Problem von Anonym - 16 Jahre

Re2 Komme einfach nicht weiter

http://mein-kummerkasten.de/293333/Re-Komme-einfach-nicht-weiter.html

Hallo Bernd,

vielleicht sprengt es jetzt den Rahmen, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, dir nicht noch einmal zu antworten. Ich freue mich natürlich immer über eine Antwort, aber wenn dein Gefühl dir etwas anderes sagt, musst du mir nicht antworten, du hast mir schon sehr geholfen. :-)

Super schönes Lied. Es passt tatsächlich!

„Nein, diese Mittel haben wir nicht! Wodurch entsteht denn "Unglück"?
erstes Beispiel: unglücklich verliebt!“ Dagegen kannst Du nur etwas tun, wenn du die Skaverei wieder einführst: wer verliebt ist, kann "Eigentümer" des geliebten Menschen werden!
Liebeskummer ist oft nichts anderes als die Erkenntnis, dass uns der geliebte Mensch nicht "gehört"!

Das meinte ich anders, da hätte ich differenzieren müssen. Liebeskummer ist, wie soll ich es ausdrücken, konstruktives „Unglück“. Die Erkenntnis, dass uns der geliebte Mensch nicht gehört, ist eine gute Erkenntnis! Natürlich, Liebeskummer ist wohl eines der schmerzhaftesten Erlebnisse, die jeder Mensch mal machen wird. Aber wir alle gehen (meistens) gestärkt daraus! Und das ist eine sehr positive Sache.
Was anderes ist diese komische „Dauerdepression“, der viele (und es sind wirklich viel zu viele) verfallen sind. Die bringt niemanden weiter! Weißt du was ich meine?

„“Fühlen wir nicht, was wir damit denen und uns selbst antun?" Nein, diese Mittel haben wir nicht!(...) Deine Intention spüre ich schon. Und bitte entschuldige und versuche es in der Richtung zu verstehen, die ich ausdrücken will und hoffentlich auch so zu Dir transportiert bekomme: (...)“

Wenn ich das jetzt zu sehr aus den Zusammenhang gerissen habe, tut es mir leid. Aber es war mir wichtig eine Sache zu klären: Ich denke schon in kleineren Dimensionen. Und hänge auch nicht Sachen nach, die ich sowieso nicht ändern kann. Ich habe mir nicht zum Ziel gesetzt, den Hunger in der Welt zu bekämpfen und auch nicht, den Unfall auf der Autobahn zu verhindern. Mal drastisch ausgedrückt, ich will schon gar nicht sinnlos daneben stehen und mich hinter der Maske der aufgesetzten Empathie an dem Elend der Welt „aufgeilen“. Ich will einfach nur fühlen, wie es meinem Gegenüber geht. Ich will fühlen, wie es mir geht und warum. Und daraus dann die Konsequenzen ziehen! Heißt: Ich will aus der kleinen vom Egoismus geprägten Welt (in der ich mich zweifellos noch befinde) irgendwie ausbrechen. Mehr nicht. Aber das ist schon verdammt schwer. ;)

So, das musste ich noch irgendwie erklären.

Liebe Grüße

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte,

es sprengt nicht den Rahmen! Es ist schön, sich mit Dir auszutauschen und es bringt mir jedesmal selber auch die Muße zum Nachdenken! Und ich denke, dass auch einige andere Leser etwas aus unserem Diskurs mitnehmen konnten.

Deine Zeilen zum Thema "Liebeskummer" z.B. würde ich gerne jedem hier ans Herz legen, der unter diesem Schmerz gerade leidet!
Aber das Thema ging ja an Deinen derzeitigen Gefühlen, Deiner Einsamkeit vorbei!?

Du meintest eher was Du so beschreibst:
"Was anderes ist diese komische „Dauerdepression“, der viele (und es sind wirklich viel zu viele) verfallen sind. Die bringt niemanden weiter! Weißt du was ich meine?"

Ja (denke ich zumindest)! Und es fällt mir spontan auch sehr vieles dazu ein. Allerdings komme ich dann immer schnell wieder zu Schlagwörtern: Reizüberflutung! Zunehmende Arbeitsteilung und demgemäß auch zunehmende "Fachidiotie"! Zunehmende "Überforderung"! Neid und Mißgunst! Abnehmende soziale Bindung! Und abnehmende Identifikation mit dem eigenen Tun und Sein.

Und nun bin ich vielleicht bei Dir: zunehmender Frust, dieser Welt, die es niemandem mehr gestattet, auch nur annähernd "einen Überblick" zu bekommen, um ihr gerecht werden zu können?
Zunehmender Frust auch darüber, von der Welt nicht gerecht gesehen und behandelt zu werden?

Gottfried Wilhelm Leibniz war wohl der Letzte, den man als Universalgelehrten bezeichnen konnte? Und der war Jahrgang 1646: also 2 Jahre vor Beendigung des 30 jährigen Krieges!

