Problem von Kathrin - 31 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter

Liebes Kummerkasten-Team,

als Erstes möchte ich mich nochmal bei euch bedanken – ihr habt mir schon zweimal geantwortet und mir dadurch ein bisschen geholfen und Mut gemacht.Leider sind aber meine Probleme nicht kleiner, sondern eher größer geworden.

Ihr macht wirklich tolle Arbeit. ...Irgendwann würde ich sehr gern bei euch mithelfen, denn oft denke ich, da könnte ich vielleicht auch eine gute Antwort, ein bisschen Zuspruch, eine Motivation oder eine neue Denkrichtung geben. Aber momentan muss ich erst mal wieder eher zu mir selbst finden.
Und deshalb möchte ich euch nochmal um Rat bitten und bedanke mich schon im Voraus, wenn ihr euch die Zeit nehmt.

Im November/Dezember ging es mir psychisch überhaupt nicht gut, es war einfach alles zu viel, ich habe mich nur noch abgekapselt und habe oft gedacht, ich falle in ein tiefes schwarzes Loch. Ich hatte schon öfter in meinem Leben solche Phasen, in denen ich so ein bisschen in ein Tief gefallen bin. Aber es ist immer wieder vorbeigegangen, ich habe mir immer wieder selbst zu helfen gewusst und mich immer aus allem raus gekämpft. Ich kenne mich inzwischen gut, weiß, dass ich einfach immer mal Zeit für mich brauche und einfach mal Zeit zum Träumen und Nachdenken brauche.

Seit – sagen wir mal so Februar/März geht es mir auch wieder etwas besser, aber ich sehe keine grundsätzliche Lösung oder Perspektive und es fällt mir immer schwerer, Lebensfreude und Zuversicht zu empfinden. Manchmal scheint mir alles so aussichtslos und perspektivlos, ich bin mir sicher, dass sich was ändern muss, finde aber keine Lösung und habe Angst, dass ich wieder psychisch abstürze. Gerade jetzt am Wochenende habe ich wieder ziemlich schwarz gesehen, viel geweint – mit dem Ergebnis, dass ich heute so ausgelaugt bin, dass ich nicht auf die Arbeit gegangen bin, was eigentlich alles wieder nur noch schlimmer macht. Ich konnte aber einfach nicht – ich habe in solchen Phasen auch öfter Migräneanfälle und bin schon deswegen ab und an mal einen Tag zu Hause, was sich auf die Arbeit nicht gut auswirkt - es sind alles so Teufelskreisläufe.

Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Normalerweise bin ich ein Mensch, der immer eine Lösung findet, sehr reflektiert und kritisch sich selbst ist und nicht so schnell den Optimismus verliert und den Kopf in den Sand steckt. Das hab ich jetzt auch nicht vor, aber ich finde einfach keine Lösung und habe das Gefühl, mich selbst zu verlieren. Da sind einfach zu viele Baustellen und alles bedingt einander, hängt miteinander zusammen und ist nur noch ein einziges Chaos.

Meine momentane Situation ist so, dass ich das Gefühl habe, mein Leben bleibt stehen oder geht gar rückwärts und ich sehe keine Lösung, an den Baustellen etwas zu ändern. Sie greifen wie Zahnräder ineinander, alles hängt miteinander zusammen, will ich an einer Baustelle etwas ändern, wird es auf den anderen Baustellen nur schlimmer. Ich brauche eine grundsätzliche Lösung und die scheint es nicht zu geben. Ich liege nachts wach und grübel und grübel und bekomme das Gedankenkarussell nicht zum Stehen.

Ich habe zwei Teilzeitjobs habe, die mir überhaupt keinen Spaß machen, in denen ich keinerlei Perspektive oder Entwicklungsmöglichkeiten sehe und die auch organisatorisch große Probleme machen. Ich möchte dort definitiv nicht länger bleiben.
Dann habe ich eine Fernbeziehung, die nicht so einfach ist, sowohl von den Umständen her, auch deswegen, weil mein Partner sehr verschlossen ist und es sehr schwer ist, mit ihm zu reden.

