Problem von Anonym - 22 Jahre

Wütend ohne Ende

Hallo liebes Kk-Team,

ich schreibe euch, weil ich gerade richtig geladen bin. Das Hauptproblem sind ich und mein Vater.

Heute hatte ich wieder einen anstrengenden Tag, bin so gegen halb 6 aufgestanden und war dann von 7-14 uhr mit den Uni-Sachen beschäftigt, dann 3 Stunden nachhilfe geben und noch mal bis etwa 23 Uhr anner Uni. Dann bin ich nach Hause gefahren, so gegen Mitternacht angekommen. Ich war im Eimer und dummer weise ist mir eine Plastik Flasche aus der Jacke gefallen (leer). Das hat dann ein lautes Geräusch gegeben. Und mein Vater hat das dann natürlich gehört und die Gelegenheit genutzt, um seine Zeit (die er anscheinend nicht sinnvoll füllen kann) damit zu verbringen, wieder mit mir rum zu streiten. Dann durfte ich mir heute um Mitternacht das Gekeife anhören, ein Wunder dass meine beiden Brüder nicht wach geworden sind. Es ging um mein (zugegebener maßen wirklich) unaufgeräumtes Zimmer. Obwohl ich mein Zimmer so wie es ist gar nicht sooo unaufgeräumt finde, ist mein Vater da sehr empfindlich. Und da mein Vater generell gerne meckert, durfte ich mir eben auch nach einer 17-Stunden-Tortur dieses Gemecker reinziehn. Mein Vater nimmt da keine Rücksicht, der hört einem dann auch nicht zu wenn man sagt "ich hab da jetzt keinen Bock drauf". Im Gegenteil: wenn ich morgens früh losfahre (manchmal mache ich mich schon um 6 uhr morgens auf den Weg) darf ich mir noch das Gemotze anhören, wenn mein Vater gerade aus dem Bett fällt und sieht, dass sein Sohn "früher aufgestanden ist" / ihn übertrumpft hat. Immer wenn mein Vater und ich aufeinander treffen gibt es nur negative Kommentare. Auch zu allem was ich mache:

*Greenpeace: ist ne grüne Bande
*Studium: ich bin ja verrückt

bald bekomme ich einen Stundenten-Job, wo ich ein Programmierpraktikum betreuen darf, weil meine Info-Klausur eine 1,3 geworden ist. Was macht mein vadda ?
Vor der Klausur: dumme Kommentare, ich würde ja viiiel zu viel lernen und Witze darüber, dass ich meine Sorge um ein schlechtes Klausur-Ergebnis und den Hiwi-Job geäußert habe (ausgelacht hat er mich). Nach der Klausur: kein Lob, nein, da werde ich noch schlecht gemacht. Da wird dann behauptet, dass ich ja den Job eh nicht bekomme, so wie ich aussähe. Und dass es auch sein kann, dass andere ein besseres Ergebnis haben (ach, auf einmal ist die Note also doch extrem wichtig). Boah ich bin so geladen, das ist wie mit einem Kleinkind.
Und das deutet alles darauf hin, dass mein Vater mir einfach keine Erfolge gönnt. Er ist neidisch, weil er damals sein Studium nicht geschafft hat. Er gönnt mir nicht, dass ich mich für meine Ziele einsetze und Arbeit reinstecke. Er will mir allen Ehrgeiz nehmen, so dass ich nur rum gammel und nix zustande bekomme. Mein Vater hat mittlerweile Erfolg. Mein Vater weiß: ohne Fleiß keinen Preis. Doch mir sagt er das Gegenteil und motzt noch rum wenn ich was mache, er will nicht dass ich arbeit in mein Leben stecke. Und daraus schließe ich:

Er gönnt mir keinen Erfolg (weder bei Greenpeace noch im Studium), weil er sich in Konkurrenz fühlt. Immerhin hat er sein Studium damals abbrechen müssen und ist in der Kirche ehrenamtlich aktiv. Da kann ich durchaus verstehen, dass ein Vater sich von seinem Sohn in die Mangel genommen fühlt.

Gut, ich gebe es zu, mein Zimmer ist wirklich relativ un-aufgeräumt. Ordnung war halt auch noch nie mein Ding. Aber ich versuche wirklich vieles, um mich im Studium und privat voran zu bringen (auch was Jobs angeht). Ich habe unheimlich viel Energie da reingesteckt, und ich finde dass man das auch sehen muss.

