühlen, wenn eine fremde Hand sie berührt, die es zT. auch nicht wirklich leiden können, in der Straßenbahn eng neben jemandem zu stehen oder zu sitzen, nur als Beispiel.

Du hast nie gelernt, wie sich Freundschaftliches, Herzliches, Liebevolles anfühlt. Du hast die Nähe zu anderen Menschen nicht gelernt, bzw hast erfahren, dass sie, stellt sie sich ein, nichts Gutes bedeutet, sondern Schmerzen. Von daher sieh deine Reaktionen erstmal als völlig normal an. Dein Verhaltensmuster entspricht dem, was du erfahren hast. Da du ja auch von Tieren sprichst: denk mal an das Tierreich zB, da ist es banaler, aber sehr gut sichtbar: Ein Hund, der sein Leben lang nur Gutes erfahren hat, wird vertrauensvoll sein, wird sich ohne Probleme streicheln und knuddeln lassen. Ein Hund, der Schläge kassiert hat, ist misstrauisch, fährt herum, wenn man ihn berührt und hält Distanz. Das sind die Instinkte, die ihn warnen.

Und ähnliche Instinkte warnen dich auch. Das ist bei Menschen nicht anders. Ein Mensch, der viele Ohrfeigen bekommen hat, wird immer wieder bei einer sich schnell bewegenden Hand zurück zucken. Das ist einfach dann einprogrammiert. Daher hast du auch mit Tieren kein Problem. Sie haben dir nie etwas getan.

Eigentlich musst du erstmal lernen, dass man Berührungen ohne Angst und Unbehagen zulassen kann. Ich weiß ja nicht, wie nah deine Freundin und du euch seid. Aber wie wäre es, wenn du sie mal ins Vertrauen ziehst? Sie versteht dich sicher - und dann könntet ihr üben. Dazu müsstest du dir bewusst machen, dass die Berührung deiner Freundin (zB Hand am Arm oder Arm um die Schulter) etwas Schönes sein kann. Du müsstest offen sein und den Versuch machen, das Schöne daran zu sehen und zu erkennen, dass da nichts Schreckliches dran ist.

Es ist allerdings ein langer Weg - und vielleicht wäre eine begleitende Fachkraft da sogar hilfreich. Natürlich musst du niemals anderen Menschen um den Hals fallen können oder sie das bei dir tun lassen, wenn du das nicht möchtest. Aber es klingt ja so, als fühltest du dich gehemmt und würdest gerne. Eine Therapeutin (hier wäre sicher eine Frau besser) kann zB mit dir an deinem Grundvertrauen arbeiten und auch an deiner Selbstliebe, die quasi kaum vorhanden ist. Dass du lernst, dass du anschauenswert bist, dass du liebenswert bist und dass menschliche Nähe wirklich toll sein kann. Auch könntest du deine Vergangenheit verarbeiten, die anscheinend eine tiefe Wunde in dir hinterlassen hat. Vielleicht googlest du einfach mal nach Psychotherapeuten in deiner Nähe, machst mal bei ein paar Termine aus und guckst sie dir mal an? Du darfst sie einfach testen, das ist ok und kostet dich auch nicht wirklich etwas. Vielleicht hilft es dir auf deinem Weg fort aus der Distanz.

Ich wünsche dir, dass du die Geduld mit dir hast, die es braucht. Lass dir Zeit, aber geh immer mal einen kleinen Schritt vorwärts. Ich denke wirklich, deine Freundin wäre dafür eine wirklich geeignete Person. Ihr scheint euch ja zu vertrauen.

Alles Liebe und viel Erfolg!

Dana