Problem von Jens - 17 Jahre

Ich verachte mich und bin unglücklich

Hallo liebes Kummerkastenteam,
es gibt zwar Artikel mit ähnlichem Inhalt, aber trotz längerer Recherche habe ich keinen gefunden der mir wirklich Antworten auf mein Problem liefern würde. Wie schon im Titel steht mag ich mich nicht nur nicht, ich verabscheue mich regelrecht und fühle mich durch und durch unglücklich. Außer meinen Eltern käme niemand auf die Gedanken mir diese Gefühle zuzutrauen. Es wirk eigentlich so als hätte ich alles. In den nächsten Abschnitten werde ich erst einmal alle was an meinem Leben so positiv wirkt aufzählen um dann zu erzählen wie es in mir wirklich zu geht. Und bitte glaubt mir dies alles ist kein Scherz. So eine Art von Mensch bin ich nicht. Ich gelte gemein hin als offen, optimistisch und hilfsbereit, mit viel, ja vielleicht sogar zu viel Selbstbewusst sein ausgestattet und ich gelte als sehr intelligent. Mitschüler und Lehrer sind immer wieder von meinem Wissen verblüfft, ich schreibe in den meisten Fächern sehr gute Noten ohne etwas dafür zu tun. Früher stand ich trotz schlechter Noten in Sport im Zeugnis immer irgendwo um die 1,3, selbst jetzt stehe ich noch um die 2,0 obwohl ich zwei Jahre lang wirklich nichts getan habe und nun in der Oberstufe bin. Ich darf sogar jetzt schon an Unis Vorlesungen besuchen und Modulprüfungen absolvieren. Also von dieser Seite aus sieht eigentlich alles gut aus.
Fast alle Leute die mich kennen mögen mich, viele denken sie sind mit mir befreundet und jede Person weiß, dass sie mit ihren Problemen zu mir kommen kann, ich zu höre und dann versuchen werde ihr mit Rat und Tat beizustehen und alles mir mögliche tun werde um ihr zu helfen oder sie wenigstens zu trösten, ohne irgendeine Gegenleistung zu verlangen. Und meisten schaffe ich das auch. Es gibt sogar Leute, die sich darüber ärgern, dass ich so wenig mit ihnen zu tun habe, meine Freunde fühlen sich teilweiße vernachlässigt. In einer festen Beziehung war ich zwar noch nie, aber teilweise möchte ich auch keine und so versuche ich auch nach außen zu wirken. Natürlich sehne ich mich aber auch genau so oft nach ebenso einer Beziehung. Aber auch deswegen müsste ich mich eigentlich nicht schlecht fühlen, es gibt schon das ein oder andere Anzeichen, dass ein Mädchen mich sehr mag und auch ich bin ein wenig in sie verliebt. Also sieht es auch von dieser Seite aus gut aus.
Kommen wir zuletzt noch zu meiner Familie. Ich habe Eltern, um die mich viele meiner Freunde beneiden, sie sind einfach total nett und ich kann mit ihnen wirklich über alles reden. Sie versuchen alles um mich glücklich zu machen und ich weiß, dass sie mich unglaublich liebe. Sie sind beide in Lehrberufen tätig, wir sind nicht reich, aber auf jeden Fall auch nicht arm. Meine Großeltern wohnen ganz in der Nähe und ich habe erst eine für mich wichtige Person verloren. Auch von dieser Seite sieht es also gut aus. Womit habe ich also ein Problem?
Nun ja zum ersten bin ich ein körperliches Wrack( auch wenn es andere Leute natürlich noch viel schwerer haben), mein eines Bein ist krankhaft verkürzt, mein Becken in doppelter Weiße vertret, ich habe sowohl ein Hohlkreuz als auch ein Rundrücken, meine Knie sind schon stark abgenutzt, meine Schilddrüse ist leicht verkleinert, ich besitze unzählige Allergien und habe ein schwaches Immunsystem. Ich weiß alles für sich nicht weiter schlimm, aber in der Summe nervt es doch schon sehr.
