Problem von Maria - 35 Jahre

Genug von der Familie und Mutterdarsein

Eigentlich kann ich mein Problem in einen Satz verpacken: ich will keine Mutter und Ehefrau mehr sein!
Mein Sohn ist fast vier und seit einigen Monaten höchst anstrengend. Ständig werden Grenzen ausgetestet, das Wort "Nein" ist mein häufigstes Wort, ständig wiederhole ich wie eine kaputte Schallplatte "Laß das! Nimm das weg! Nein!"
Ich sage meinem Sohn konkret, wenn ich etwas nicht will, aber ständig fallen ihm neue Sachen ein.
Er geht ca. 7 Stunden in den Kindergarten, bekommt Zeit und Spielstunden von meinen Mann und mir, aber ich habe das Gefühl nur noch für die Bedürfnisse der Familie zuständig zu sein.
Gerade möchte ich mich beruflich verändern und suche nach einen neuen Job, auch weiter entfernt, da es in meiner Region leider keine entsprechende Angebote gibt. Die erste Frage lautet immer: Was wird mit deinem Sohn? Die zweite: Was wird mit Deinem Mann? Jetzt frage ich mich, wo ich bleibe. Ein Umzug oder Pendeln ist doch heutzutage kein Problem, auch nicht für ein Kind, aber selbst Verwandte zeigen offen ihre Zufriedenheit, wenn ich Absagen bekomme, weil ich dann hierbleibe. Echte Unterstützung oder Verständnis finde ich nicht.
Auch im Urlaub ist für mich keine Erholung. Der Alltag findet nur woanders statt, weil sich wieder alles nach dem Kind richtet. Ich komme weder zum Lesen noch zum Ausruhen noch zu meinen Hobbies. Inzwischen gibt es die Fünf-Minuten-Regel: nach 5 min kommt immer einer an und möchte was von mir. Mir fehlt eine Auszeit von mehreren Tagen. Eine halbe oder ganze Stunde genügt inzwischen nicht mehr für mich um zu entspannen.
Inzwischen denke ich daran meine Familie zu verlassen, weil ich die Verantwortung nicht mehr tragen will. Ich komme mir einfach vor wie in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier": jeden Tag morgens und abends das Gezeter mit meinem Sohn, dabei bin ich meist geduldig, aber inzwischen bin ich nur noch angespannt in Erwartung des täglichen Theaters.
Was soll ich tun?

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Maria,

so verständlich es ist, was Du schreibst:
"ich will keine Mutter und Ehefrau mehr sein!"
so sehr kommt der Satz herüber wie ein Satz Deines eigenen bockigen Kindes. In Gedanken sehe ich Dich bei diesem Satz mit verschränkten Armen, verkniffenen Mund und mit dem Fuß aufstampfend.

Aber natürlich weißt Du, dass "Mutter sein" kein Job ist, den man irgendwann mal aus einer Laune heraus angenommen hat und den man "kündigen" kann, wenn es nicht mehr passt.
Natürlich willst Du "nicht nur" Mutter und Familienknecht sein!
Natürlich geht es Dir eigentlich darum, dass Deine Umwelt aufwacht und Dich unterstützt und Dir hilft, auch noch "Du selbst" zu sein!
Das ist eine der Zwickmühlen, die das Leben für uns bereithält: einerseits denkt man, für Kinder ist später immer noch Zeit. Und dann, wenn man erst einmal 31 Jahre lang "ich selbst" sein durfte, ist die Umstellung auf eine vollständige Familie wie ein Bruch mit dem bisherigen Leben?
Ein so starker Bruch, dass man erst gar nicht auf die Idee kommt, dem Sohn noch ein Geschwisterchen zur Seit zu stellen? Schade eigentlich. Weil die Zeit, die die Geschwister später miteinander verbringen würden, wird Dein Einzelkind vielleicht zusätzlich an Deinem Rockzipfel hängen?

Damit Du bald einmal wieder mehr als 5 Minuten am Stück für Dich hast, ist es vielleicht sinnvoll, eine Mutter-Kind-Kur zu beantragen, bevor Du vollkommen ausgebrannt bist!
Schau doch mal unter dem folgenden Link nach:

http://www.kur.org/start.html

Insgesamt habe ich Deine Situation so verstanden:
So wie es aussieht, hast Du und Dein Mann jeweils Arbeit. Du schreibst, dass der Vater auch Zeit mit eurem Sohn verbringt.
Was ich nicht beurteilen kann: wo Dein Mann Dich im Haushalt und insgesamt so entlasten könnte, damit Du Zeit für Dich hast.
Zeit auch, um einmal mit einer Freundin shopen oder ins Kino zu gehen.
Habt ihr euch darüber einmal sachlich ausgesprochen?

Bei Deiner Jobsuche habe ich auch ein wenig Bauchweh. Vielleicht, weil ich ein Mann bin?
Auf jeden Fall würde es mir widerstreben, wenn ich selber auf meinem Arbeitsplatz "festgenagelt" wäre, und sich meine Frau "ohne Not" eine andere Arbeit suchen würde. Das kann dann den Anschein erwecken: meine Arbeit für die Familie (die darf nicht zur Debatte stehen, wenn sie Grundlage des Familieneinkommens ist?) und Deine Arbeit nach dem "Lustprinzip"?
Du schreibst von Umzug oder Pendeln! Das ist sicherlich kein Problem! Ein Umzug bedeutet hauptsächlich einen Wechsel der Bekannten und Freunde. Und kostet Geld, dass erst einmal wieder verdient werden muß.
Und Pendeln kostet zusätzlich zu dem Geld auch Zeit! Sehr viel Zeit! Kein Problem! Aber sehr schnell sehr lästig, wenn zu der reinen Arbeitszeit täglich eben mal 2 unproduktive Stunden Fahrzeit dazukommen. Bei gut funktionierendem ÖPNV kann das schon genutzt werden: in der Bahn kann man lesen oder die Gedanken schweifen lassen.
Dumm ist es nur, wenn Du dann auf ein Auto angewiesen bist: dann sind das auch noch 2 Stunden Fahrstress!
Wenn Du die Hauptverdienerin bist, gilt das, was ich bisher geschrieben habe natürlich auch andersherum! Wenn der Job Deines Mannes eher seinem Spaß dient, spricht nichts dagegen, dass er mit Dir zusammen Deiner beruflichen Karriere hinterherzieht!

Insgesamt, liebe Maria, sollte alles doch auf einen vernünftigen Ausgleich der Interessen jedes Familienmitgliedes herauslaufen?
Und dabei solltest Du vielleicht eure Ehe als eines der Güter sehen, das es auch zu schützen gilt?

Mehr Zeit für Dich wirst Du auch haben, wenn Du z.B. in Teilzeit arbeitest.
Vielleicht geht das ja auch in Deinem jetzigen Job? Das "Weniger" an Einkommen sparst Du bei den Wegen, die Du nicht "pendeln" mußt!
Vielleicht kannst Du ja mit Deinem Mann einen Abend (pro Woche, alle zwei Wochen oder monatlich) ausmachen, an dem Du komplett "Familienfrei" bekommst? Einen Abend, den Du nur für Dich selber hast und planst?
Vielleicht kannst Du mit Deinen Eltern oder Schwiegereltern Wochenenden ausmachen, an denen sie sich um den Enkel kümmern und Du und Dein Mann zusammen für euch beide habt?

Konnte ich Dir einige Anregungen geben?

Ich wünsche Dir und den Deinen alles Liebe!

Bernd