Anwort von Adriano

Lieber Dominik,

zunächst einmal vielen Dank für deine Nachricht. Ein Outing ist natürlich ein ganz besonderes Ereignis. Besonders deshalb, weil es eben unmittelbaren Einfluss auf dein Leben nimmt. Für die einen läuft es problemlos ab, für andere kann der Weg sehr steinig werden. Es gibt nunmal die großen Ängste und Unsicherheiten, die man mit sich herum trägt. Wie nun auch in deinem Fall, da du dir unsicher bist, dich gegenüber deiner Mutter zu outen. Du schreibst auch, dass sie etwas gegen Schwule hat.

Dass du da nichts riskieren möchtest, ist absolut verständlich. Wie ich sehe, bist du ja auch noch sehr jung, was einem möglichen Outing, gegenüber wem auch immer, ja doch noch eine weitere Besonderheit verleiht. Prinzipiell jedoch kann ich verstehen, dass du diesen Gedanken mit jemandem teilen möchtest. Und grundsätzlich ermutige ich jeden, diesen Schritt irgendwann zu gehen. Einen "In-10-Schritten-zum-erfolgreichen-Outing"-Plan gibt es leider nicht, zumindest ist der mir nicht bekannt, da die individuellen Umstände eben immer ins Gewicht fallen. Eine adhoc-Lösung, wie du es deiner Mutter am besten sagen könntest, kann ich dir deshalb nicht wirklich geben. Manche Eltern, die etwas gegen Schwule haben, reagieren dann bei einem Outing des eigenen Kindes wiederum sehr einfühlsam und verständnisvoll, für andere wiederum, die sich zuvor noch tolerant gezeigt haben, zerbricht in diesem Moment eine Welt. Da ich den Charakter und das Wesen deiner Mutter nicht kenne, ist es mir leider nahezu unmöglich dir da einen passenden Tipp zu geben.

Doch hier mal ein paar Gedanken - wenn es jemanden in deiner Familie neben deiner Mutter gibt, zu dem du einen sehr guten Draht hast, beispielsweise zu einer Tante, einem Onkel, Oma oder Opa, Cousin oder Cousine, Bruder oder Schwester, wäre es doch eine Überlegung wert, dich denen gegenüber erst einmal zu outen. Insofern du da jemanden hast, von dem du der Meinung bist, er oder sie würde darauf gut reagieren, könnte er oder sie dir vielleicht auch hilfreich zur Seite stehen, wenn es um das Outing vor deiner Mutter geht. Wenn du dir absolut sicher bist, dass du deine Gedanken endlich jemanden mitteilen möchtest und du einen sehr guten Freund/eine sehr gute Freundin hast, der/die zu dir steht, könntest du auch dort ein vertrauensvolles Gespräch suchen. Manchmal reicht es ja für den ersten Schritt schon einmal, dass es überhaupt jemanden gibt, der davon weiss. Und das ist in vielen Fällen nicht etwa jemand aus der Familie, sondern ein Freund oder eine Freundin, der davon zuerst erfährt.

Wenn es dir ganz wichtig ist, dich gegenüber deiner Mutter zu outen, gibt es da zumindest ein sehr hilfreiches Mittel, wie du einem direkten Gespräch einerseits entgehen, ihr aber dennoch all deine Gedanken und vor allem Ängste mitteilen kannst. Und zwar in Briefform. So ein Brief kann, muss aber nicht von Heute auf Morgen entstehen, so ein Brief kann nämlich alles beinhalten. Seit wann du diese Gefühle hast beispielsweise. Aber eben auch, dass du große Angst davor hast, dass dich deine Mutter danach nicht mehr mag, dass du dir nichts mehr wünschst es ihr endlich zu sagen. Dem Inhalt sind absolut keine Grenzen gesetzt! Vielleicht ist das ja eine gute Alternative für dich, auf die du irgendwann zurückgreifen kannst.

Ich wünsche Dir auf deinem Weg alles erdenklich Gute, Dominik. Du kannst Dich natürlich jederzeit wieder hier melden, solltest du weitere Fragen oder Unklarheiten haben. Ich hoffe, dir ein kleines Stück weiter geholfen zu haben.


Viele Grüße,
Adriano