Zum zweiten fühle ich mich schon seit einem bis zwei Jahren die meiste Zeit einfach ausgelaugt und kraftlos, ich möchte am liebsten um mein Elternhaus( in dem ich noch wohne) einen riesigen Zaun ziehen und die ganze Welt und alle Menschen aussperren, um meine Ruhe haben, mich ins Bett legen und schlafen zu können. Egal wo ich bin nerven mich die meisten Menschen nur, sie sind so oberflächlich, so laut, so komisch. Irgendwie passe ich nicht wirklich zu ihnen (natürlich gibt es Ausnahmen, aber nur wenige), ich fühle mich in einer falschen Welt geboren und so will ich auf der einen Seite nur meine Ruhe habe, fühle mich auf der anderen aber sehr einsam. Und ja ich verfolge immer noch Hobbies, versuche Leute zu finden, die zu mir passen. Ich gehe an die Unis, ins Theater, gehöre selbst einer Theater-Ag an. Und ich habe Angst vor der Zukunft, ich wurde ja auch in der Schule schlechter, wollte nun konzentriert arbeiten, um wieder so gut zu werden wie ich einmal war, aber ich kann es einfach nicht ich verplembere meinen Tag und freue mich jede Woche auf das Wochenende. Ich schaffe es einfach nicht irgendetwas an mir zu änder fühle mich von den ganzen Anforderungen der Welt an mich bedroht, ich möchte einfach, dass mich alle mögen und habe Angst mich oder jemand anderes zu enttäuschen. Und deswegen versuche ich mich immer wieder immer mehr aus der Welt zurückzuziehen, habe jetzt sogar schon Pausenaufsichten in der Bibliothek unternommen um auch in den Schulpausen meine Ruhe zu haben. Aber ich habe einfach das Gefühl, dass es so nicht weiter gehen kann, habe Angst immer schlechter in der Schule zu werden mich immer mehr zurückzuziehen und so meine Zukunft aufs Spiel zu setzen. Wie schon gesagt ich versuchte schon unzählige Male das Leben positiver zu sehen oder wenigstens eine Kleinigkeit an mir zu verändern, aber ich schaffe es einfach nicht. Ach, habe ich schon erwähnt, dass ich mich hässlich finde/bin, und dass nicht nur weil ich zu dick bin. Und dass ich mir statt mich zu ritzen einfach die Fingernägel so weit abkaue, dass ich richtige Löcher in ihnen haben die bis zum Nagelbett reichen. Die Ängste die ich oben geschildert habe sind die eine Sache, als noch viel schlimmer empfinde ich einfach diese Leere in mir die mich immer häufiger überfällt. Mir ist einfach alle egal, ich denke immer zu daran wie einfach es wäre mich umzubringen, denn mir ist in diesen Momente auch mein Leben egal. Ich tue es nur nicht, weil ich meiner Familie keinen Schmerz zu fügen will, und weil ich Angst habe, damit einen schwerwiegenden, da unumkehrbaren Fehler zu machen. Und das schlimmstes ist das ich mich schuldig fühle, mich so schlecht zu fühlen, weil ich weiß, dass ich Glück habe unter den Umständen zu leben unter denen ich lebe, ich weiß das es mir viel schlechter gehen könnte und frage mich dann was für ein undankbares Arschloch ich bin. Manchmal suche ich die Schuld an der Welt, dann an mir. Wenn ich daran schuld bin, dann weil ich einfach ein Idiot bin, oben geschildert. Und wenn, wirklich die Welt, wie sie ist Schuld hat, dann bin ich schuldig, weil ich sie nicht zum Positiven verändere, so oder so bin ich schlecht. Ich würde gern noch viel mehr schreiben, aber ich glaube das reicht um mein Problem zu verstehen
Ich wollte mir das alles einfach mal vom Herzen schreiben, vielleicht könnt ihr mir helfen, weil jeder Versuch etwas an meinem Leben zu ändern lief bisher schief. Ich habe sogar versucht in den Philosophie des Absurden (Camus) halt zu finden.