Wo fange ich an? Bitte entschuldigt, dass das viel Text wird und teilweise durcheinander ist. Ich finde es grad so schwer eine Ordnung in meine Gedanken zu bringen, weil wie gesagt alles miteinander zusammenhängt.
Ich komme grad immer weniger selbst mit mir klar und verliere immer mehr Selbstbewusstsein.
Ich weiß einfach nicht, wie es mal weitergehen soll, sehe keine Perspektive, sowohl in der nächsten Zukunft als auch in fernerer Zukunft. Und meine Vergangenheit beschäftigt mich auch wieder immer mehr, obwohl ich dachte, ich hätte das ganz gut abgeschlossen und losgelassen.

Meine Arbeit macht mir überhaupt keinen Spaß mehr. Ich muss mich richtig motivieren, morgens aufzustehen und die negativen Gedanken zu vertreiben. Ich lass mir schon alle möglichen Strategien einfallen, um positiv in den Tag zu starten. Also ich versuche z.B. als erstes beim Aufwachen an etwas schönes zu denken, z.B. dass ich auf die Arbeit radeln kann und weiß, dass mir das gut tut, dass es Frühling wird, an eine schöne Situation zu denken. Dann auf der Arbeit versuche ich, alles, was schlecht läuft nicht so an mich heran zu lassen. Aber das ist alles gar nicht so einfach. Ich bin einige Umwege in meinem Leben gegangen, ich hab das bisher auch immer wieder positiv gesehen und das beste daraus gemacht, mir immer wieder neue Ziele und Motivationen gesucht. Ich habe nach der Schule erst mal eine Ausbildung auf dem Büro gemacht, weil ich mir einfach noch nicht so klar war, was ich gerne machen würde. Das war auch gut – die Erfüllung war es nicht, ich wusste danach, dass ich das
nicht mein Leben lang machen möchte, ich habe aber auch viel gelernt und bin selbstständiger und somit selbstbewusster geworden. In dieser Zeit habe ich auch meine erste große Liebe kennengelernt (die fast 7 Jahre lang halten sollte) und nach der Ausbildung ist eines der schönsten Jahre in meinem Leben angebrochen. Ich bin mit meinem Freund zusammengezogen und habe die Fachoberschule besucht, um die Fachhochschulreife nachzuholen. Das war ein wundervolles, unbeschwertes und viel zu kurzes Jahr, mit guten Freunden, sehr guten Noten, vielen Ideen und Hobbies – ich war das erste Mal in meinem Leben wirklich glücklich. Leider sollte das nicht allzu lange anhalten, denn nach diesem Jahr habe ich einen großen Fehler begangen, den ich schon sehr oft bereut habe (aber auch da hab ich mir verziehen und hab immer wieder das beste versucht draus zu machen und neue Perspektiven zu finden). Ich habe nämlich ein völlig bescheuertes Studium begonnen, total leichtsinnig ohne groß nachzudenk
en, einfach weils praktisch war. Ich wollte eigentlich etwas mit Spra
rin angefangen. Inhaltlich war ich nun endlich bei meinen tiefsten Träumen und Sehnsüchten angekommen – ich habe nicht den Beruf Buchhändlerin gelernt, sondern ich hatte meine Berufung gefunden. Die Literatur und die Bücher hatten mich schon in meiner Kindheit immer geholfen und getröstet und mir Kraft gegeben – keine Ahnung, wieso ich da nicht früher drauf gekommen war. (Meine Kindheit war nicht schön, meine Eltern haben 10 Jahre im gleichen Haus gelebt und nicht miteiander gesprochen; meine Mutter auf 10 Jahre auf dem Sofa im Wohnzimmer geschlafen; sie war depressiv und hat zu uns Kindern gesagt, wenn sie uns nicht hätte, würde sie sich das Leben nehmen – da war ich vielleicht 12 oder so. Ich dachte, ich wäre für das Leben meiner Mutter verantwortlich. Als Jugendliche bin ich mir selbst gar nicht klar gekommen. Ich hatte Bulimie. Meine Mutter hat mir nur gesagt, wie enttäuscht sie von mir ist. Ich weiß, dass sie damals überfordert war und habe ihr verziehen – aber reden kö
nnen wir bis heute nicht darüber. Die Bulimie habe ich ganz allein überwunden, ohne jegliche Hilfe. Ich habe mein Leben in die Hand genommen

