Problem von Jen - 18 Jahre

Aussage vor Gericht

Hallo liebes Kummerkasten Team,

Ich soll vor Gericht gegen meinen Vater aussagen, weil er eine Straftat begangen hat.
Ich weiß, dass ich die Aussage verweigern kann, möchte aber etwas erklären.
Meine Eltern sind seit Jahren getrennt, ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen und gemeinsam sind wir zur Polizei weil wir dort beide eine Aussage gemacht haben.
Nun rückt der Gerichtstermin immer näher und ich habe panische Angst davor.
Was ich mache, ob ich dort nun Aussage oder nicht weiß ich nicht, immerhin ist es mein Vater, auf der anderen Seite, er ist seit ich denken kann Alkoholiker und dass was er getan hat ist unverzeihlich.
Dennoch ist er ja mein Vater, ich weiß einfach nicht was ich tun sol, ich bin wahnsinnig verzweifelt weil ich Angst habe ihn im Gefängnis besuchen zu müssen.
Auch habe ich Angst, meine Mutter muss die Aussage machen, weil sie nicht miteinander verwandt sind, meine Mutter und ich haben ein super Verhältnis, ich habe Angst meine Mutter wird jenachdem wie der Verteidiger ist dort sicherlich fertig gemacht.
Das ist Nervenaufreibend genug, wir beide halten immer zusammen und reden auch viel, gerade über den Termin auch, aber wie kann ich ihr versuchen noch mehr halt zu geben?

LG
Jen

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Jen,

Vielleicht hilft es Dir und Deiner Mutter ja, wenn ihr beide euch klar macht, dass Dein Vater verhindern kann, dass ihr aussagen müßt!
Er kann ein Geständnis ablegen!
Du sagst, dass er etwas Unverzeihliches getan hat!
Und wenn er Rücksicht auf euch nehmen will oder wenn er gar bereut, was er getan hat, dann wird er dieses Geständnis ablegen!

Und wenn er nicht zu euch und nicht zu seiner Tat steht, wüßte ich nicht, was euch beide hindern sollte, die Wahrheit zu sagen?

Wenn Du es als unverzeihlich siehst, dann sagst Du doch irgendwie auch, dass Du selbst nur demjenigen, der das Opfer Deines Vaters geworden ist, überhaupt ein Recht auf "Verzeihen" einräumst?
Das Opfer wird wohl akzeptieren müssen, wenn Du Dein Schweigerecht als Angehöriger in Anspruch nimmst.
Aber wenn die Bestrafung dieser "unverzeihlichen Tat" dann nur wegen Deiner (oder eurer) Aussageverweigerung nicht stattfinden wird!
Wenn das Opfer sich durch Deinen Vater verhöhnt vorkommt, wenn seine Tat ungesühnt bleibt!
Dann wirst Du vielleicht Deinen Vater in Freiheit sehen. Und das Opfer seiner Tat: zerstört und an keine Gerechtigkeit mehr glauben könnend?

Wirst Du Deinen Vater dann überhaupt noch sehen wollen? Jemanden, der wohl Schlimmes getan hat und sich dann noch über sein Opfer lustig machen kann, wenn er für seine Tat nicht bestraft wird?

Jen, für mich hätte es nichts mit Eltern oder Kindern zu tun!

Als Vater versuche ich, meinen Söhnen beizubringen, dass sie für Mist, den sie bauen, einzustehen haben! Und ich werde ihnen sicherlich auch helfen: sie nicht allein lassen, wenn sie den sau schweren Weg gehen müssen, sich zu entschuldigen oder sonstwie für das, was sie getan haben, geradestehen müssen!

Als Tochter kannst Du vielleicht versuchen, Deinem Vater klarzumachen, wie Du zu seiner Tat als solcher stehst. Also, wie Du sie unabhängig von der Person bewertest.
Und ihm versuchen, klarzumachen, dass Du Dich nicht von ihm wirst benutzen lassen!

Denn das ist es, womit Dein Vater spekuliert, wenn er euch in den Gewissenskonflikt zwischen irgendeiner "familiären Loylität" und der Wahrhaftigkeit treibt!

Und Du darfst ihm ganz reinen Herzens sagen, dass er die "familäre Loyalität" schon vor Jahren für sich selber verneint hat.
Und es auch jetzt tut, weil er euch überhaupt erst in diesen Gewissenskonflikt bringt!

Irgendwie macht er Dich und Deine Mutter für mich dadurch auch zu seinen Opfern.

Ich hoffe, ihr findet die Kraft, Euch dagegen zu wehren!

Alles Liebe,

Bernd