Problem von Kathrin - 31 Jahre

an Bernd/Antwort auf die Mail vom 9.6.

Liebe Kathrin,

Deine Zuschriften an uns sind nicht verloren gegangen und auch nicht unbemerkt geblieben. Gerne würde ich Dir nicht nur diese, sondern auch Deine nachfolgende Zuschrift beantworten. Will aber auch das nochmals lesen und verstehen, was Dich schon vorher hierhin auf unsere Seite gebracht hat.
Bitte habe noch ein wenig Geduld mit uns!

Alles Liebe,

Bernd

Lieber Bernd,
ich habe mal Deine Antwort zu Anfang gestellt, damit Du es vielleicht leichter zuordnen kannst.
Erst mal ganz ganz herzlichen Dank, dass Du Dir diese Mühe machst, meine ganzen ellenlangen Mails und Gedankenwirrwarr zu lesen. Und auch gleich eine kleine Bitte vornweg. Lass Dir damit bitte alle Zeit, das scheint mir eh immer mehr eine Geschichte zu werden, bei der ich selbst sehr viel Geduld brauchen werde und außerdem gibt es hier im Kummerkasten so viele schlimmere und eiligere Probleme. Nimm die zuerst, die haben es ganz bestimmt nötiger. Ich habe immer wieder so viel Hochachtung, dass ihr euch so vielen Problemen annehmt und die Zeit dafür findet.

Ich will Dir nun nur noch kurz den Fortgang meiner Geschichte schildern und versuche, mich auch nicht wieder allzu lang zu fassen. Aber bitte leg diese Mail ruhig erst mal zur Seite.

Ich weiß gar nicht mehr so genau, mit welchem Stand ich bei der letzten Mail aufgehört habe. Inzwischen habe ich aber gemerkt, dass ich mit meiner Theorie bei meinem Thorsten nicht so falsch liege, dass er eine Schutzmauer um sein Herz gebaut hat und nur sehr schwer jemanden an sich ran lässt. Er blockt alle negativen Gefühle und Gedanken ab und weist sie weit von sich und deswegen kommen auch die positiven und schönen Seiten nicht so richtig an ihn ran, deswegen ist er oft so abweisend und kann sich gar nicht auf uns einlassen.

Neulich am Telefon haben wir das erste Mal so richtig gut reden können, es ist irgendwie so aus uns rausgebrochen. Da hab ich ihm ganz lieb alles genauso gesagt, wie ich es grad oben geschrieben habe. Ich habe ihm keine Vorwürfe oder so gemacht, sondern gesagt, dass mein Eindruck ist, dass er es irgendwie anders möchte und so eine Mauer um sich gebaut hat. Und da hat er ganz leise drauf geantwortet „Das hat doch auch seinen Grund.“ So, wie er das gesagt hat, dass hat mir wirklich die Tränen in die Augen getrieben, teils weil ich seinen Schmerz gespürt hab, teils aber auch vor Erleichterung, dass er sein Herz mal so einen winzigen kleinen Spalt aufgemacht hat.
Er hat gesagt, er kann mir einfach nicht sagen, was los ist und was er will, weil er es selbst nicht so genau weiß. Er weiß nicht, was nicht stimmt, ob die Chemie zwischen und nicht stimmt. Er denkt da sehr viel drüber nach. Und wenn er sich vorstellt, dass ich nicht mehr in seinem Leben bin, weiß er genau, dass er das bereuen würde. Er will auch mal später nicht allein sein und wünscht sich eigentlich eine Familie. Und er hat gesagt, wenn er mich nicht so gern hätte, hätte er schon längst Schluss gemacht und dass ich immer so lieb zu ihm bin. Er hat gesagt, er hat immer ein schlechtes Gewissen, wenn wir zusammen sind, weil er denkt, er kann mir nicht die Nähe geben, die ich brauche.

