Problem von Carmen - 18 Jahre

http://mein-kummerkasten.de/292380/Ich-will-ein-Junge-sein.html

Hallo Maria und auch hallo Bernd,
ich möchte zuerst etwas zu deiner Antwort sagen, Bernd, und danach auch selber auf dein Problem antworten Maria.

Lieber Bernd,
ich bin der Meinung deine Antwort geht an Marias Fragestellung vorbei. Sie schreibt ganz deutlich, dass sie sich im falschen Körper fühlt, ein Junge sein will, unzufrieden mit sich selbst ist. Ihre Frage: Wie kann sie mit dieser Problematik gegenüber ihrer Mutter umgehen. Deine Antwort: Du gehst auf das Prügeln mit Jungen, die kurzen Haare, Geschlechterklischees und "Liebestipps" ein. Aber mit ihrer Liebe zu Mädchen scheint Maria locker und ziemlich offiziell umgegeangen zu sein (vllt weiß das auch ihre Mutter?!), mit Jungs prügelt sie sich wahrscheinlich auch nicht mehr. Ich finde es schade dass du nicht einmal das Thema Transsexuallität anschneidest, das Thema, dass Maria beschäftigt. Ich weiß nicht, ob du sie zu jung für den Wunsch nach einem anderen Geschlecht hälst oder wir die Frage unterschiedlich verstehen. Aber auch schon Kinder und junge Teenager können sich sehr sicher sein nicht in ihrer momentanen Geschlechtsidentität leben zu wollen. Wird dieser Wunsch einfach ignoriert sind, drastisch formuliert, Ritzen, Depressionen, Ausgrenzung und Selbstmord möglicherweise die Folgen.


Liebe Maria,
das Gefühl im falschen Körper zu leben lässt sich durch kurze Haare und eine Bohrmaschine zum Geburtstag nicht ändern. Du schreibst du hast dieses Gefühl schon so lange wie du dich erinnern kannst. Vermutlich wird es jetzt in der Pubertät deutlciher und drängender.
Zuersteinmal: Wir reden darüber dass du dich als Transsexuelle siehst, ums mal gleich beim Namen zu nennen. Das beudeutet du gehörst körperlich eindeutig einem Geschlecht an, fühlst dich aber dem anderen zugehörig und strebst danach auch so anerkannt zu werden, sprich, du willst als Junge leben. Du schreibst nichts darüber dass du dir nicht ganz sicher bist ein Junge zu sein oder wie du diesen Wunsch wirklich umsetzten kannst. Trotzdem komme ich zuerst einmal dazu und werde später noch etwas zu dir und deiner Mutter schreiben.

Als erstes will ich etwas wichtiges sagen: Der Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung muss gut überlegt sein und sollte nicht leichtfertig ausgesprochen werden. Nur wenn du dich wirklich als Junge und nicht als Mädchen fühlst, nicht nur wenn du vom typischen Mädchenbild abweichst, kannst du diesen Weg gehen. Es ist eine Entscheidung fürs Leben und nicht wieder rückgangig zu machen. Es ist auch heutzutage kein leichter Weg zu einem anderen Geschlecht!

Ein gutes Zitat dazu aus einem der links unten:
"Höchstens jeder zweite Transsexuelle wünscht sich eine Operation. Immer häufiger sind es jedoch Teenager oder sogar Kinder, die mit ihren Eltern auf eine medizinische Behandlung drängen. Sie fürchten sich vor den unumkehrbaren Folgen der Pubertät. Breite Schultern, Bartwuchs, ein männlicher Bass - all dies sind Merkmale eines als falsch empfundenen Geschlechts, gegen die das Skalpell später nichts mehr ausrichten kann. Mitunter schlucken schon Zwölfjährige Hormone, um die körperlichen Veränderungen aufzuhalten.

Die Ärzte stehen vor einem Dilemma: Einerseits drängt die Zeit. Andrerseits können sie sich gerade bei Pubertierenden nicht sicher sein, ob wirklich eine Transsexualität vorliegt. Mitunter steckt hinter dem Wunsch nach einem Geschlechtswechsel auch ein ganz anderes Problem - eine seelische Störung, sexueller Missbrauch oder frühe Anzeichen einer Homosexualität.

Außerdem kann die Pubertät wegen gesundheitlicher Risiken nur für einen begrenzten Zeitraum aufgeschoben werden, bevor sich die oder der Jugendliche endgültig für oder gegen eine Operation entscheiden muss. In Deutschland sind so weitreichende medizinische Maßnahmen bei unter 18-Jährigen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Ob sie überhaupt zu verantworten sind, darüber streiten sich noch die Experten."

Damit will ich dir aber keine Angst machen!
Du schreibst einen verantwortungsvollen, direkten und reifen Text.
Deshalb denke ich du solltest dich darüber informieren, welche Möglichkeiten es gibt um deinen Wunsch zu erfüllen. Es ist sicher gut zu wissen dass du vor dem Beginn jeglicher Therapie mit Experten, vor allem Psychologen sprechen musst! Du wirst also Hilfe bekommen, dir deiner Entscheidung sicher zu sein.
Ich werde am Ende des Textes Links anhängen, ich denke da ist viel nützliches für dich dabei.Ich werde jetzt nicht ewig auf Transsexualität eingehen,da du danach nicht fragst. Kann man sich ja auch gut online informieren :)

