Problem von Johnny - 16 Jahre

ausgleichende Gerechtigkeit ?!

Hallo,
das alles ist relativ neu für mich, ich habe bisher selten über meine Probleme gesprochen, schonmal danke fürs zuhören.
Also zu mir: Ich bin jetzt 16, besuche die 10. Klasse eines Gymnasiums und das ist meine Geschichte:
Ich wurde als 1. Kind geboren, 1 Jahr später sollte mein Bruder folgen, doch er überlebte die Geburt nicht. 3 Jahre nach mir kam dann meine Schwester auf die Welt. Ich lernte in meine Kindheit nur einen Opa kennen. Dieser Opa (mütterlicherseits) hatte eben einen Enzug hinter sich, was meine Mutter sehr belastete. Mein Opa väterlicherseits verstarb vor meiner Geburt, nahm dennoch einen Einfluss auf mein Leben. Mein Vater konnte mich nicht loben oder Danke sagen. Laut ihm konnte das sein Vater auch nicht und daher hat er es nicht anders gelernt). Doch (Zitat) Kinder sind wie Hund, je schlechter man sie behandelt, desto mehr glauben sie es zu verdienen. Also hing ich sehr an ihm, doch er konnte kein einziges mal danke sagen. Begründung: "Mir Dankt ja auch keiner das ich euch versorge" . Also war ich oft froh, wenn er nicht da war, allein das Mathelernen endete in einer Katastrophe. Einmal ohrfeigte er mich ganz leicht, ich bin nicht aus Zucker, aber sowas tut psychisch weh. Mit 13 fing ich deshalb das Laufen an, um depressionen abzubauen, und weil ich mit dem Klischeè "der Held kriegt das Mädchen" groß geworden bin. Also lief ich mit 13 meinen ersten Halbmarathon, erlaubt ist das mit 16. Mit 14 erkrankte meine Mutter an Krebs, ich musste mich also mit meinem Vater und meiner schwester selbst versorgen. Und zu allem Überfluss kam ein Junge in meine Klasse, den alle cool fanden, und der anfing mich völlig grundlos als "Spasti" "Schwuchtel" etc. zu beschimpfen. Das alles war schwer zu ertragen und daher ging ich zu einem Lehrer. Wie es der Zufall so will, genau eine Stunde bevor der Lehrer den Jungen zur Rede stellen wollte entschuldigte er sich bei mir. Natürlich wurde der Junge trotzdem zum Lehrer gerufen. Er redete sich aber irgendwie raus und behauptete danach vor der ganzen Klasse, ich sei ein überempflindlicher Junge, der andere wegen Kleinigkeiten anschwärzt. Ich war erstmal unten durch. Doch zum Glück konnte meine Mutter nach langer Behandlungsdauer endlich geheilt werden, doch wer sich auskennt, weiß, dass Krebs sehr leicht wiederkommen kann. In einem Dorf wie ich wohne spricht sich sowas auf jeden Fall schnell rum. Doch obwohl meine Mitschüler von meiner Mutter wussten rissen sie Witze über Krebs, es sei ja nur so eine assoziale Krankheit und wer Krebs hat, hats nicht anders verdient. Ich schaffte das alles meistens zu ignorieren. Nur einmal bin ich ausgerastet. Die Schule wurde dadurch natürlich nicht leichter. Ich habe einen Nachnamen, der genug Spottpotenzial hat. Und wie es der Zufall so will hatten wir zu der Zeit einen Lehrer der dumm genug war auf Nachfrage des Klassenclowns meinen Nachnamen ins englische zu übersezten, und da hört er sich noch dümmer an, das hängt mir bis heute an. Eines Tages, kam dann mein Vater nach Hause und wollte plötzlich Zeit mit seinen Kindern verbringen. Als dann meine Mutter nach Hause kam, stellte sich heraus, das meine Mutter ihn erwischt hatte, er hatte seit einiger Zeit eine Affäre mit der Mutter eines meiner Klassenkameraden. Das übliche folgte, Scheidung, Umzug, und ich sagte mich von meinem Vater los, endlich konnte ich den ganzen Zorn auf ihn loswerden. Natürlich sprach sich auch das rum, und auch darüber wurde sich lustig gemacht, ich durfe mir Bemerkungen wie "Mein Vater läuft nicht zur nächsten Schlampe" anhören. Genauso wie wir neulich 1. Hilfe Kurs hatten. Wir mussten an einer Puppe Mund zu Mund Beatmung vormachen. Ich hab es recht gut hingebracht, war nicht der einzige der es gut geschafft hat, aber bei mir kam der Kommentar: "Der kann das ,der ist schwul". Auch das hängt mir noch nach. Seitdem habe ich angefangen exzessiv Sport zu betreiben und zwar Triathlon. Ich fühle mich etwas glücklicher, wenn ich voll im Training bin. Dann komme ich von der Schule heim, mache Hausaufgaben. Trainiere 2 stunden oder länger, lerne, mach vlt. noch ne Trainingseinheit, Abendessen vielleicht noch etwas fernsehn dann ins Bett. Morgen geht alles wieder von vorn los. Außerdem stelle ich mir vor: Sollte ich Profisportler werden und mit 30 immer noch durchtrainiert sein, während alle anderen meines Jahrgangs fett ansetzen kommen die Mädchen von allein und ich bin nicht mehr der Aussenseiter ;) Das sind die großen dinge warum ich nach ausgleichender Gerechtigkeit frage. Aber es gibt noch genug kleine Probleme. Ich bin in der Schule immer derjenige, der versucht nie jemanden auszulachen. Werde aber am meisten ausgelacht. Jetzt ist dann bald Tanzkurs, meine Freunde hatten Glück und waren zur richtigen zeit am richtigen Ort und wurden von Mädchen gefragt. Nur mal nebenbei, ich bin 1,95 groß, habe breite Schultern, schwarze Naturhaare (zwar kein Justin Bieber Look aber immerhin ;)), und durch den ganzen Sport auch einen guten Körperbau, daran sollte es also nicht liegen. Außerdem fahren ein Freund, eine Freundin und ich immer zusammen Skifahren, weil sich unsere Familien kennen. Ich rede immer ganz normal mit ihr und bin nett, er schüttet Pfeffer in ihr Getränk, und lacht sie aus. Und trotzdem redet sie die ganze Zeit mit ihm. Ich habe längst aufgehört zu verstehn versuchen, warum die größten Idioten immer gut aussehen und am meisten Freundinnen haben. Aber dieser Junge ist kleiner als das Mädchen, nicht sportlich und ist die ganze Zeit gemein zu ihr. Trotzdem redet sie viel lieber mit ihm als mit mir. Genauso ist es mit einem Mädchen aus meiner Klasse, sie redet schon gerne mit mir aber sobald andere die viel kindischer sind (durch die Scheidung meiner Eltern bin ich zwangsweise sehr reif geworden) kommen, redet sie kaum mit mir. Ich Zweifle langsam an sowas wie Gerechtigkeit, ich habe noch nie was vom Leben geschenkt bekommen und Millionen anderen geht es noch schlechter als mir. Mir wird das alles zu Viel in letzter Zeit. Meine Mutter wälzt viele ihrer Zukunftsängste auf mich ab und beschuldigt mich teilweise ich würde Geld kosten. Meine Klassenkameraden wollen selten was mit mir zu tuen haben. Und ich kann kaum mehr schlafen, hocke teilweise um 2 Uhr nachts auf dem Balkon und schlage meine Faust gegen die Wand. Ich hab selber bis vor kurzem versucht zu sagen "Was mich nicht umbringt macht mich nur stärker" oder "Du kannst vom leben nichts erwarten, also nimm es dir selber". Aber scheinbar geht es mir immer schlechter und den anderen immer besser, es ging seit meiner Geburt bergab. Wenn ich mich selbst frage was die 5 schönsten Momente meines Lebens waren fällt mir nichts ein. Und eben weil es noch Millionen gibt denen es noch schlechter geht frage ich mich, gibt es sowas wie ausgleichende Gerechtigkeit ?!