Ich habe zu ihm gesagt, er soll sich Zeit lassen, soll aber auch mal ein bisschen drüber nachdenken, auch wenn es schwierig ist. Er soll insgesamt erst mal nach sich schauen, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen, denn darauf baut alles auf. Als erstes sollte er halt dringend wegen seinem Dauerinfekt gehen. Er hat seit August ständig Harnwegsinfekte und nimmt fast ununterbrochen Antibiotika und eigentlich will er zum Spezialisten und schiebt es immer wieder auf, weil er immer wieder Ausreden sich selbst gegenüber hat „Im Moment geht es ihm ja grad gut, ist also alles in Ordnung“ „Der Infekt muss ja nicht wieder kommen“ dann kommt er wieder, eine oder zwei Wochen später und er hat Fieber „Im Moment geht’s mir da zu schlecht, erst muss das Fieber wieder weg sein“ … ein Teufelskreislauf. Und als ich ihm gesagt hab, tu jetzt was dagegen, diese Geschichte löst sich nicht in Luft auf und irgendwann hast du schlimme Folgenschäden (es können wirklich schlimme Nierenschäden entstehen) und dann bereust du es und es ist noch viel schwieriger, als jetzt danach zu gehen. Dann sagt er ja auch „Ich weiß, Du hast ja Recht“ .. und dann blockt er wieder ab …

Vor einiger Zeit hat er mal so ganz kurz zu mir gesagt, er ist irgendwie unzufrieden mit sich selbst, weiß auch nicht so genau warum und es ist so anstrengend, darüber nachzudenken. Dann gehen die Mauern wieder zu und er ist wieder oberflächlich fröhlich und auch bisschen abweisend, so zugeknöpft halt.

Meiner Meinung nach bräuchte er mal psychologische Unterstützung, die ihm mal helfen würde, Verdrängtes zu verarbeiten und seine Gedanken mal zu sortieren. Doch damit will ich ihm jetzt auch nicht gleich kommen, damit er nicht gleich wieder total abblockt. Es ist immer so schwierig, den richtigen Mittelweg zu finden, ihn sanft ein bisschen aus der Reserve zu locken und dann auch wieder in Ruhe zu lassen.

Und dann auch an mich zu denken. Das habe ich jetzt verstärkt gemacht, denn es bringt ihm ja auch nichts, wenn ich nicht mehr kann und keine Energie mehr habe. Ich bin jetzt öfter mal ein Wochenende wieder bei mir in Reutlingen geblieben, habe mal wieder Freunde eingeladen und das Laufen wieder langsam angefangen.

Das war längst nicht alles, es gäbe noch viel mehr zu schreiben. Doch ich danke Dir, dass Du mir soweit folgst und vielleicht hast Du einen Gedankenanstupser für mich.
Ganz liebe Grüße und Danke,
Kathrin

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Kathrin.

Danke für Deine Geduld!

Das mit der "Mauer" die Dein Thorsten um sich herum baut, ist mir auch bald in den Sinn gekommen!
Es ist ja auch ein Prinzip, das 100 %-ig funktioniert:

Je weniger ich (von meinem Partner) erwarte, um so weniger kann ich enttäuscht werden!
Also mache ich es mir zum Prinzip, nichts zu erwarten!
Genial! :-(

Und dann tritt ein Mensch wie Du in unser Leben: der gibt und nichts verlangt!

Schon ist es aus mit der Genialität!
Wenn uns etwas wiederfährt, von dem wir glauben, dass uns dieses Glück nicht wirklich zusteht!

Aber wie schütze ich mich dann vor der Enttäuschung, die ich doch erwarten muß (weil ich sie erwarte)?

Ich provoziere sie! Die Enttäuschung!

Da gibt es wohl sehr viele Strategien, die zu diesem unseligen Ziel führen:

Zuerst werfe ich dem Partner vor, dass er eine "Erwartungshaltung" hat, die mich überfordert!