Also wie gesagt inhaltlich hatte ich nun meinen Beruf gefunden. Doch die Ausbildung an sich war der absolute Horror. In diesen zwei Jahren hab ich auch wieder ganz viel Selbstbewusstsein verloren und bin immer dicker und dicker und verzweifelter geworden. Die Buchhandlung war eine kleine inhabergeführte mit 2 Chefs. Vor Allem mit meiner Chefin bin ich überhaupt nicht zurecht gekommen. Und mein Chef stand voll unter ihrem Scheffel und war in ihrem Beisein genauso gemein. Es sind einfach unheimlich viele Gemeinheiten vorgekommen, die ich teilweise auch verdrängt habe, weil ich gar nicht mehr dran denken will. Ich war oft kurz davor, alles hinzuschmeißen, aber dann hätte ich nie wieder Buchhändlerin werden können (wenn man als Azubi kündigt, darf man den Beruf nicht mehr erlernen). Die Berufsschulzeiten haben mir sehr über diese Zeit hinweggeholfen.

Danach sind die allerschönsten Zeiten in meinem Leben angebrochen. Erst war es nochmal richtig hart, weil meine Beziehung in die Brüche ging, nach sieben größtenteils wunderschönen Jahren. Aber es war ein gutes und erwachsenes Ende, wir haben heute noch guten Kontakt zueinander. Und diese Zeit hab ich in meinem Herzen als einen schönen Teil meiner Vergangenheit gespeichert.
Ich bin dann das erste Mal berufstätig gewesen, bin in eine neue Stadt gezogen und war so glücklich. Ich bin morgens aus dem Bett gesprungen, ich habe meine Arbeit so geliebt. Dann hab ich noch angefangen, Sport zu treiben, hab fast 20 kg. abgenommen, hab total liebe Freunde kennengelernt, Hobbies gefunden, von denen ich nie dachte, dass ich das jemals machen würde (klettern z.B.). Mein Selbstbewusstsein ging steil nach oben. Und auch meine nicht so schöne Kindheit konnte ich nun mehr loslassen.

Doch nach ca. 4 Jahren wurde die Filiale geschlossen. Mittlerweile war es auch nicht mehr das, was man sich von diesem Beruf wünscht und erhofft. Es ging immer weniger um die Bücher, um Beratung und um die Menschen. Es ging nur noch um Umsatz, Effizient, … man musste sein Gehirn ausschalten, nichts durfte mehr indivdiuell aussehen, sondern alle Filialen mussten gleich aussehen und es gab immer mehr Deko-kram. So konnte ich meine Liebe zur Literatur und zu den Menschen nicht mehr ausleben. Da es auch kaum noch kleinere und individuellere Buchläden gibt (und man dort auch fast nichts verdient und keine Aufstiegschancen hat) und man in den großen Filialen nicht mehr Buchhändlerin ist, dachte ich bei der Schließung wieder positiv und dachte, es sollte so sein, das sehe ich als Chance. Mein Plan war, in eine Stadtbibliothek zu gehen, weil es dort wieder um die Bücher und um die Menschen, aber nicht um den Umsatz geht. Wie Pläne nunmal so sind, hat das natürlich nicht geklappt, es
gibt da so wenig Stellen. Also bin ich nun in 2 wissenschaftlichen Bibliotheken gelandet. Auch das war am Anfang ganz ok. Es war inhaltlich nicht die Erfüllung, aber ich dachte mir, ich kann ja weiter nach einer Stelle in einer Stadtbibliothek suchen. Und weil mir aber dennoch die Nähe zur Literatur sehr gefehlt hat, habe ich ein Fernstudium Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Literaturwissenschaft angefangen. Das war zwar nicht einfach, 40 h pro Woche zu arbeiten, 10-20 Stunden zu lernen, zum Sport zu gehen (den ich wegen meinem kaputten Rücken brauche), für meine Freunde und mein Patenkind da zu sein – aber so einigermaßen ging es gut. Und es hat mir Halt gegeben, eine dringend benötigte Perspektive und es war mein Traum, wenn ich das irgendwann fertig kriege, dann wollte ich für Kinder und Jugendliche eine Art Kulturwerkstatt machen – ich wollte Kindern und Jugendlichen, die bereichernde und tröstende Welt der Literatur zeigen. Ich dachte mir, das hat mich als Kind und J
ugendliche gerettet, dann möchte ich auch Kinder und Jugendliche rett

