Problem von Kathrin - 31 Jahre

...

Hallo liebes KuKa-Team, besonders Bernd.
Ich möchte euch gern die Fortsetzung meiner Geschichte schreiben und vielleicht habt ihr ja einen kleinen Tipp für mich. Ich bin nämlich ziemlich ratlos. Danke auch für die bisherigen Antworten, von ganzem Herzen Danke!!!

Die Vorgeschichte:
Ein Mann, 41 Jahre, ist seit seinem 19. Lebensjahr querschnittsgelähmt. Er weiß nicht mal, wie es passiert ist. Mit seinen Mitschülern feierte er im Wald, geht irgendwann hinter einen Baum – dann Filmriss – er wird am nächsten Morgen 100 m von dem Baum entfernt wach und kann sich nicht mehr bewegen – und ist querschnittsgelähmt.
Er sagt, dass er von Anfang an super gut mit der Situation zu Recht gekommen ist. Noch im Wald, als er gespürt hat, dass etwas Schlimmeres mit ihm passiert ist, sagt er sich, dass er mit der Situation zu Recht kommen wird und eh ´was mit Computern machen wollte.

Von außen betrachtet, kommt er tatsächlich super zurecht; wohnt allein in einer schönen 3,5 Zimmer Wohnung, arbeitet als Computerfachmann, geht oft zu Konzerten und in Discos und macht Rollstuhltanzen.

Doch er ist einsam, die wenigen Beziehungen, die sich auftun, halten nicht lange.

Dann verliebt sich eine Frau wirklich in ihn. Und sie merkt auch, wie es wirklich ist, dass er eben nicht immer so gut zu Recht kommt (was ihrer Liebe zu ihm keinerlei Abbruch tut). Er verdrängt Probleme und flüchtet teilweise nächtelang in Computerspiele. Er hat ständige gesundheitliche Probleme und unternimmt nur ansatzweise Versuche, etwas daran zu ändern, er macht keine dringend benötigte Krankengymnastik und lässt seine immer wiederkehrenden Infekte nicht vom Facharzt behandeln. Ganz zu schweigen, von „kleineren“ Problemen, er schiebt es z.B. ewig auf die lange Bank, seinen neuen Rolli zu bestellen und ernährt sich sehr ungesund, bezahlt Rechnungen oft erst nach mehreren Mahnungen (Geldprobleme hat er nicht).
Und er lässt niemanden wirklich an sich ran. Sobald ihm jemand wirklich nahe kommt, blockt er ab und baut seine Schutzmauer schnell wieder auf.

Die Frau merkt, dass er es eigentlich anders will, dass er im Grunde genommen unzufrieden ist. Er hat sich ein paar Mal einige Millimeter geöffnet, meist, um dann ganz schnell wieder abzublocken, wobei er teilweise fast verletzend und kränkend wird.

Nach fast einem Jahr (jetzt ist der Zeitpunkt, wo es langsam etwas Festes mit der Beziehung werden könnte), beendet er die Beziehung. Er schreibt, er würde nie wieder eine solche Frau finden, er weiß nicht, was der Grund ist, er hätte versucht, sich fallen zu lassen, doch irgendwas würde fehlen. Und er schreibt, er würde es der Frau zu liebe tun, denn sie hätte es verdient, dass ihr jemand zurück geben könne, was sie an Liebe gibt.