Dabei fängt es ja nicht bei den Forschern und Gelehrten an! Es geht bei den Ausbildungsberufen los!
Als ich 14 war, gab es noch 8 Klassen in der damaligen "Volksschule" und mein Freund machte dort den Abschluß und bekam direkt eine Ausbildungsstelle als Installateur.
Mit 17 Jahren war er ausgelernt! Das heißt er war "fertig". Hatte gar keine Zeit (und auch keine Veranlassung) mehr, sich Gedanken zur Selbstfindung zu machen! Weil er ja auch keine Sorgen hatte: er stand mit beiden Beinen in dieser Welt!
Heute werden die Jugendlichen auf (für den Arbeitgeber) kostenneutralen Praktika durchgereicht. Arbeitnehmer werden in Konzerneigene "Auffanggesellschaften" gesteckt und bei gekürztem Lohn an den selben Arbeitsplatz, aber unter der Flagge des Leiharbeiters geschickt.
"Shareholder Value" ist an die Stelle von verantwortungsbewusster Mitarbeiterführung getreten.
Vollzeitarbeit, bei dem das Arbeitsamt noch zuzahlen muß, damit der Arbeitnehmer das Existenzminimum an Geldmitteln bekommt.
Bleibt die Familie als sozialer Rückzugsraum?
Unsere Kinder können wir nicht früh genug in KiTas unterbringen, damit wir uns vollständig dem Gelderwerb widmen können,
Für unsere älteren Kinder haben wir oft keine Zeit und als Rat oft auch nur: boxe Dich durch!
Und dann wundern wir uns, dass, sobald unsere Kinder unsere traurige Rolle übernommen haben, keine Zeit mehr für uns ist und nach dem nächsten Platz im "Heim" gesucht wird.

Das war nun ein kunterbuntes Kaleidoskop an Aspekten, die schon bedrückt machen können.
Verstehe es nicht als bloße Aufzählung, sondern als meinen Versuch, Dir ein Bild zu zeichnen. Ein Stimmungsbild! Hier bleibt es ein Bild mit wenigen Strichen. Du wirst es Dir weiter ausmalen können?
Davon hat wohl jeder, den Du mit "Dauerdepression" meinst, irgendetwas, was ihm die Bittermiene ins Gesicht gräbt?

Dazu möchte ich noch mal was vorkramen, was Du in Deiner ersten Nachricht geschrieben hattest:
"Aber egal was ich mache und egal für wie sinnvoll ich es halte, ich habe niemals ein Erfolgserlebnis, weil ich doch vielmehr hätte schaffen müssen. ...... nur daran, dass ich unter dem permanenten Stress stehe, vor der Zeit davon rennen zu wollen."
Und folgendes:
"Der Begriff der Selbstfindung ist oft so gering gehalten irgendwie, dabei bedeutet er so viel: Mit mir ins Reine zu kommen, Selbstbewusstsein, Selbstachtung, Verantwortung für mich, meine Gedanken und mein Handeln zu übernehmen und so weiter und so weiter."

Ich glaube, dass vor allem viele in Deinem Alter unter diesem "Stimmungsbild" leiden.
Dieses "sich verloren fühlen", "Zeit zu verschwenden", "kein Erfolgserlebnis haben" hatte ich seit dem Abitur: da denkt man, man hat etwas geschafft und sieht gleich, dass es erst der Anfang ist! Mindestens noch vier Jahre und erst dann weiß man, ob der Arbeitsmarkt dann noch etwas für mich übrig hat. Man rennt und rennt, und das Ziel kommt nicht näher!

Und ich denke, dass Selbstbwusstsein, Selbstwertgefühl, Selbstachtung und Verantwortung übernehmen auch sehr viel damit zutun hat, wie sehr wir in dieser Welt "Grund unter den Füssen spüren"?

Es passt ja auch alles nicht mehr so richtig: wie ich beschrieben hatte, war damals von den meisten mit 14 die Entscheidung zu treffen, was man machen wollte und mit 17 stand man in der Welt.
Notfalls konnte man da sogar schon die Verantwortung für ein Kind auf sich nehmen!
Heute haben zu viele mit 17 nicht einmal eine Perspektive! Aber schon einige ein Kind.

Du schreibst:
" Ich will einfach nur fühlen, wie es meinem Gegenüber geht. Ich will fühlen, wie es mir geht und warum. Und daraus dann die Konsequenzen ziehen! Heißt: Ich will aus der kleinen vom Egoismus geprägten Welt (in der ich mich zweifellos noch befinde) irgendwie ausbrechen. Mehr nicht. Aber das ist schon verdammt schwer. ;)"

Das finde ich eine schöne Einstellung!
Bring die Mauer mit Deinen Fragen weiter zum Bröckeln! (Dein Satz!)
Mache es Dir dabei bitte nicht allzu schwer!

Alles Liebe,

Bernd