Problem von Julia - 18 Jahre

Ich erkenne meinen Vater nicht mehr

Hallo,ihr Lieben!
Ich wende mich an euch,weil ich einfach nicht mehr weiter weiß Es geht sich um meinen Vater, der sich vor ca 15Jahren von meiner Mutter getrennt hat (bin jetzt 18). Ich habe meinen Vater immer abgöttisch geliebt, selbst jetzt noch, nachdem er mir so viel angetan hat. Er hat jetzt eine ''neue Familie'' - zwei weitere Kinder und meine Stiefmutter. Von meiner Stiefmutter wurde ich schon immer wie Abfall behandelt,zumindest,als ich klein war. Wenn ich mal bei meinem Papa war, hat sie immer behauptet,ich habe sie beleidigt, damit ich immer Ärger von ihm bekam. Seine zwei Kinder (12 und 6) scheinen nicht einmal zu wissen, wer ich bin. Immer die Frage ''Warum nennst du meinen Papa eigentlich immer Papa?'' tut einfach nur weh. Ich war damals sein ein und alles, genau wie er es für mich war und weiterhin ist - bis meine Stiefmutter halt kam. 2009 ist mein bester Freund und mein Opa gestorben - zwei unfassbar wichtige Menschen für mich. Ich habe sehr darunter gelitten, das wusste er auch. Vor kurzem hat meine Mutter mir einen Brief von ihm gezeigt, den er mir kurz danach geschrieben hat: ''Hallo Julia, tut mir Leid,was passiert ist. Manchmal kann es auch ein Fehler sein, sich derart an Menschen zu hängen...irgendwann ist jeder mal weg. Du schaffst das,dein Papa.'' - seitdem ich diesen Brief gelesen habe, komm' ich gar nicht mehr klar. Wie kann man so emotionslos und kaltherzig sein? Dazu kommen noch die Tatsachen, dass er ständig meinen Geburtstag vergisst, unsere halbjärhigen (wenn überhaupt) Treffen wegen Nichtigkeiten verschiebt (z.B. weil er mit SEINER Familie in den Zoo gehen möchte ;) ) und dass er mich, seine eigene Tochter, nicht erkennt ( hab' am Bahnhof auf ihn gewartet und ihn umarmt als er mich abgeholt hat. Er hat seine Frau nur entgeistert angeguckt,meine Frage,wie es ihm ginge ignoriert und sie gefragt ''Schatz,hast du Julia schon gesehen? Die müsste doch eigentlich schon da sein!''
Ich hatte die ganzen letzten Monate irgendwie nie richtig Zeit,über all das mal richtig nachzudenken und hab's generell die vergangenen Jahre nur verdrängt. Aber jetzt kommt's alles doppelt und dreifach hoch. Ich habe für nichts undniemanden mehr einen Kopf, jeden Tag geht's mir einfach nur mieserabel. Ich hab' noch nie so viel geweint und kannte dieses Ausmaß an Sehnsucht und Enttäuschung gar nicht. Mir geht's sogar so schlecht, dass ich nicht weiß, wie ich mit meinem Freund weiter zusammen sein kann, weil ich jedes Mal darauf achten muss,dass ich meine Launen an ihm nicht auslasse. Selbst die Beziehung zu ihm wird mir einfach zu viel,obwohl er mir so wichtig ist. Ich hab' das Gefühl,dass ich diese nahen Kontakte momentan nicht ertrage und einfach nur noch Zeit für mich brauche, um die Sache auch nur ansatzweise verarbeiten zu können.
Bitte helft mir...

Dana Anwort von Dana

Liebe Julia,

als ich deinen Text gelesen habe, hat mein Herz richtig geschmerzt. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein Elternteil so verantwortungs- und lieblos mit einem Kind umgeht. Das ist seelisch grausam und eigentlich schon fast seelischer Missbrauch.

Ich möchte, dass du genau darüber nachdenkst, was dich traurig macht. Und du wirst zu dem Schluss kommen, dass alles, was mit deinem Vater irgendwie zu tun hat, das ist, was dich traurig macht. Seine blöde Art, dass du ihm nicht mehr wichtig bist, dass er ein neues Leben hat, in dem du anscheinend keine Rolle mehr spielst, dass er dich vernachlässigt, dass seine Familie dich nicht integriert...dies alles macht dich unglaublich traurig.

