Problem von Melinda - 20 Jahre

Freund verändert sich immer mehr

Hallo liebes Kummerkasten-Team. Leider hab ich noch immer keine Antwort bekommen :( Ich weiß einfach nicht, wohin mit meinen Sorgen. Mit meiner Familie/Freunden kann ich darüber einfach nicht reden, die meisten haben kein Verständnis dafür! Es geht um einen sehr guten Freund von mir, ja fast sowas wie beste Freunde sind wir. Er hat echt eine schwere Kindheit und einen schweren Weg hintersich und ich kenne ihn 'schon' seit 5 Jahren, aber ich verliere ihn immer mehr (oder er sich selbst). Jetzt ist er 20 Jahre alt. Klar, Menschen verändern sich durch Erfahrungen aber er ist einfach nicht mehr er selbst. Er nimmt Drogen (Koks) und wird immer oberflächlicher und egoistischer. Ich erzähl mal, wann das so anfing. Wie gesagt, er hatte eine schwere Kindheit lief nicht alles toll, hat seine Mutter verloren. Begann zu trinken und dann ab und zu ne Line gezogen. Ich konnte nie was dagegen tun. Meine beste Freundin war mit ihm zusammen und in der Zeit war er echt glücklich, dass hat man gespürt! Aber sie hat ihm leider immer wieder misst
raut (Obwohl er zu dem Zeitpunkt echt nix genommen hat das glaube ich ihm). Immer wenn er mal auf Klo ginge oder komisch drauf war, dachte sie, er hätte was genommen. Ich habe ihr auch gesagt, dass das früher oder später die Beziehung zerstört, wenn sie ihm nicht vertraut! Dann hat er die Beziehung beendet, sie war nicht besonders glücklich drüber und er auch nicht, aber ich denke mal, dass es schon die richtige Entscheidung war, denn ohne Vertrauen bringt doch alles nix. Aber dann fing es erst richtig an. Nun ja er hat gutes Einkommen kauft sich dauernd teure Sachen z.B Designerklamotten für 500€ pro Stück hat desöfteren irgendwelche 'Affären' die aber nur (wie er wörtlich sagt) : 'fürs f.... gut sind!' Früher gab es noch Werte für ihn seine Religion hat ihm viel bedeutet, seine Familie und seine Freunde. Und jetzt sind es nur noch teure Markenklamotten, irgendwelche Weiber und seine Drogen. Er zieht jetzt wieder regelmäßig ne line, einfach mal aus 'spaß' wenn man sagt, er
soll das lassen oder man versucht, für ihn da zu sein, wird er richti�g aggressiv und kommt mit Sachen an bei mir wie 'du bedeutest mir eh nix ich weiß dass ihr nicht ohne mich könnt, weil ich ja der beste bin' und dann an anderen Tagen ist er wieder total nett und dann heißt es 'das war ja nicht so gemeint wir müssen ja mal wieder was machen :)' und am nächsten Tag sind alle Arschlöcher und sein Leben bedeutet ihm nix mehr und er will dann einfach nur sterben und gibt sich dann richtig die Kante. Manchmal fragt er ob ich auch was ab haben will von sein Drogen bin aber totaler Drogen-Gegner. Er war schon öfters mal wegen zu vielem Alkohol im Krankenhaus oder lag mal paar Tage flach weil er so viele Tabletten geschluckt hat. Ich finde es so traurig, wie er sich verändert... Er ist eigentlich so ein lieber Mensch, ich will ihn einfach nicht verlieren aber er will sich einfach nicht helfen lassen ich kann das doch nicht zulassen dass er so mit mir und auch anderen umgeht und vo
r allem mit sich selbst... Eine zeitlang ging das ja ohne Drogen - dann wo er wirklich glücklich war wieso jetzt nicht auch. Ich dachte immer er hätte so ein starken Charakter, war immer der Kämpfer. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ob ich ihm überhaupt helfen kann? :(

Adriano Anwort von Adriano

Liebe Melinda,

vielen Dank für deine Nachricht! Zunächst einmal bitte ich im Namen des Teams um Entschuldigung, insofern du schon seit langer Zeit auf eine Antwort warten solltest und hier bereits zum zweiten Mal schreibst. Uns erreichen täglich viele Nachrichten. So viele, dass wir leider nicht alle so schnell beantworten können, wie es sich die Hilfesuchenden oftmals wünschen. Wir danken dir aber für dein Vertrauen und deine Geduld!


Deine Problematik ist eine, die mir keinesfalls unbekannt ist. Auch aus persönlicher Erfahrung kann ich dem, was du beschreibst, sehr gut nachempfinden. Als hilfsbewusste Freundin, die du zu sein scheinst, fällt es einem absolut nicht leicht, mit dieser Situation umzugehen, wenn sich ein guter Freund dermaßen verändert.