Judith Anwort von Judith

Lieber Johnny,

Da hast Du Dir aber mal allen Frust von der Seele geschrieben oder? Nicht, dass das Deine Probleme löst, aber meine Erfahrung ist, dass es schon erleichtert, wenn man alles, was einen bedrückt, mal zu Papier gebracht hat.

Und Du hast wirklich ein Päckchen zu tragen, keine Frage. Einen recht lieblosen Vater, Deine Mutter mit schwerer Krankheit, die Scheidung der Eltern und anscheinend einige Klassenkameraden, die wirklich idiotisch sind. Das tut mir leid.

Die Idioten wird es im Leben leider immer geben. Aber weisst Du was? Bei Deinem Absatz in dem Du schreibst, dass, wenn alle anderen mit 30 langsam fett werden, Du gutaussehend und fit daneben stehen wirst, da musste ich schon grinsen. Denn so abwegig ist das gar nicht. Wenn ich mir so ansehe, wer bei mir im Abijahrgang "cool" war, und wo wir heute alle im Leben stehen, da sind schon Unterscheide zu sehen. :-)

Aber das hilft Dir natürlich nicht hier uns jetzt. Ich halte Dich für einen intelligenten, sportlichen, sicher auch humorvollen und ambitionierten Jungen, der trotz seines jungen Alters schon eine Menge Lebenserfahrung hat. Du sprichst auch von Freunden, also ganz einsam bist Du nicht - das freut mich.  

So schwer das jetzt sein mag: schau auf die positiven Dinge! Deine Mutter ist gesund / bekämpft den Krebs! Du machst bald einen Abschluss, bist gesund und gutaussehend, und danach steht Dir so viel offen! Ich glaube etwas Tapetenwechsel wäre vielleicht gut für Dich. Vielleicht 6 oder 12 Monate im Ausland (USA, England?). Oder in den Sommerferien 4 Wochen arbeiten, auch da gibt es Möglichkeiten für Jugendliche, die mal rauswollen, was anderes erleben. Oder Du suchst Dir neben Deinem Sport noch ein Hobby, was im Team ausgeübt wird, da lernst Du dann sicher auch Mädchen kennen :-).

Lass Dich nicht hängen, Johnny! Klar, Du hast viel durchgemacht, aber Du hast sehr gute Voraussetzungen für eine glückliche Zukunft. Nur Mut!

Alles Gute,
Judith