Problem von Anonym - 23 Jahre

Mein Freund hat Krebs

Erstmal Hallo,

ich habe kurz vor Weihnachten erfahren, dass mein Freund Hodenkrebs hat. Da waren wir ein Jahr zusammen, waren aber vorher schon sehr lange Zeit befreundet. Ich habe immer versucht stark zu sein um ihn beizustehen, aber seit gut ein Monat kann ich damit nicht mehr umgehen. Die Beziehung ist eigenartig geworden. Seit Oktober hatten wir kein Geschlechtsverkehr, ich musste ständig seine Launen (durch die Schmerzen und Ungewissheit) ertragen. Und jetzt bin ich total am Boden, bin nur noch am weinen und mir ist dauernd schlecht (ab und an muss ich mich auch übergeben). Es fühlt sich eigenartig, als wäre da keine Liebe mehr. Ich habe bereits mit ihm drüber gesprochen, weil er mir verdammt wichtig ist und ich mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen kann.
Meine Frage ist, ob so eine Krankheit solche Gefühle hervor rufen kann und ob es normal ist, dass ich riesige Angst vor der Zukunft habe und nichts mehr planen will?

Ich brauche dringend Hilfe...Ich schaffe das nicht mehr allein!

Michaela Anwort von Michaela

Hallo!
Vielen Dank für deine Email.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ihr momentan eine sehr schwere Zeit durchmacht. So eine Diagnose ist für niemanden einfach wegzustecken; weder für den Betroffenen, noch für die nächsten Angehörigen.
Für deinen Freund ist mit dieser Diagnose erstmal eine Welt zusammengebrochen. Er ist noch ein junger Mann, der sich jetzt fragen muss, wieviel Zeit ihm eigentlich noch zum Leben bleibt. Er weiß nicht, ob die Chemo anschlägt, er weiß nicht, ob er nach Chemo und Bestrahlung vielleicht unfruchtbar ist. Er hat Schmerzen und er weiß nicht, wie es weitergehen wird. Sein Leben hat sich komplett verändert und er hat schlicht und ergreifend Angst, Todesangst. Natürlich hat er im Moment oft schlechte Laune und eben auch keine Lust auf Sex. Vielleicht bereitet ihm der Sex auch nochmal zusätzliche Schmerzen, das kann ich von hier aus nicht beurteilen.
Für dich ist die Situation auch sehr schwer, gar keine Frage. Es ist schwer, einen geliebten Menschen leiden zu sehen und ihm nicht wirklich helfen zu können. Du bist gezwungen, in jeder Situation auf ihn Rücksicht zu nehmen und dir fehlt einfach mal eine Schulter zum Anlehnen. Und du bist auch noch sehr jung und hast dir die Beziehung sicherlich auch anders vorgestellt. Du brauchst wirklich Hilfe und das ist auch keine Schande. So einen großen Packen kann niemand alleine schleppen.
Ich habe dir mal ein paar hoffentlich hilfreiche Links rausgesucht:
http://www.krebs-kompass.de/
http://www.krebsforum-fuer-angehoerige.de/forum/hmportal.php
http://www.meinkrebs.de/meinkrebs/kommunikation/main.php
Hier findest du erste Anlaufstellen im Netz.
Wichtig ist auch, dass du und dein Freund immer miteinander sprecht. Setzt euch mit euren Ängsten auseinander und seid offen miteinander. Scheu dich nicht, die Sachen anzusprechen, die dich belasten.
Es ist auch ganz natürlich, dass du eine riesige Angst vor der Zukunft hast. Und daraus resultiert auch, dass man nicht mehr langfristig planen möchte. Man weiß ja gar nicht, was die Zukunft bringt und ob man denn noch eine hat.
Aber so schwer das auch ist: ihr dürft euch davon nicht entmutigen lassen! Die Diagnose ist ja jetzt auch schon wieder drei Monate alt. Vielleicht kann man euch jetzt schon eine differenziertere Prognose geben. Wichtig ist, immer einen guten Kontakt zu den behandelnden Ärzten zu haben. Sie können deinem Freund am besten sagen, was ihn erwartet und was die nächsten Schritte sind. Und wenn ihr gut informiert seid, wird es auch leichter, mit der Krankheit umzugehen. Denn den Umgang damit müsst ihr lernen. Die Krankheit gehört jetzt erstmal zu eurem Alltag und das Beste ist wirklich, sich in irgendeiner Form damit zu arrangieren. Und wenn du wirklich nicht mehr weiter kannst in der Beziehung, ist es vielleicht besser, sich zu trennen. Du musst dir gegenüber ehrlich sein, ob die Liebe aufgrund der ganzen Probleme einfach nur in den Hintergrund gerückt oder ob sie erloschen ist. Das kannst aber nur du beurteilen und dann dementsprechend eine Entscheidung treffen.
Ich glaube, ihr solltet erstmal wieder anfangen, miteinander zu sprechen. Macht kleine Zukunfstpläne, die sich auch gut realisieren lassen. Er ist zwar ein kranker Mensch, aber du darfst ihn nicht fortwährend so behandeln. Dann wird er sich noch schlechter fühlen. Nimm Rücksicht auf ihn, aber nicht grundsätzlich. Du musst auch mal sagen können, wenn dir etwas nicht passt. Wenn du das nicht machst und deine Sorgen immer nur runterschluckst, wirst du krank, dass merkst du ja schon. Such dir einen Ausgleich zu euren gemeinsamen Alltag und sorge dafür, dass auch dein Freund das macht, soweit das für ihn momentan möglich ist. Die Krankheit gehört zu eurem Alltag, sie darf aber nicht allen Raum einnehmen. Das ist ein schwieriger Spagat, das weiß ich. Deshalb: such dir wirklich Hilfe! Die Online-Foren können eine erste Anlaufstelle sein; in vielen großen Städten gibt es auch Selbsthilfegruppen, wo man Hilfe findet. Einfach mal googeln. Bleib nicht alleine mit deinem Problem, es gibt viele andere mit dieser Krankheit und ein Austausch mit anderen Betroffenen ist meistens sehr hilfreich.
Ich wünsche euch alles erdenklich Gute und die nötige Kraft, um diese schwere Zeit durchzustehen.

Micha