Melinda - meine Antwort auf dein Problem muss keineswegs die richtige sein, doch habe ich zumindest einige Gedanken dazu, die dir vielleicht weiterhelfen können. Auch wenn sie zunächst einmal nicht danach klingen sollten, was du dir vorgestellt hast. Zunächst einmal finde ich es ganz klasse von dir, dass du deinem Freund offenbar schon seit vielen Jahren als treue Begleiterin zur Seite stehst, immer zur Seite gestanden hast. Nicht viele Menschen können sich darüber glücklich schätzen. Und die, die sich glücklich schätzen sollten, tun es nicht oder tun es nur unzureichend. Das, was du nämlich auf dich nimmst und bereits auf dich genommen hast, ist so gesehen auch ein "Full-Time-Job", ein emotionaler nämlich. Dass du die Freundschaft, trotz seines Drogenproblems, nicht aufgeben möchtest, ist ein ganz wichtiger Punkt, den du offenbar in der Vergangenheit auch mehrmals bewiesen hast. Und dieser Punkt, liebe Melinda, ist dein bestes Mittel, nicht nur deinen Freund vor dir Wahl zu stellen, sondern dich 1.) einerseits zu entlasten und 2.) andererseits deinem Freund unmissverständlich mitzuteilen, dass es er ist, der die Freundschaft in Gefahr bringt.

Der Punkt ist, Melinda, dass Drogenprobleme nicht nur die Eigenschaft haben, den Menschen, der von ihnen abhängig ist, zu zerstören, ihn zum Negativen zu verändern. Was viele nämlich übersehen, eben weil sie eher ihre freundschaftlichen Gefühle in den Vordergrund gestellt sehen, ist, dass ein Drogenproblem auch sie selbst zerstören kann. Das beginnt schon damit, dass man ständig in Sorge ist. Dass beginnt damit, dass man eventuell schlaflose Nächte verbringt. Dass man sich oft streitet. Dass man oft verzeiht, obwohl man nicht verzeihen will. Dass man oft kleinbei gibt, obwohl man dem anderen gerne mal die Meinung geigen will. Es ist gewisser Maßen eine unbewusste, seelische und emotionale Abhängigkeit oder Erpressung, unter die der Helfenden leidet. Der Helfende sieht sich mehr und mehr immer in der Pflicht, dem Freund unnachgiebig Unterstützung anzubieten. Würde er es nicht tun, wäre man doch ein schlechter Freund, ja gar ein schlechter Mensch. Doch das ist ganz und gar nicht so! Viel direkter gesagt: mit diesem Verhalten unterstützt du seine Abhängigkeit!

Melinda, dein Freund leidet an einer Krankheit. Du musst dir in einer Sache ganz klar werden, so schwer es dir auch fallen mag: Dein Freund ist krank! Nicht unheilbar krank, aber er leidet an einer medizinisch anerkannten und therapierbaren Abhängigkeit. Niemand außer er selbst kann sich aus dieser Lage befreien! Keine Freunde, keine Verwandten, keine Eltern, keine Geschwister - nur er selbst kann sich dazu entschließen, aus der Abhängigkeit zu entfliehen, etwas dagegen zu unternehmen. Das Einzige, was du als Freundin wirklich tun kannst, um ihn auf diesen Weg zu lenken, ist folgendes, was nicht leicht ist: Teile ihm unmissverständlich (!) mit, dass du die Freundschaft, die ihr seit Jahren pflegt, keinesfalls aufgeben möchtest. Allerdings nicht mehr unter diesen Voraussetzungen, dass er sich nicht helfen lässt. Teile ihm mit, dass du ständig in Sorge um ihn bist, dass du ständig Angst um ihn hast, und dich diese Gedanken nicht in Ruhe leben lassen. Es ist immerhin DEIN Leben, das du führst, genauso wie er das seine führt. Wenn er meint, dass er dieses Leben so weiterführen möchte, dass Drogen weiterhin sein ständiger Begleiter sein sollen, dann soll er das tun. Aber ohne dich! Sage ihm, dass du diese Belastung auf Dauer einfach nicht mehr aushalten wirst, dass du es eigentlich von ihm erwartest, da er so stark sein kann, dass er eurer Freundschaft zur Liebe darum kämpft, sein Problem endlich anzugehen.

Sicher, Melinda, das ist eine krasse Offensive. Aber die einzige, die deinem Freund zeigt, dass sein Lebensstil nicht nur sich selbst schadet, sondern auch seinen Freunden. Ich bin in vielen Angelegenheiten ein Freund davon, die Dinge einfach in einem Brief niederzuschreiben. Manchmal nämlich findet man in Briefform die besseren und kräftigeren Worte, zumal in dieser Form die Zeit nicht das beschränken kann, was du zu sagen hast.


Ich hoffe sehr, dass du für dich einen geeigneten Weg findest. In einer Sache möchte ich dir aber nochmal meine absolute Überzeugung aussprechen: Du musst dich aus dieser emotionalen Abhängigkeit lösen. Es ist für dich eine Einbahnstraße, und sie wird es bleiben. Niemand wird ihn zur Bekämpfung seines Drogenproblems bringen können, nur er sich selbst. Doch das, was man als Freund tun kann, ist, ihm die Auswirkungen vorzuhalten, wenn es so weitergehen sollte. Freundschaft hin oder her - man muss bereit sein, sie aufs Spiel zu setzen. Dein Freund tut es bereits.


Viel Kraft & alles Gute,
Adriano


Ps: Du kannst dich gerne jederzeit wieder hier zu Wort melden.