Ich kann dir nur raten, hier erstmal wirklich einen Strich zu ziehen, rein zum Selbstschutz. Informiere deinen Vater, dass du die nächste Zeit keinen Kontakt zu ihm möchtest (wahrscheinlich wird er das nichtmal schlimm finden, aber darum geht es nicht, es geht um dich) und dann konzentriere dich auf das, was du hast. Deine Mutter, deine Freunde, deinen Freund. Menschen, die dich mögen und lieben. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber Zurückgewiesene haben oft so einen "masochistischen Zug" an sich, dass sie immer wieder auf Zuwendung warten und diese erhoffen, sie aber nicht eintritt. Dadurch erhältst du Schlag um Schlag, dein Selbstwertgefühl wird immer weiter in den Boden gerammt.

Schau, du fängst ja schon an, dich emotional abzuschotten, die wichtigsten Menschen in deinem Leben auszugrenzen. Das ist gerade falsch herum! Grenze den aus, der dir weh tut und lass alle die hinein, die dir gut tun! Sag STOPP, NICHT WEITER!! und schicke deinen Vater innerlich weg. Er tut dir momentan nicht gut und du brauchst erstmal Zeit, dich zu ordnen. Du bist ein wertvoller Mensch, Julia. Du hast Menschen, die dich lieben, um dich. Du bist du, mit deinen Fähigkeiten, deinen Stärken und deinen Schwächen. Nur weil dein Vater eine neue Familie wollte und nun meint, seine alte Welt auf diese Weise total hinter sich lassen zu müssen, heißt das nicht, dass du der Grund allen Übels bist. Dein Vater macht schwere Fehler, ER ist der, der hier Mist baut. Und das gilt es zu erkennen und erstmal wirklich Abstand zu nehmen.

Zudem würde ich dir gerne zu einer Therapie raten. Diese Vernachlässigung traumatisiert auch gerne, du merkst es ja selbst, dass du beginnst, Menschen einfach nicht mehr an dich ranzulassen. Lass es nicht zu, dass dein Vater auch in deinem jetzigen Leben so viel Macht über dich hat! Mach nicht den Fehler, dich von deinem Freund zu trennen, vielmehr offenbare dich ihm! Er liebt dich, er wird dir sicher helfen! Lass ihn nicht hilflos und ratlos zurück.

In einer Therapie könntest du das aufarbeiten und lernen, im Alltag diesen "seelischen Attacken" entgegen zu treten. Wenn die Bilder kommen, die Trauer kommt...das alles muss aufgefangen werden und du musst wissen, wie du das kannst. Das können Laien dir nicht sagen, das kannst auch du nicht aus eigener Kraft, das merkst du ja selbst. Suche dir bitte eine Therapeutin (kann auch männlich sein, je nachdem, wie du das möchtest) und mach eine Therapie. Du kannst verschiedene Therapeuten aufsuchen und einen Ersttermin machen. Das kostet dich nichts, außer vielleicht die 10 Euro Praxisgebühr und du kannst sehen, wer zu dir passt. Google zeigt dir die Adressen und Telefonnummern, wenn du nach "Psychotherapie" und deinem Wohnort suchst. Schau, dass die Psychologen und Therapeuten eine Kassenzulassung haben.

Wenn du dich davor scheust, obwohl ich dir das wirklich raten würde, kannst du auch die Telefonseelsorge nutzen:
Telefon 0800 111 0 111 (evangelisch)
oder 0800-111 0 222 (katholisch)
Internet: www.telefonseelsorge.de

Es ist auch egal, ob du evangelisch oder katholisch bist, die helfen dir trotzdem. Ich denke aber, eine Therapie auf längere Sicht wäre einfach erfolgversprechender. Du könntest wieder mehr entspannen, hättest Hilfe im Alltag und das Problem würde nicht mehr nur alleine auf deinen Schultern lasten, was ungemein erleichtert. Dazu noch ein geschultes Ohr...das ist wirklich nicht zu unterschätzen. Ich kann es dir wirklich nur raten.

Liebe Julia, gib dich bitte nicht auf. Keiner hat das Recht, einen Menschen emotional so zu "missbrauchen" und ihm solchen Schaden zuzufügen. Ganz gleich, wie deine Gefühle zu deinem Vater sind, egal, wie er reagiert, nimm dir eine Auszeit von ihm, damit du gesunden kannst. Du bist es wert!

Alles Liebe und viel Erfolg in deinem weiteren Leben!

Dana