Problem von Raphael - 17 Jahre 07.12.12

Vater kriegt noch ein Kind

Hallo,

erst mal als Warnung: mein Fall ist besonders kompliziert und verstrickt. Es ist mit Sicherheit kein schlimmes Problem, relativ gesehen (ich habe hier was von Misshandlungen gelesen!), aber es ist doch ziemlich erdrückend und aussichstlos. Außerdem folgt jetzt ein endloser Text.
Als Hintergrundinfo: Ich bin 17, meine Eltern sind seit über 10 Jahren geschieden, also das Thema ist schon lange gegessen...
Meine Mutter hatte seit dem eine ernste Beziehung, in der sie auch noch einen Kindeswunsch hatte. Als sich das dann endlich erfüllt hat, war sie schon 40 und ihr Freund hatte sich kurz bevor sie es herausfand, von ihr getrennt. Warum hat sie mir nie sagen wollen und sie ist immer noch nicht gut auf ihn zu sprechen. Meine kleine Schwester ist jetzt fast 5 und ich habe ihren Vater trotzdem seit der Trennung nicht mehr gesehen. Durch Weihnachts-/Geburtstagsgeschenke, die offensichtlich von ihm kommen, weiß ich jedoch, dass irgendwie noch eine Verbindung besteht.
Abgesehen davon habe ich noch eine ältere Schwester (fast 21), die, wie mir mein Vater vor ein paar Jahren erzählte, nicht seine biologische Tochter ist. Meine Mutter hatte uns nie erzählt, dass sie vor meinem Vater schon mal verheiratet war. Obwohl ich immer noch nicht 100%-ig sicher bin, ob es vielleicht nicht nur ein fester Freund war. Ich will es auch gar nicht wissen, ändert für mich nichts. Meine Schwester bleibt meine Schwester. Das gilt für beide.
Ich lebte bis vor kurzem mit meinen Schwestern bei meiner Mutter, eine Stunde von meinen Vater entfernt, den ich jedes (!) Wochenende und alle Ferientage mit dem Zug besuchte. Wie man sehen kann, habe ich ein besseres Verhältnis zu ihm als zu meiner Mutter - mit der ich ehrlich gesagt nicht sehr viel zu tun habe und die sich, wie ich denke, wenig für mich interessiert. Ich habe keine großen Probleme mit ihr, nicht mehr als Pubertätsquatsch. Meine große Schwester dagegen hat immer mit ihr gestritten, als sie noch jünger war. Übrigens bin ich der einzige, der mit meinem Vater so viel zu tun hat.
Naja, jetzt zu meinem Vater: Nach der Scheidung hatte er für lange Zeit eine Freundin, die möglicherweise Schuld war an der Trennung meiner Eltern - wer weiß, mir wird ja nichts erzählt. Jedenfalls mochte ich sie gar nicht. Und nicht etwa, weil sie mir meinen Vater "wegnehmen" würde, sondern einfach weil sie eine unerträgliche und verlogene Person ist. Zum Glück beendete mein Vater diese Beziehung vor etwa zwei Jahren - wieder ohne mir zu sagen, warum.
Hier muss ich dann mal einwerfen, dass ich zwar neugierig bin, aber dann doch nicht so aufdringlich, um solche persönlichen Dinge zu fragen. Ich denke einfach, das geht mich nur was an, wenn die betroffene Person denkt, dass es mich etwas angeht. Ich mische mich nicht gerne ein.
Übrigens: Ja, ich komme schon irgendwann zum Punkt. Ich denke nur, dass dieser ganze Hintergrund wichtig ist, um mein Problem wirklich zu verstehen und es nicht als egoistisch abzutun. Obwohl es das vielleicht ist; deshalb frage ich.
Jedenfalls hat mein Vater (47) dann eine zweite Beziehung angefangen - mit einer 23-Jährigen! Ich, als nicht vorwurfsvoller Mensch, der der Ansicht ist, jeder sollte für sich selbst entscheiden sollen, sagte dazu nichts. Ich mag sie ja auch; sie ist nett. Dann finde ich aber heraus, dass sie einen 2-jährigen Sohn hat - und zwar dadurch, dass mein Vater anfängt, das leerstehende Zimmer neben meinem in ein Kinderzimmer umzugestalten. Erst als ich ihn darauf anspreche, erzählt er mir, dass seine Freundin bei uns einziehen wird. Zusammen mit ihrem Sohn, von dem ich noch nie gehört habe, geschweige denn ihn gesehen.