Und am meisten regt es mich auf, dass mein Vater das alles macht, und nicht mal Dankbarkeit zeigt, obwohl ich extra damit er und seine Frau in den Urlaub können, auf meinen kleinen Bruder aufgepasst hab eine Woche lang. Dafür musste ich sogar ein Programmier-Praktikum ausfallen lassen. Dadurch ist meine Chance auf meinen Hiwi-Job natürlich auch wieder gesunken, aber ich hoffe dass ich ihn trotzdem noch bekomme, auch wenn mein Vater es mir nicht gönnt (und nur zu gerne sieht, wenn sich meine Chance verringert!!!). Und mein Vater ist jetzt schon zum 3. Mal in Folge in den Urlaub gefahren. Mein letzter Urlaub ist schon 5 Jahre her. Aber ich darf nicht in den Urlaub, ich darf mir nichts gönnen. Nichtmal ein Schokopudding, den ich selbst bezahlt habe, ist mir gegönnt (den hat mein vadda mir heute nacht bei dem Streit aus der Hand gerissen, zum Glück hab ich ihn mir wieder geholt als mein Vater dann ins Bett gegangen ist). Jetzt beim zweiten Lesen wird mir erst klar, wie kindisch das ist. Das mein vadda meint, mit zwei Schoko-Puddings einen großen Aufstand machen zu können.

Mein Vater denkt höchstwahrscheinlich, dass so ein phlegmatischer Puma wie ich es bin(Ironie, aber der Wunschtraum meines Vaters) keinen Urlaub verdient hat. Nein, Urlaub haben nur die Leute verdient, die so sind wie er: ehrgeizig und erfolgreich. Aber ich weiß, dass dahinter auch eine Angst mit Neid steckt: mein Sohn übertrumpft mich, er ist "besser" als ich. Und wisst ihr was ? Ich bin froh, dass meine Informatik-Prüfung so gut geworden ist trotz dem Theater meines Vaters. Ich gönne es ihm so richtig, dass er darauf neidisch ist und es ergötzt mich, ihm und mir gezeigt zu haben, dass ich meine Erfolge habe, auch wenn er nicht damit einverstanden ist und sich querstellt.

Wenn es mir mit meinem Vater und seinen Kommentaren zu bunt wird, ignoriere ich ihn mittlerweile einfach und gehe wortlos aus dem Haus (da meine Erfahrung: reden hilft nicht, er hört nimmer zu und hat nur sein eigenen Kopf). Das klappt zwar nicht immer, aber damit zeige ich Souveränität und lasse ihn mit seinen dummen Sprüchen ins Leere laufen. Trotzdem bin ich mit seinem Verhalten sehr unzufrieden, weil ich fürchte, dass da auch Missgunst hinter steckt.

Ausziehen wird mit Sicherheit ein großer Schritt für mich, da ich a) das finanziell stemmen muss und b) zugegebener Maßen relativ unselbstständig bin, wenn es nicht um Greenpeace, Studium oder Jobben geht.

Was sagt ihr dazu ? Fällt euch noch was ein, was man da machen könnte ? Weiterhin ignorieren und aushalten ?

LG und Danke im Voraus

Jasmin Anwort von Jasmin

Hallo lieber Unbekannter,

wie ich aus deinem Text herauslesen kann, liegt dir doch viel daran, das Verhältnis mit deinem Vater zu klären. Ich denke es ist für die eigene Entwicklung essentiell, dass man sich vom eigenen Elternteil verstanden fühlt.
Das Gefühl, dass an einen geglaubt wird, ermöglicht es in Zeiten des Zweifels an seinem Tun doch weiterzumachen und das Beste immer wieder aus sich heraus zu holen.
Ich finde es wirklich bewundernswert, dass du derart erfolgreich bist in deiner Karrierelaufbahn, obwohl dein Vater in diesem Sinne eine große Hürde darstellt.

Meines Erachtens ist diese ständige "Nörgelei" seitens deines Vaters lediglich ein Symptom seiner eigenen Unzufriedenheit, wie du so ausführlich in deinem Text auch schon dargestellt hast.
Er zählt dir auf, worin du im Leben nicht perfekt bist (was kein Mensch der Welt ist), um sein eigenes Minderwertigkeitsgefühl auf dich zu projizieren - so erscheint es mir jedenfalls.

Ich denke, das was du jetzt tun solltest, ist davon abhängig, was dich auf lange Sicht weniger belastet. Kannst du es weiterhin ertragen, dass dein Vater derart mit dir umgeht? Oder möchtest du lieber ausziehen und die Vorteile bzw. auch Nachteile einer eigenen Wohnung in Kauf nehmen? Dich deiner beschriebenen "Unselbständigkeit im häuslichen Bereich" stellen?

Ich selbst bin mit 16 Jahren schon von zu Hause ausgezogen um dem Streit mit meiner Mutter damals zu entfliehen und habe mich in das Abenteuer "Alleine wohnen" gestürzt. Es war das Beste was ich damals tun konnte, denn die Gespräche mit meiner Mutter (wir waren auch in Familientherapie) haben zu nichts geführt mit dem ich glücklich war. Ich habe es nicht bereut nicht mehr zu Hause zu wohnen, auch wenn das bedeutet sein Leben selbst du managen und zu 100% für sich selbst Verantwortung zu tragen.

Ich hoffe ich konnte dir etwas weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Jasmin