Nun habe ich vor 7 Monaten meinen Freund kennengelernt. Ich habe mich sehr in ihn verliebt. Leider trennen uns 280 km, und alle Umstände machen es uns so schwer, diese Beziehung so richtig zu genießen. Mein Freund ist seit 20 Jahren Rollstuhlfahrer. Er geht damit sehr optimistisch um, kommt bestens alleine zurecht, wohnt auch allein. Inzwischen habe ich aber auch herausgefunden, dass natürlich nicht immer alles so gut läuft, das ist ja auch verständlich, ich möchte da auch gern für ihn da sein. Leider ist er aber sehr, sehr verschlossen und ich weiß oft nicht so richtig, wie es ihm geht, was er denkt und fühlt, was er sich vorstellen kann und was nicht, was er will und was nicht.

Ich weiß, er braucht einfach sehr sehr viel Zeit, die möchte ich ihm auch sehr gerne geben. Doch oft habe ich das Gefühl, ich bin noch mehr allein, als vor unserer Beziehung. Ich bin gerne bereit, Nachteile in Kauf zu nehmen. Doch ich habe manchmal das Gefühl, alle Nachteile und aller Ballast sind nur auf meinen Schultern verteilt und wir können nicht so richtig darüber reden. Ich sage oft zu ihm, wir können zusammen alles schaffen. Doch manchmal hab ich den Eindruck, dass nur ich das überhaupt will.
Wie gesagt trennen uns 280 km. Eigentlich wollten wir beide keine Fernbeziehung, wir haben uns zufällig im Internet gefunden. Dazu kommt, dass wir uns die Wochenenden auch nicht so richtig aufteilen können, denn meine Wohnung ist nicht rollstuhlgerecht. So sind wir meistens bei ihm, bisher war er erst 4 mal hier und dann schlafen wir im Hotel, was natürlich auch nicht so gemütlich ist. Dann kann er auch nur für eine Nacht kommen, weil er alle 2 Tage ein „Date“ mit seiner Toilette hat, was mehrere Stunden dauert und wo er zu Hause sein will (ein typischen Problem bei Querschnittslähmung). Für all diese Dinge habe ich natürlich vollstes Verständnis. Aber ich glaube auch, dass es für manche Dinge Lösungen gäbe, die wir hinbekommen könnten. Doch wenn ich etwas anspreche, komme ich nicht an ihn ran. Zum Beispiel habe ich vorgeschlagen, dass ich mir doch eine rollstuhlgerechte Wohnung suchen könnte. Zuerst hat er da immer völlig abgeblockt. Mittlerweile sagt er zwar, ja ja, kann ic
h ja machen, aber so wirklich habe ich nicht das Gefühl, dass er das wirklich will. Irgendwann hat er mal gesagt, er will nicht, dass man sich wegen ihm Umstände macht. Darauf hin habe ich ganz lieb zu ihm gesagt, dass sind doch keine Umstände, es macht unsere Beziehung leichter – auch für mich – es sind nur Lösungsvorschläge und er kann mir sagen, was er für Bedenken hat.

Weil ich nun fast jedes Wochenende zu ihm fahre, habe ich auch mein Fernstudium aufgehört (ich will aber nur Pause machen, irgendwann möchte ich es soooo gerne weitermachen). Im Dezember war ich fast im BurnOut – ich habe 40 Stunden gearbeitet, habe versucht, wenigstens ca. 9-10 Stunden fürs Studium zu lernen und war fast jedes Wochenende unterwegs. Dann musste ich die Notbremse ziehen, denn es ging einfach nicht mehr. Mein Rücken tat auch wieder schlimmer weh, weil ich den Sport nicht mehr geschafft hab, auf der Arbeit habe ich mein Pensum nicht mehr geschafft.