Nun meine Frage:
Kann man da als Frau irgendetwas tun? Gibt es nicht irgendeinen Weg, an sein Herz ranzukommen? Ich meine, ich weiß, dass man einen Menschen nicht ändern kann. Und wenn ich merken würde, er will es ja nicht anders, würde ich mir sagen, okay, er hat sich so entschieden, damit muss ich mich abfinden und ihn loslassen.
Aber ich weiß doch, dass er es anders will. Er hat es mehrmals gesagt und angedeutet. Ich hatte ihn sogar darauf angesprochen, dass ich das Gefühl mit der Schutzmauer habe, und darauf sagte er ganz leise, flüsternd „Das hat doch auch seinen Grund“ … um dann gleich wieder abzublocken.
Ich will ihn nicht in diese absehbare Zukunft von Einsamkeit und ev. sich verschlechterndem Gesundheitszustand loslassen.
Wenn ich ihn als Liebespartner loslassen muss, das tut mir auch verdammt weh, denn ich empfinde sehr viel für ihn, aber das müsste ich dann eben tun.
Aber gibt es irgendeine Chance, auch wenn es mir nicht seine Liebe bringt, dass er sich öffnen kann, Menschen in sein Herz lässt und vielleicht irgendwann doch noch Familie und Kinder hat (er verriet mir mal, dass er sich das sehnlichst wünscht) oder ein bisschen Hilfe annehmen kann (er lässt nicht mal seinen Zwillingsbruder richtig an sich ran, der weiß z.B. nichts von seinen ständigen, wöchentlichen Infekten mit tlw. hohem Fieber).
Ich kann ihn einfach nicht loslassen, weil ich immer wieder das Gefühl habe, er will es doch anders und er empfindet auch was für mich (das schrieb er sogar in der Abschiedsmail).

Die Zeit in der Beziehung mit ihm war nicht immer einfach für mich. Ich habe oft seine Abweisung gespürt, aber eben auch die Momente, in denen er sich so ein Stück geöffnet hat. Einmal für 10 Sek. hat er mich so fest in den Arm genommen, als ob er sagen wollte, bitte, bitte, bleib bei mir, ich würde dich so gern festhalten können. Ich bin mir sicher, dass ich mir das nicht eingebildet hab, das hat er sonst nicht getan.
Das kann ich einfach nicht vergessen, auch dieser flüsternde, verzweifelte, immer leiser werdende Satz „Das hat doch auch seinen Grund“ … den höre ich immer und immer wieder.

Ich weiß jetzt für mich, dass ich mich besser abgrenzen muss, denn ich wäre fast zerbrochen, ich hatte keine Kraft und Energie mehr. Und dennoch, obwohl ich jetzt wieder mehr zu mir gefunden habe nach der Trennung, suche ich immer noch nach einer Lösung, wenn schon nicht für uns, dann für ihn (natürlich wäre mein größter Wunsch, dass es für uns wäre, denn ich habe tiefe Gefühle für ihn, doch ich weiß, dass sich das nicht erzwingen lässt, es kann nur als Geschenk funktionieren, was man gern und aus tiefstem Herzen gibt – von meiner Seite war/ist das so).

Ich hoffe, ihr könnt mich ein bisschen verstehen und habt vielleicht einen Tipp für mich? Ich denke oft, er bräuchte nur ein bisschen psychologischen Rat, auch damit er sich selbst mehr mag, er hat oft Komplexe, die er natürlich nach außen versteckt. Ich denke auch oft, er hat diesen Unfall nie wirklich verarbeitet und das wäre bestimmt auch der Schlüssel, wenn er das mal aufarbeiten würde, dann könnte er vielleicht wirklich glücklich werden. Aber durch seine Verschlossenheit (und jetzt bin ich ja leider nicht mehr seine Freundin, da komm ich noch weniger an ihn ran) werde ich ihn niemals überreden können, zu einem Psychologen zu gehen. Dann würde er sich nur noch mehr zurückziehen. Momentan haben wir auch gar keine Kontakt mehr wegen der Trennung. Doch meiner besten Freundin hat er geschrieben, dass er sich sicher ist, dass wir irgendwann auf eine freundschaftliche Basis kommen.

Er ist wirklich ein unglaublich lieber Kerl, wenn ich an sein Lächeln denke und wenn er einen Song im Radio mitsingt, oder in der Disco wilde Pirouetten dreht (dann ist er auch ganz anders, irgendwie so gelöst). Er kann unglaublich verschmitzt und charmant sein.

