Problem von Anonym - 22 Jahre

Studium abbrechen?

Ich hab folgendes Problem Ich studiere nun im zweiten Semester Physik und bin total überfordert. Bin auch schon durch die eine oder andere Prüfung gefallen, hab auch schon einige Zweitversuche hinter mir.
Es war schon seit meiner Kindheit mein Traum Physik zu studieren. Ich hab auch ein gutes physikalisches Verständnis. Hab mich auf die Klausuren auch vorbereitet. Doch sobald ich in der Prüfung saß ging gar nichts mehr. Prüfungsangst oder sowas habe ich nicht. Ich kann meine Gedanken einfach nur nicht kontrollieren. Und dadurch bin ich dann extrem wütend auf mich selbst, weil ich weiß, dass ich es eig locker drauf hätte. Nun muss ich meinen Traum wohl aufgeben. Ich habe versagt. Habe meine Eltern enttäuscht, zudem 20.000€ in den Sand gesetzt.
Zudem leide ich unter Schlafstörungen. Ich bin teilweise bis zu 4 Nächte am stück wach, also gar kein Schlaf. Mein Rekord liegt bei 4,5 h Schlaf in einer Woche.Komme einfach nicht mehr zur Ruhe.
Habe ständig das Gefühl irgendwas erledigen zu müssen.
Zudem habe ich ein sehr angespanntes Verhältnis zu meinen Vater, welches mich sehr beschäftigt. Eine Freundin hatte ich mit meinen 22 Jahren auch nie.. Hatte im Leben nie jemanden denn ich mich hätte anvertrauen können/wollen. Ich weiß einfach nicht mehr wie es weiter gehen soll? Soll ich mein Studium abbrechen? Was kommt danach? Ich fühle mich so hilflos und entkräftet. In die Öffentlichkeit gehe ich auch kaum noch. Früher war ich viel aus und hab auch viel Sport gemacht.
Wenn ich in den Spiegel schaue erkenne ich mich selbst kaum wieder. Früher war ich so lebensfroh, hatte viele Freunde. Schonmal fühlt es sich auch so an als würde ich mein Leben nicht mehr selbst leben, sonder passiv von außen beobachten. Wie komme ich aus diesem Loch wieder raus? Sollte ich zum Arzt gehen oder schaffe ich das alleine?

Marie Anwort von Marie

Lieber Ratsuchender,

danke, dass du dich uns anvertraut hast!
Bei dir scheint im Moment alles zusammen zu kommen und ich kann gut verstehen, dass du mit dieser Situation unglücklich bist und nicht weißt, wie du aus diesem Loch wieder herauskommen sollst.
Zunächst möchte ich dir gern schreiben, was ich über deine Studiensituation denke. Du schreibst, dass du den Lernstoff eigentlich verstehst, dass aber in den Prüfungen einfach "nichts mehr geht". Wenn es nicht der Stoff an sich ist, der dich überfordert, sondern nur wirklich nur die Prüfungen, würde ich dir empfehlen, das Studium vorerst nicht abzubrechen - zumal es eigentlich dein Wunschstudium ist. Ich würde dir raten, das Studium für eine Weile zu unterbrechen und währenddessen an dem Problem mit den Prüfungen zu arbeiten - am besten mithilfe einer Psychotherapie, in der du gemeinsam mit dem Therapeuten herausfinden kannst, was die Ursachen für diese Schwierigkeiten sind, was du dagegen tun kannst und wie du in Zukunft deine Prüfungsleistung verbessern kannst.
Ich denke, dass dir eine Therapie auch sehr gut dabei helfen könnte, die anderen Probleme, die du beschreibst, zu überwinden. Bitte lies dir dazu einmal unsere Soforthilfe durch: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html
Ich würde dir empfehlen, bei mehreren Psychotherapeuten (nicht Psychiatern; diese verschreiben i. d. R. nur Medikamente) einen Termin zum Kennenlernen zu vereinbaren. Dann hast du eine gewisse Auswahl, falls du dich beim ersten nicht gut aufgehoben fühlst. Meine Empfehlung wäre, nach Therapeuten mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie zu suchen.
Da die meisten Psychotherapeuten sehr lange Wartezeiten haben, kann es auch sinnvoll sein, bei einem Ausbildungsinstitut für angehende Psychotherapeuten nach einem Termin zu fragen und dort eine Therapie zu beginnen - dort sind die Wartezeiten z. T. kürzer. Eine Liste dieser Institute, geordnet nach PLZ, findest du hier: http://www.therapie.de/psyche/info/ausbildung/adressen-und-links/verhaltenstherapie/
Eine Überweisung vom Arzt brauchst du für einen Termin beim Psychotherapeuten nicht unbedingt. Ein Arztbesuch wäre jedoch sinnvoll, falls du dich krankschreiben lassen möchtest (z. B. um der Uni gegenüber die Unterbrechung des Studiums zu rechtfertigen).

Als eine erste "Hilfe zur Selbsthilfe" bezüglich deiner Schlafstörungen findest du hier einige wichtige Hinweise, was du selbst dagegen tun kannst: http://www.schlafgestoert.de/site-48.html
Außerdem möchte ich dir ans Herz legen, wieder mehr Sport zu machen. Auch wenn du im Moment wenig Lust dazu verspürst: Sport ist eine sehr gute Möglichkeit, Stress abzubauen und die Stimmung zu verbessern (neuere Studien haben sogar gezeigt, dass regelmäßige Bewegung für die Verbesserung der Stimmung genauso wirksam ist wie Antidepressiva). Auch wenn du anfangs nicht gleich wieder so viel Freude daran hast wie früher, wird die Freude mit der Zeit wiederkommen. Regelmäßige Bewegung kann sich auch positiv auf deine Schlafstörungen auswirken.

Zu dem Problem mit deinem Vater kann ich leider nicht viel sagen, da ich nicht weiß, was zwischen euch in der Vergangenheit vorgefallen ist und wo genau die Probleme liegen. Vieles lässt sich jedoch in einem offenen Gespräch klären, wenn man versucht, den anderen wirklich zu verstehen und ihm keine Vorwürfe zu machen, sondern bei sich zu bleiben und nur von den eigenen Gefühlen und Wünschen zu sprechen (z. B. "Ich finde es schade, dass... Ich würde mir wünschen, dass..."). Oft ist der andere auch bereit, an dem Problem zu arbeiten, wenn man selbst den ersten Schritt macht und ihm ein Stück entgegenkommt.

Dass es an dir nagt, dass du noch keine Freundin hattest, kann ich gut verstehen. Aber auch da ist es wichtig, dass du selbst aktiv wirst und neue Leute kennen lernst. Suche nicht krampfhaft (dann klappt es meistens nicht) - aber gib den Mädels zumindest die Chance, dir über den Weg zu laufen. Du könntest dich z.B. in einem Verein anmelden, der dich interessiert, oder wieder mehr Kontakt zu deinen alten Freunden suchen und dann z.B. über Partys neue Menschen kennen lernen.

Wenn du einfach mal jemanden zum Reden brauchst, kannst du auch jederzeit kostenlos und anonym bei der Telefonseelsorge anrufen (www.telefonseelsorge.de).

Ich hoffe, dass du deine Kraft und Lebensfreude bald wiederfindest, und wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,
Marie