Problem von Anonym - 23 Jahre

(an Johannes) http://mein-kummerkasten.de/289723/Mutter.html

Hallo Johannes!
Ich finde es sehr gut, dass ihr euch Zeit für die Probleme anderer Menschen nimmt. Allerdings habe ich mich über diese Antwort ziemlich geärgert. Zwar waren einige Tipps sicher hilfreich: Gespräch mit Mutter, Vater informieren, Vertrauensperson suchen, evtl. Anwalt einschalten, Internetlink…Soweit so gut. Aber einige Sätze hättest du dir auch sparen können bzw. anders formulieren müssen.

Zum Beispiel schreibst du einerseits, dass Gewalt in keiner Form gerechtfertigt ist und du die Mutter nicht in Schutz nehmen willst, aber dann wieder: „Wenn Eltern ihre Kinder schlagen, haben sie meistens einen guten Grund dafür. Du könntest ja mal überlegen, was in deiner Mutter vorgeht, dass sie keine andere Möglichkeit mehr sieht, als dich zu schlagen.“ Das war sicher für den Jungen ein Faustschlag ins Gesicht. Für mich war es das jedenfalls. Der Junge in dieser Situation wird wahrscheinlich die Schuld bei sich suchen und denken, dass es Ausnahmefälle bzw. Grauzonen gibt, die das Schlagen der Kinder erlaubt, wenn gute Gründe vorhanden sind. Das sagt der Satz zumindest für mich aus. Du schreibst in diesem Abschnitt, dass du das Verhalten der Mutter nicht rechtfertigen möchtest, aber dass hast du in dem Moment getan, weil du nur spekulieren konntest ohne die wahren Beweggründe der Mutter zu kennen. Was soll dem Jungen das bringen? Soll er mehr Verständnis für seine Mutter zeigen? Mitleid, weil sie mit ihm überfordert ist?

„Ihr könntet ja Kompromisse eingehen: Sage deiner Mutter, dass du ab sofort mehr für die Schule tust und dafür darf sie dich auch nicht mehr schlagen. „
Das würde allerdings bedeuten, dass er bei der nächsten fünf wieder körperliche Strafen zu befürchten hätte. Denn es war ja ausgemacht, dass es bei guten Noten keine Schläge gibt. Im Umkehrschluss heißt das dann aber auch wieder: schlechte Noten=Schläge.
Außerdem suggeriert es dem Jungen, dass er selber Schuld ist, wenn er Schläge bekommt. Er hätte ja lernen können, dann wäre nichts passiert…
Der Junge schreibt, dass er wegen jeder Kleinigkeit geschlagen wird. Daher glaube ich nicht, dass Schule das einzige Thema ist. Der Kompromiss lautet dann: Sei lieb, fleißig, tu was ich dir sage, nerv nicht, gib keine Widerworte, dann hast du auch nichts zu befürchten. So kann jedoch kein Mensch glücklich werden.

Ich finde gut, dass du ihm zu einem Gespräch mit der Mutter geraten hast, allerdingsmit dem Rat erst zum Anwalt zu gehen, „ wenn gar nichts anderes mehr geht und du jeden Tag starke Schmerzen aufgrund den Schlägen deiner Mutter hast“, beschwichtigst du die Situation des Jungen meiner Meinung nach wieder. Wann ist es denn schlimm genug? Der Junge bekommt fast täglich Schläge und ihm wurde mit einem Stöckelschuh auf dem Kopf eingeschlagen. Natürlich sollte ein klärendendes Gespräch nicht unterlassen werden, aber wenn die Mutter nicht einsichtig ist und nochmals körperlich gewalttätig wird, würde ich raten sofort Hilfe zu holen! Schließlich ist hier nicht die Rede von einem einmaligen Ausrutscher. Warten bis die Situation gar nicht mehr ertragbar ist und dann erst rechtliche Schritte einzuleiten, schadet nämlich nicht nur der Mutter-Kind-Beziehung sondern auch der Psyche des Kindes/Jugendlichen und das vielleicht ein Leben lang. Da ist es doch sinnvoller sich frühzeitig Hilfe zu holen. Daher würde ich auch zur professioneller Hilfe raten, wie z.B. das Jugendamt. Auch eine sehr gute Anlaufstelle ist in diesem Fall der deutsche Kinderschutzbund (DKSB). Dieser setzt sich für die Rechte der Kinder ein, besonders für eine gewaltfreie Erziehung und ist in fast allen Städten Deutschlands vertreten. Die Einrichtungen besitzen auch Beratungsstellen, die das Kind oder der Jugendliche ggf. alleine besuchen können und auch die berühmte Nummer-gegen-Kummer falls, man eine anonyme telefonische Beratung bevorzugt, ist ein Angebot. (Bei Google einfach Kinderschutzbund + nächstanliegende Stadt einfügen)

Lieber Johannes, Worte können sehr mächtig sein; zum Guten wie auch zum Schlechten. Bitte denk daran, vor allem wenn du dein Gegenüber nicht kennst und einschätzen kannst. Daher KEINE Spekulationen mehr, sonst kann es passieren, dass du daneben liegst ;-)

LG

Johannes Anwort von Johannes

Liebe Unbekannte,

ich danke für recht herzlich für dein Feedback. Wahrscheinlich habe ich einige Formulierungen wirklich nicht richtig getroffen.

Du nennst das Beispiel: „Wenn Eltern ihre Kinder schlagen, haben sie meistens einen guten Grund dafür. Du könntest ja mal überlegen, was in deiner Mutter vorgeht, dass sie keine andere Möglichkeit mehr sieht, als dich zu schlagen.“ Das habe ich keinesfalls böse gemeint. Ich wollte den Jungen damit nur ins Nachdenken bringen, warum ihn seine Mutter schlägt. Er soll weder Verständnis für seine Mutter zeigen, noch Mitleid mit ihr haben, weil sie mit ihm überfordert ist. Außerdem habe ich dazu noch geschrieben: "Ich möchte das Verhalten deiner Mutter auf keinen Fall entschuldigen. Ich versuche lediglich eine Erklärung dafür zu finden, warum sie sich dir gegenüber so verhält."

Dein Kompromissvorschlag ist auf jeden Fall besser: "Sei lieb, fleißig, tu was ich dir sage, nerv nicht, gib keine Widerworte, dann hast du auch nichts zu befürchten."

Ich danke dir ganz herzlich für dein Feedback: Und zwar in erster Linie für die Kritik, aber auch für deinen ersten Satz, dass du es gut findest, dass wir uns Zeit für die Probleme anderer Menschen nehmen. Das machen wir hier wirklich alle gerne.

Ich wünsche dir alles Gute!


Viele Grüße

Johannes