Könnt ihr mir irgendwie helfen, wie ich ihm helfen kann?

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Kathrin,

Zuerst einmal wünsche ich Dir, dass Du für Dich selber wieder "Tritt gefasst hast"! Dass Du Dein eigenes Lebensziel wieder mit dem nötigen Ernst verfolgen kannst und dass Du auch die Zeit und die Ruhe gefunden hast, Dir selber treu zu bleiben! Du hattest Dir so vieles vorgenommen!

Du fragst: "Kann man da als Frau irgendetwas tun? Gibt es nicht irgendeinen Weg, an sein Herz ranzukommen?"

Eigentlich zeigt das, was Du beschreibst, dass Du ihn schon sehr angerührt hast! Ich denke, dass Du seinem Herzen sehr nahe gekommen bist!

Wo er Deiner Freundin schreibt, dass er auf Dauer hofft, mit Dir eine freundschaftliche Basis zu schaffen, spricht das eigentlich für sich! Und dass er umgesetzt hat, was ich Dir damals eigentlich geraten hatte, sagt eigentlich auch das Gleiche!

Du hattest das letzte Mal geschrieben, dass er sich nicht damit anfreunden konnte, dass Du Dir eine behindertengerechte Wohnung suchen wolltest. Irgendwie bedeutet das wohl für ihn, dass er sich nicht vorstellen kann, letztendlich zu Dir zu ziehen. Vielleicht ist es auch verständlich, weil er sich mitsamt seiner Behinderung eben in Wiesbaden eine Heimat geschaffen hat: Dort ist er in der Disko bekannt! Im Tanzkurs? Im Konzertsaal!
Und ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie sehr Du Dich "zerteilt" hast: zwischen Deinen beiden Arbeitsstellen, dem Fernstudium, Deinem Freundeskreis bei Dir zuhause und Deinem Schatz!

Bitte versuche es einmal so zu sehen:

Einer von euch beiden muß mit seinem bisherigen Leben brechen! Muß scheitern, damit der andere glücklich werden kann!

Wenn Du ihm folgen willst, wirst Du Deinen Freundeskreis verlieren, Dein Studium in Frage stellen und Deine berufliche Zukunft hinten anstellen müssen!
Wenn Du von ihm erwartest, dass er Dir folgt, muß er seine kleine aber bekannte und vertraute Welt verlassen und macht sich komplett abhängig von Dir!

Das meinte ich letztens damit, wenn ich Dir davon geschrieben habe, dass eure beiden Lebensziele sich nicht leicht vereinen lassen: egal wer von euch! Einer muß sich mehr fallen lassen und begibt sich dadurch in eine komplette Abhängigkeit von dem Anderen!

Und ich kann mich daran erinnern, wie schwer es schon für Dich war, so wie es war!

Weißt Du, wie sehr es eine Beziehung belastet, wenn ein Partner, der alles aufgegeben hatte, die Partnerschaft dann doch nicht als so erfüllend empfindet, wie er sich das vorher einmal vorgestellt hatte?
Wenn die Frage kommt: wofür habe ich all meine Träume begraben?

Weißt Du, wie schwer es ist, wenn eine Beziehung zerbricht, in der erst einmal einer der Beiden alles außer dem Partner hinter sich gelassen hat?

Liebe Kathrin.

Nicht alles, was wir lieben tut uns auch unbedingt gut! Diese Erkenntnis wird uns immer traurig machen, aber wir sollten uns dieser Erkenntnis nicht verschließen!
Dein Freund hat, denke ich, genau das gemacht!

Er konnte sich nicht in Deine Abhängigkeit begeben und wollte auch nicht, dass Du für ihn alles aufgibst!

Da gehört eine Menge Liebe von ihm dazu, Dich und Deine Liebe aufzugeben!

Er wird Dir sicher ein sehr guter Freund werden!

Alles Liebe,

Bernd