Alles Gute,
Jens

Carolin Anwort von Carolin

Lieber Jens,


ganz zu Anfang würde ich gern klarstellen, dass all Deine Probleme, insbesondere Dein negatives persönliches Befinden, absolut ernst zu nehmen sind. Du machst Dich mit dem, was Du sagst, in keiner Form lächerlich. Selbstverständlich kann man ganz objektiv sagen, dass Du materiell im Vergleich zu anderen Menschen gut versorgt bist, aber das ändert nichts daran, dass Du auf eine ganz persönliche Art leidest. Leid ist immer subjektiv und Du kannst subjektiv empfunden genauso intensiv leiden wie jemand, der rein objektiv wesentlich schlechtere Lebensbedingungen vorfindet. Mach Dir in diesem Zusammenhang also bitte kein Vorwürfe. Du bist kein schlechter oder undankbarer Mensch. Du hast ein Problem und Du bist es wert, dass man Dir Hilfe zukommen lässt.

Mir scheint, Dein bisheriges Leben besteht aus einer Doppelrolle, die Dich sehr viel Kraft kostet. Auf der einen Seite bist du angesehen, schreibst gute Noten, hast vielfältige Interessen und bist sehr engagiert, andererseits kann nichts davon Deine innere Leere füllen, die Dich so quält und einen großen Gegensatz zu Deiner „glücklichen“ Maskerade bildet.

Mein erster Rat an Dich wäre daher einen Versuch zu unternehmen diesem Doppelleben ein Ende zu bereiten. Sprich mit einer Vertrauensperson Deiner Wahl über Dein Lebensgefühl und die Dinge, die Dich bewegen. Du schreibst, dass Du ein gutes Verhältnis zu Deinen Eltern hast. Bestimmt würdest Du bei ihnen auf ein offenes Ohr stoßen. Sofern Dir das aus bestimmten Gründen unangenehm ist, sprich doch mit einem guten Freund oder einer guten Freundin. Wenn Dir der Beistand durch eine neutrale Person lieber ist, kannst Du dich eventuell an eine Jugendberatungsstelle wenden, oder auch an einen Vertrauenslehrer bzw. eine Vertrauenslehrerin und die Schulsozialarbeit, sofern dies an Deiner Schule angeboten wird.

Über das Reden würdest Du dir eine Möglichkeit geben Deine Isolation ein wenig aufzubrechen. Du hast ebenso ein Recht darauf, dass man Dir zuhört, wie Du anderen zuhörst, wenn sie mit Dir über ihre Probleme sprechen. Ich bin mir sicher, dass Dich dein Umfeld in jedem Fall unterstützen würde, wenn Du dich ein wenig öffnest. Gemeinsam lassen sich Probleme erfahrungsgemäß leichter lösen und Du würdest Dir Bezugspersonen schaffen, auf die Du im Notfall zurückgreifen kannst. Auf diese Weise müsstest Du dich zudem nicht mehr selbst so sehr unter Druck setzen in allem perfekt sein zu müssen. Jeder Mensch hat seine schwachen Momente, erlaube Dir selbst diese Schwäche auch zeigen zu dürfen.

Mir bereitet die Tatsache, dass Dich dieses leere Lebensgefühl schon über Jahre begleitet, große Gedanken. Ich bin mir sicher, dass es komplexe Ursachen dafür gibt, deren Behandlung viel Zeit und Mitarbeit benötigt. Dies übersteigt leider meine Fähigkeiten Dir per Mail weiterzuhelfen. In diesem Fall wäre es deshalb das Beste, wenn Du dich schnellstmöglich um professionelle Hilfe bemühst, damit Dir bedarfsgerecht geholfen werden kann. Hier empfehle ich Dir unsere Soforthilfe zu „Wie finde ich einen Psychologen?“:

http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html

Eine Jugendberatungsstelle in Deiner Nähe kannst Du unter folgendem Link suchen:

http://www.bke.de/?SID=12C-01B-182-8E9

Zu Deinen körperlichen Beschwerden fällt es mir leider schwer Dir einen konkrete Rat geben zu können. Hierfür wendest Du dich am besten an Deinen Hausarzt, um mit ihm weitere Vorgehensweisen zur Besserung Deiner Beschwerden zu planen.

Ich finde es grundsätzlich sehr lobenswert, dass Du dich so sehr darum bemühst etwas an Deiner emotionalen Situation zu verändern. Du hast erkannt, dass man Probleme dann am besten lösen kann, wenn man die Initiative ergreift und den ersten Schritt macht. Aus Deiner Nachricht geht nach meinem Empfinden jedoch hervor, dass Du dich mit dieser Einstellung sehr unter Druck setzt. Du willst mit aller Kraft, aber die Kraft selbst fehlt. Versuch geduldiger, gelassener und liebevoller im Umgang mit Dir selbst zu sein. Du bist es wert, von Dir selbst und anderen angenommen und geliebt zu werden, mit all Deinen Stärken und Schwächen. Es wird Zeit brauchen zu dieser Einstellung zu finden, damit Du deinen Selbsthass besiegen kannst. Deshalb möchte ich Dir auch an dieser Stelle noch einmal raten professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bitte trau Dich und bleib mit Deinem Kummer nicht vollkommen allein!


Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft!


Carolin