Nun habe ich das Gefühl, ich stecke fest. Mit meinen beiden Arbeitsstellen stecke ich in einer Sackgasse, ich habe dort keine Entwicklungsmöglichkeiten, organisatorisch ist es schwierig (wenn ich z.B. Urlaub habe, mache ich Minusstunden, weil meine Soll-Arbeitsszeit anders ist, als meine Ist-Arbeitsszeit, eine Vertretung habe ich auch nicht, d.h. Urlaub muss ich nacharbeiten, die Berge wachsen, die Kommunikation ist schlecht – ich habe schon mehrere Anläufe unternommen, mit meiner Chefin zu reden – kurz, das will ich kein Jahr mehr so mitmachen – ich träume von der Arbeit und muss mich so zwingen, morgens motiviert aufzustehen). Ich bin nicht in Wiesbaden bei meinem Freund zu Hause und hier auch nicht mehr so richtig. Ich bin so selten in meiner Wohnung, dass ich den Balkon nicht schön habe, den Schreibtisch nicht aufgeräumt habe (Dinge, die ich zum Wohlfühlen einfach brauche), ich komme nur zu dem Nötigsten (Einkaufen, Wäsche), sehe meine Freunde nur noch selten, schaffe den
Sport kaum (1 mal in 2 Wochen – was bringt das?), lebe oft aus der gepackten Tasche. Ich kann mein Studium nicht weiter machen, wodurch die Entwicklungsmöglichkeiten wieder weg sind und was mir Kraft gegeben hat, meine nicht so erfüllende Arbeit auszuhalten (ich hatte ja mein Studium, was mich inhaltlich erfüllt hat).
Ich bin so unglücklich mit der Situation, wie sie gerade ist. Ich habe meinem Schatz geschrieben, wie es mir gerade geht. Ich habe es ganz vorsichtig und ohne Druck geschrieben. Er hat mal gesagt, er denkt, dass ich immer etwas bestimmtes erwarte, deswegen habe ich alle Erwartungshaltung rausgenommen. Ich habe ihn um Rat gefragt, was ich machen soll, ob ich mir hier einen neuen Job suchen soll oder ob es auch eine Option wäre, irgendwann zu ihm nach Wiesbaden zu ziehen. Ich hab extra dazu geschrieben, dass ich nichts bestimmtes hören möchte, sondern mich seine ganz ehrliche Meinung dazu interessiert, dass ich es auch verstehe, wenn ich nicht oder noch nicht nach Wiesbaden kommen soll, dass wir jede Variante hinbekommen. Dass ich mich aber grad sehr unwohl fühle und gern von der Arbeit weg möchte. Er hat zwar geantwortet, dass er merkt, dass ich mich damit grad nicht wohlfühle, aber diese Fragen hat er völlig ignoriert.
Vielleicht denkt er halt doch wieder, dass ich erwarte, dass er sagt, ich soll nach Wiesbaden kommen. Das erwarte ich aber nicht. Wenn er sagt, dass geht ihm zu schnell, ich soll mir hier eine Arbeit suchen, könnte ich auch damit leben, dann wüsste ich wenigstens mehr, woran ich bin. Aber vielleicht denkt er dass ja auch nicht, das weiß ich eben nicht, ich weiß gar nicht, was er denkt und will. Und wenn ich ihn direkt frage, blockt er ab, lacht unsicher und nickt. Sagt aber nicht hüh und nicht hott. Ich steh mit allem in der Luft. Irgendwann möchte ich auch Familie und Kinder haben, doch das darf ich jetzt noch nicht mal denken, ist ja auch wirklich noch ziemlich früh. Doch so ganz unkret darüber sprechen würde ich manchmal schon gern. Mein Freund ist 10 Jahre älter als ich, also 41 und durch seine Behinderung wird es eh schwierig, wenn es irgendwann mal um das Thema Kinder kriegen gehen sollte. Deswegen würde ich es so gern wenigstens mal ganz unkonkret ansprechen. Doch er f
ühlt sich ja schon unter Druck, wenn ich von einer Wohnung für mich spreche, in der er mich besuchen kommen könnte.