Verständnisvoll wie ich doch bin, halte ich meinen Mund und das ganze geht dann so vor sich hin; wir leben zu dritt zusammen - wobei ich ihren Sohn nur in den Ferien sehe, da er am Wochenende bei seinem biologischen Vater ist. Wenn, er dann aber da ist, darf ich sein Geschreie, erst morgens, dann nachts, ertragen, weil mein Zimmer neben seinem ist, das der beiden aber am anderen Ende des ziemlich großen Hauses. Egal, mein Vater ist glücklich, also ich auch.
Dann bemerkte ich irgendwann, dass es Probleme gab. Die beiden trennen sich - zunächst wieder ohne Erklärung. Dann, auf Nachfrage, erzählt mir mein Vater, dass sie eine Alkoholikerin ist und ihn darüber ewig angelogen hat, weswegen er Schluss machte. Das tat mir natürlich sehr leid für ihn, ich versuchte ihn zu trösten, ihm klarzumachen, dass es besser für ihn sei, das nicht ertragen zu müssen.
Natürlich kamen sie später wieder zusammen - naja; unter der Bedingung, dass sie einen Entzug macht. Fand ich erstmal ganz fair. Doch dann brach sie den Entzug ab und sie trennten sich wieder. Diese Prozedur wiederholte sich dann ungelogen mehrere Male (habe nicht alles 100%-ig mitbekommen, aber mindestens 4 Mal). Ich sagte nichts dazu - nicht meine Entscheidung.
Jedenfalls bin ich momentan in den USA; ich verbringe ein Auslandsjahr hier. Nach diesem plante ich, zu meinem Vater zu ziehen - endlich; mein Traum, seitdem meinen Mutter bei ihm auszog und uns mitnahm.
Vor einer Woche schrieb mir mein Vater, dass es endgültig vorbei sei mit der Freundin. Ich freue mich insgeheim für ihn. Dann, heute, schreibt er mir, dass er mir etwas wichtiges zu erzählen hätte, was ihn und seine Freundin betreffe. Ich denke erstmal nur: Oh Mann, jetzt sind sie doch wieder zusammen... und schreibe das in gedämpfter Version zurück. Er meint nur: "Seit langem schon" (wie lang kann es sein, wenn ihr vor einer Woche zum letzten Mal Schluss gemacht habt?). Stattdessen erzählt er mir, dass sie schwanger von ihm ist.
Natürlich ist heute Thanksgiving hier, also muss ich mit diesem erdrückenden Wissen vor meiner Gastfamilie zusammenreißen (habe nichts erzählt), obwohl ich innerlich am liebsten schreien würde.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, was genau mich so wütend macht, aber ich denke es ist die Tatsache, dass mein Vater sich selbts kaputt macht. Ein Kind, in seinem Alter, mit jemandem in ihrem Alter, mit einer Alkoholikerin, schon mit Kind auf beiden Seiten.
Jetzt will ich ehrlichgesagt nicht mehr zu meinem Vater - dahin, wo ich schon so lange wollte. Aber auch nicht zurück zu meiner Mutter, weil (abgesehen davon dass kein Zimmer frei ist) ich mich bei ihr einfach nicht wohlfühle.
Ich verstehe einfach nicht, warum alles für mich so schwer sein muss. Wenn ich irgendwo lese, was-auch-immer betrifft/passiert so-und-so-viel Prozent der Weltbevölkerung und es ist negativ, dann denke ich mir nur: Ich gehöre mit Sicherheit dieser kleinen Gruppe an, ich Glückspilz. Oft genug stimmt's.
Ich kann nicht verstehen, warum ich nach all diesem hin und her nicht endlich eine Pause verdient habe. Warum kann ich nicht mal zwei Jahre meine Ruhe vor diesem ganzen Stress haben?
Ich habe meinem Vater nicht viel geantwortet, nur dass ich es nicht gut finde. Nichts davon. Und das war das erste Mal, dass ich so gerade heraus die Wahrheit über so etwas ernstes und unangenehmes sagte. Vielleicht das einzige Mal.
Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich bin innerlich zerrissen; ich will weinen, schaffe es aber nicht. Über das alles nachzudenken macht mich krank. Ich will einerseits nicht drüber reden, mit niemandem, andererseits weiß ich, dass das nicht gesund ist. Und ich bin so wütend auf meine Vater, wie er mir so etwas antun kann. Aber eigentlich auch sich selbst. Sowas hätteich von ihm nie erwartet, vor allem weil es genau das ist, wovon er schlecht reden würde, wenn es anderen Leuten passierte. Ich bin enttäuscht, traurig, wütend, verwirrt, ungläubig (habe immer noch die Hoffnung, dass ich morgen aufwache und das alles vorbei ist).

Bitte helft mir! Ich brauche einen sehr sehr guten Rat.

Raphael