Dass ich den Partner damit "mundtod" mache, erweitert meine Möglichkeiten und lässt den Partner schweigen (außer, er setzt sich nochmal meinem Vorwurf aus).
Meine Möglichkeiten? Ist ein wenig zu positiv ausgedrückt!
Weil ich diese Möglichkeiten ja nur durch "Zuwarten" destruktiv nutzen werde!

Am Ende steht:

Wenn ich die Partnerschaft dann so zerstört habe, kann ich sagen: "ich war es nicht wert!"
Oder ich werde mich in der Gewissheit suhlen: "siehst Du! Habe ich doch gleich gewußt, dass es nicht klappen kann!"

Dein Thorsten scheint mir, auf so einem "Trip" zu sein.

Und eines finde ich - obwohl es ihm nicht bewußt zu sein scheint - so unendlich gemein Dir gegenüber:

Du wirst Dich aufopfern und er wird Dir das niemals danken können, weil er in seiner Strategie befangen, Dir doch die Unmöglichkeit Deiner Bemühungen beweisen muß.

Liebe Kathrin,

eine gemeinsame Zukunft werdet ihr wohl nur haben können, wenn ihr es sehr bald schafft, zu euren beiden Lebenszielen einen gemeinsamen Nenner zu finden!
Und das dann sehr konsequent gemeinsam umzusetzen!

Wenn das nicht möglich ist, wird Dich Deine Liebe in das größte Loch reißen, dass Du bislang durchlitten hast! Weil Dir dann nicht nur die Liebe fehlen wird, die nicht erfüllt werden konnte, sondern auch alles, was Du bis dahin auf dem Altar dieser Deiner Liebe an eigenem Lebensinhalt geopfert haben wirst!

Bitte, liebe Kathrin, lasse Dich durch Thorsten nicht hinhalten und nicht mit irgendwelchen Ausflüchten abspeisen!
Du hast ein Recht darauf, dass er mit Dir eine gemeinsame Perspektive erarbeitet! Oder sich aus Deinem Leben heraushält!

Vielleicht solltest Du ihm eine Partnerberatung als ersten Schritt zu einem besseren gegenseitigen Verständniss vorschlagen? Wenn Du es als für Dich richtig empfindest: bestehe auch darauf!

Es darf nicht sein, dass Du ihm dauernd "Zeit gibst", die Dir selbst doch schon jetzt fehlt, um "Du selbst" zu sein!

Es gibt den blöden Spruch: lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende!

Du wirst für Dich selber entscheiden müssen, wie lange Du Deinem verstockten Thorsten Zeit gibst!
Wahrscheinlich hast Du die Schwerpunkte in Deinem Leben schon längst verschoben!

Bitte siehe das, was ich Dir jetzt schreibe nicht falsch!

Siehe Deinen Thorsten auch wenn Du ihn verlassen musst nicht anders, als zu der Zeit, als Du Dich in ihn verliebt hast!
Du hast ihn als Menschen zu lieben gelernt!
Er ist dabei, Deine Liebe zu zerstören!

Wenn Du ihn verlassen mußt, wirst Du den gleichen Menschen verlassen!

Und nichts darf Dir dann das Gefühl eingeben, dass es etwas Anders ist, weil er Querschnittsgelähmt ist!

Bitte! Mache Deinen Entschluß, ihn zu verlassen nicht von anderen Kriterien abhängig, als von denen, die Dich seinerzeit zu ihm geführt haben!

Ich wünsche Euch beiden die Kraft, zueinander zu finden!

Ich wünsche Dir die Kraft, notfalls auch loszulassen, wenn Du merkst, dass er Dich in die Tiefe zieht!

Und ich wünsche Dir das Gespür und den Mut dazu, Dich früh genug und zuerst für Dich selbst zu entscheiden!

Weil Du schon so unsagbar viel gegeben hast! Mehr darf kein Mensch erwarten!

Alles Liebe,

Bernd