Das klingt jetzt vielleicht alles sehr negativ in Bezug auf unsere Beziehung. Aber es ist auch wunderschön. Zum Beispiel bin ich öfter schon mehr an ihn ran gekommen und er hat etwas persönlicheres erzählt. Oder zum 6-monatigen hat er mir eine Kette mit Herzchenanhänger geschenkt oder er ist mit zu meiner Familie nach Thüringen gefahren – dann denke ich immer, das würde er doch nicht tun, wenn er sich gar keine Beziehung mit mir vorstellen könnte. Er hat aber auch schon gesagt, dass wir so unterschiedlich sind, und er z.B. gerne fernsieht und ich gern lese. Das ist aber so ein banales Beispiel – so viel lese ich gar nicht; und ich sehe auch gern mal mit ihm Film, und ich hätte auch nie etwas dagegen, wenn er computerspielt oder fernsieht – das finde ich sogar schön, wenn man auch mal solche Dinge getrennt macht. Doch zu diesem Argument hat er wieder nichts mehr gesagt. Wir haben auch viel gemeinsam, wir machen uns beide viele Gedanken, gehen gern ins Theater und ins Kino, geh
en gern essen, kochen gern zusammen, und und und
Doch oft befürchte ich, er sieht mehr Dinge, in denen wir unterschiedlich sind und ist noch am Zweifeln und „Testen“. Auch hier kann ich mich wieder täuschen – er sagt es ja nicht oder kaum – das ist ein ständiges Rätselraten.

Man kann auch wirklich mit mir reden, z.B. hab ich ihm gesagt, dass er mir ruhig sagen kann, wenn er denkt, ich habe wieder Erwartungshaltungen, dann kann ich ja auch was dran ändern, wenn es manchmal unbewusst so ist, oder ich kann auch sagen, nee, grad täuscht du dich oder erklären, wie es wirklich ist. Oder über eine Freundin von ihm habe ich erfahren, dass er es hasst zu telefonieren. Ich hatte mich schon immer gewundert, weil ich sich wirklich nie gemeldet hat. Da hab ich zu ihm gesagt, wir können doch über alles reden und einen Kompromiss finden. Dann telefonieren wir eben nur einmal pro Woche, damit wir wissen, wie es uns geht und wie die Woche so ist und dafür eben nur kurz. Das fällt mir auch nicht so leicht, am liebsten würde ich 3 mal am Tag telefonieren, aber ich denke eben immer, dann muss man eben Kompromisse finden, das wiederum ist aber nur möglich, wenn man überhaupt weiß, was der andere will oder nicht will.

Bitte entschuldigt, dass die Mail wieder so ewig lang geworden ist. Vielleicht könnt ihr mir helfen, einen neuen Gedankenansatz zu finden und irgendwie aus dieser Sackgasse rauszukommen. Manchmal bin ich psychisch so am Ende, dass ich schon überlegt habe, zu einem Psychologen zu gehen. Doch dann bin ich ja auch wieder fröhlich und optimistisch, aber diese Sorgen und Gedanken kommen eben immer wieder. Und ich denke, das hört erst auf, wenn ich eine grundlegende Änderung gefunden hab.

Vielen Dank für Eure Hilfe.

Viele Grüße
Kathrin

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Kathrin,

Deine Zuschriften an uns sind nicht verloren gegangen und auch nicht unbemerkt geblieben. Gerne würde ich Dir nicht nur diese, sondern auch Deine nachfolgende Zuschrift beantworten. Will aber auch das nochmals lesen und verstehen, was Dich schon vorher hierhin auf unsere Seite gebracht hat.
Bitte habe noch ein wenig Geduld mit uns!

Alles Liebe,

Bernd