Jetzt aber zu deiner Mutter. Du schreibst du willst nix sagen, weil ihr kein gutes Verhältnis habt. Du willst irgendwas tun und das offene Gespräch vermeiden, deine Mama solls halt merken.
Meine Meinung? So wird das nichts. Sei deiner Mama nicht böse! Du hast kurze Haare, bist in Mädchen verliebt, warst anscheinend nie eine barbie. Also wird dich deine Mutter auch nicht als Rüschenprinzessin sehen...Aber das reicht ja nicht. Erwarte nicht von ihr einfach zu merken was in dir vorgeht. Du wirst nichts "tun" können.
Du musst offen mit ihr reden.
Da führt kein Weg vorbei!
Mein rat dafür:
Informier dich. Schreib dir auf was du wichtig findest, wie du dich fühlst, woher du weißt dass du ein Junge sein willst.
Dann such dir vielleicht zuerst eine Freundin,einen Freund, einen anderen Verwandten, einen Vertrauenslehrer, ein Kummerkastentelefon. Sprich mit demjenigen durch was du deiner Mutter sagen willst, quasi als Training und natürlich auch um eine persönlich Meinung und hoffentlich unterstützung zu finden.
Und dann such dir einen entspannten Tag und sag deiner Mutter,dass du mit ihr reden möchtest. Nimm deine Notizen mit, vllt. auch einen ausgedruckten artikel für deine Mutter. Möglicherweise hilft die Anwesenheit einer dritten Person, z.B. aus deiner Familie. Du wirst dich erwachsen verhalten müssen wenn du ernstgenommen werden willst. Keine Anschuldigungen, keine Streitthemen, zeige dass es dir etwas bedeutet.
Am Besten :" Ich möchte mit dir über etwas reden, es ist etwas wirklich wichtiges und ich möchte das du mich ernst nimmst!"
Fall nicht gleich mit der Tür ins Haus. Besser "ich habe lange nachgedacht und bin nicht glücklich so wie ich bin. Ich habe das Gefühl im falschen Körper zu sein. Ich brauche deine Hilfe damit ich nicht alleine damit klarkommen muss. Ich könnte transsexuell sein und möchte zu einem Therapeuten" als "Ich bin ein Junge, Punkt schluss aus." Ich denke der Vorschlag (gemeinsam?) zu einem Psychologen zu gehen würde deiner Mutter zeigen dass du nicht einfach in einer "albernen Phase" steckst sondern dir wirklich Gedanken machst und auch profesionelle Meinung annehmen würdest.

Und am wichtigsten: Versuch auch ihre Reaktion zu verstehen. Es ist unwahrscheinlich dass sie sofort sagt "Ja, versteh ich, ich unterstütze dich bei der Entscheidung" (aber ich hoffe es! :) Sie hat eine Tochter geboren, vielleicht keine Ahnung von Transsexualität und ist verunsichert. Gib ihr Zeit um das Gespräch zu verdauen und erwarte nicht gleich viel Handlung. Ich bin mir sicher deine Mutter liebt dich und wird dich unterstützen.

Falls du wirklich sehr viel Angst vor dem Gespräch hast kannst du auch einen Brief an deine Mutter schreiben.

Sollte sei dich letztlich nicht unterstützen wollen und das Thema ablehnen versuche Unterstützung durch eine Vertrauensperson zu finden, die deine Mutter respektiert. Sobald diese Person mit deiner Mutter spricht wird ihr klar sein wie wichtig es dir ist!

Ich wünsche dir auf jeden Fall alles gute und falls dir meine Antwort geholfen hat und du gerne nocheinmal mit mir schreiben willst, bin ich damit einverstanden dass dir das Team meine Mailadresse gibt.

Liebe Grüße.
Carmen

Hier die Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Transsexualit%C3%A4t (grundlegendes)

www.trans-eltern.de (forum, für euch beide. Hilft deiner mutter sicher auch zu sehen dass sie und ihr nicht alleine seid!)

http://www.stern.de/gesundheit/transsexuelle-fremd-im-eigenen-koerper-1521741.html (sehr guter Artikel)

http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/als-junge-im-falschen-koerper-aus-janina-wird-jan-a-546503.html (Wohnprojekt)

http://www.transsexuell.de/start.shtml

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/transsexualitaet-gefangen-im-falschen-koerper-1464243.html (Problematik des Alters und der Therapie)

http://www.stern.de/gesundheit/4-transsexuelle-fremd-im-eigenen-koerper-1521741.html

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Carmen,

das Thema Transsexualität" hatte ich fast genau vorher hier als Anfrage gelesen! Und ich selber kenne eine wirklich patente Fahrdienstleiterin, die noch vor Zeiten Fahrdienstleiter war.
Du magt es glauben, oder nicht: ich erkenne jederzeit die Dame in ihr!
Die erste versucht nun, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, letztere ist tough genug, sich durch keinen blöd anmachen zu lassen!

Was ich sagen wollte?

Viele fühlen sich wohl auch nur "im falschen Körper", weil mit den "sekundären Geschlechtsmerkmalen" in unserer Gesellschaft immer noch "eine Rolle" zugeteilt wird?

Das mit der Bohrmaschine? Ich schäme mich ein wenig darob!

Eine Freundin von mir hatte mich mal gefragt, warum Mädchen immer nur "rosa Puppen" und "Kerle" Bohrmaschinen geschenkt bekommen.

Für mich ist seit dem die erste Frage: geht es eigentlich eher darum, was wir von einem Menschen erwarten (wenn es ein Mädchen ist?)
Wenn Maria oder wer auch immer nicht dem Klischee eines Mädchens entsprechen will ist das doch Prima!
Das allein macht sie aber doch nicht zu solch einem Arsch, wie einen Mann!

Alles Liebe,
Bernd