Problem von Anonym - 18 Jahre

Vergewaltigung in der Kindheit ansprechen?

Hallo an alle,

ich wollte unbedingt diese eine Sache los werden und bitte um Rat, weil ich selber nicht mehr weiter weiss. Ich fuehle mich seit Jahren ausgebrannt, kraftlos, ungeduldig, aggressiv und einfach generell emotions- und motivationslos. Das äußert sich neben den psychischen Symptomen auch physisch (Haarausfall, schwitzige Hände zu jeder Zeit usw.)

Mein Problem ist..ich wurde als 6-jähriger vergewaltigt oder es wurde zumindest versucht. Ob es wirklich stattgefunden hat, daran kann ich mich nicht mehr erinnern, oder ich habe es verdrängt. Ich dachte bis vor kurzer Zeit, dass es durch das Verdrängen besser geworden ist, ich hatte das Gefühl, es wäre mir "egal" was damals passiert wäre. Allerdings bin ich körperlich momentan so am Ende...bedingt durch diesen massiven Schulstress und dann dazu auch noch tausend andere Probleme..ich muss jetzt daran denken, ob mich dieses Ereignis doch mehr geprägt hat, als ich es mir einreden will.

Neuerdings haben mich meine Eltern zu einem Psychologen geschickt...ich hab ihm nur von meinen Symptomen erzaehlt und nicht von diesem Ereignis. Ich habe nicht Angst vom Reden darueber per se. Was mich sehr belasten wird, sind die Konsequenzen.

Falls ich meinem Therapeuten das erzähle...wird er bestimmt versuchen das ich das meinen Mitmenschen, die mir nah sind erzaehle und Anzeige erstatte. Genau so etwas kann ich momentan am wenigsten gebrauchen. Meine Eltern sind selber depressiv und ich meine Mutter würde es völlig zerstören, wenn sie erfahren wird, was mir passiert ist. Sie ist selber seit kurzer Zeit bei dem gleichen Psychologen. So eine Anzeige wuerde diese Situation meiner Meinung nach nur künstlich aufbauschen und das will ich nicht.

Am liebsten wuerde ich alles fuer mich behalten, aber ich merke, wie ich hier langsam zu Grunde gehe.

Ich bezweifle, dass ich hier eine Musterlösung bekomme, aber im Moment fuehle ich mich so hilflos...vielleicht krieg ich ja hier eine oder andere interessante Anregung.

Danke euch schonmal im Voraus.

Freundliche Grüße

Bernd Anwort von Bernd

Lieber Unbekannter,

danke, dass Du uns Dein Vertrauen schenkst!

Deine Bedenken kann ich, so hoffe ich doch, zerstreuen! Es ist nicht die Aufgabe eines Therapeuten, Dich zu etwas zu überreden, was Du nicht willst!
Seine Aufgabe ist es, Dir zu helfen, das, was Dich unbewußt krank macht, an die Oberfläche zu holen und Dir zu helfen, es zu verarbeiten!
Lass mich versuchen, Dir etwas zu erklären, was ich im Einzelnen selber nicht ganz verstanden habe. Ich hoffe damit nur, Dein Interesse soweit zu wecken, dass Du durch die Fragen, die mein Erklärungsversuch bei Dir hinterlassen wird, einen Ansatz für das nächste Gespräch mit dem Therapeuten hast, der es Dir dann richtig erklären kann.
Gefühle, Bilder, traumatische Erlebnisse werden in einer Region des Gehirns gespeichert, in dem sie so nicht verändert, bzw. "aufgearbeitet" werden können. Dafür können sie in diesem Bereich wohl zu mindest zeitweise besser unterdrückt, verdrängt werden? Das "Aufarbeiten" geschieht, indem wir es aus diesem (ich sag mal) "Graphikspeicher" in den Arbeitsbereich schaffen und dadurch, dass wir die Bilder und Gefühle verbalisieren (aussprechen!) zugänglich machen und sie so zu verstehen lernen und damit "arbeiten" können. Durch das Verstehen lernen wir, damit umzugehen!

Ich versuche mir das immer andersherum vorzustellen!

Dort, wo ich es am wenigsten will: in der Liebe habe ich eher Angst, dass Gefühl zu "zerreden"!
Dort will ich das Gefühl erleben! Will die Schmetterlinge fühlen! Will mich sprachlos einfach fallenlassen!
Dort will ich nicht, dass mir irgendjemand dieses unglaubliche Gefühl verbal filetiert, sachlich begründet und dem Gefühl so den Zauber stiehlt.

Bei dem, was Dich belastet, handelt es sich eher um bösen Zauber!

Dem "darüber sprechen" kommt auf jeden Fall eine ganz zentrale Bedeutung zu!
Und nur das ist die Aufgabe eines Therapeuten: das zu tun, was Dir hilft!

Habe den Mut!
Es wird vielleicht nicht immer so einfach, wie Du denkst, darüber zu sprechen! Aber es wird Dir helfen!

Alles Gute,

Bernd