Anwort von Bernd

Liebes Girl15,

Danke, dass Du uns geschrieben hast!
Darf ich bitte damit anfangen, denen die hier mitlesen, ein wenig zu erklären, worin das Problem besteht? Weil viele sich wohl erst einmal gar nicht vorstellen können, was "deutlich reden" mit "hören" zutun hat!
Ich stelle mir immer vor: reden hat mit hören soviel zutun, wie z.B. malen mit dem Sehen!

Jemand der sehen und hören kann nehme also einmal eine Leinwand und einen Pinsel! Schliesse die Augen und male ein Bild!
Sobald die Augen uns keine Rückmeldung darüber geben, wissen wir also eigentlich nicht wirklich, was wir da gerade getan haben!
Was wir sprechen, wird uns über unser Gehör zurückgemeldet! Und wenn das nicht funktioniert, wissen wir eigentlich nicht so richtig, was wir da gerade sagen!
Das war lange Zeit trauriger Grund, bei Gehörlosen von "Taubstummen" zu reden.
Du wirst es kennen! Es ist eher an die, die hier mitlesen: die Dich besser verstehen wollen:
http://www.vernetzung-migration-hamburg.de/Sprachschule-Heesch.410.0.html

Und damit die Leser auch verstehn, wie Gehörlose diese Rückmeldung, die das Ohr nicht bietet, überhaupt bekommen können - wieso sie nun nicht mehr notwendig auch stumm sind:
In:
http://www.morgenpost.de/printarchiv/wissen/article324068/Geraet-hilft-Gehoerlosen-bei-Sprachschulung.html
wird eines solcher Hilfsmittel vorgestellt.

Soviel vielleicht für die hörenden Leser, um Dein Anliegen zu verstehen: Die Sprache, die Du als Muttersprache gelernt hast, ist die Gebärdensprache! Wenn du sprichst, ist es für Dich eine Fremdsprache! Für Hörende vielleicht mit der Sprache vergleichbar, die sie sich als die schwerste überhaupt vorstellen (Chinesisch?)

Und nun zu Deiner Frage!

Ich verstehe, dass Du zornig und niedergeschlagen bist!
Und Dein Anliegen finde ich wirklich gut und wichtig! Auch auf allen Ebenen der Politik, der Vereine, der Geschäftswelt sollte darauf ganz deutlich hingewiesen werden!
Mir ist dabei vor allem wichtig, dass Du und andere Gehörlose nicht dumm angemacht, für dumm verkauft oder gehalten werdet!
Denn das ist wirklich niemand von euch!

Bei Deiner Forderung, dass ein "Hackmak"-Angestellter die Gebärdensprache kennen müsste, streikt mein persönliches Einverständnis ein wenig.
In unserer Gesellschaft ist es schlichtweg so, dass eine zweite Fremdsprache erst von Gymnasiasten gefordert wird!
Und das, was Ich vorher geschildert habe, dass Dich "Hörende" besser verstehen können, gilt umgekehrt ja auch? Auch für uns ist Gebärdensprache eine Fremdsprache, die wir lernen müssen!
Der typische Hackmak- Angestellte ist in sehr freundlicher, unterbezahlter Mitarbeiter, der sich wirklich viel Mühe gibt, Dich zu verstehen! Er wird irgendwann einmal "Grundlagen" in einer Fremdsprache mitbekommen haben (sicherlich meist in Englisch).
Bitte nimm es nicht so, dass ich Dich vom sprechen abhalten will! Es ist wirklich erstaunlich, wie präzise Du (mit meinem Bild der malenden Blinden) Dein Sprachbild gezeichnet bekommst! Lasse Dich bitte durch solche Negativereignisse nicht abhalten, weiter mit uns zu sprechen!

Aber gestehe uns bitte auch ein (zu starkes) Maß an Unfähigeit zu! Ich hatte nun das Beispiel mit der Fremdsprache gebracht. Lass es uns konsequent fortführen und zu dem Ergebnis bringen?:

Was macht ein Tourist, wenn er sich absolut nicht verstanden fühlt? Er vorher mit Händen und Füssen versucht hat, sich verständlich zu machen?

Wenn jemand Dich nach gutem Zureden nicht versteht, ist es nicht Deine Schwäche, wenn Du ihm einfach das Gewünschte auf der Speisekarte mit dem Finger zeigst!

P.s.: Ich muß gestehen, dass ich nachdem ich Deinen Beitrag gelesen hatte, zuerst auf den Gedanken verfiel: Gebärden => International: wieso also nicht die Gebärdensprache auf eine Stufe mit einer Fremdsprache stellen (wenn man mit der Gebärdensprache gleich mehrere gesprochene Sprachen "erschlägt", ist es doch nur von Vorteil?)
Das Gelesene hat mich in meiner Euphorie mächtig ins Knie getreten! Es gibt auch in der Gebärdensprache "Dialekte"?!

Politik oder Demo fragst Du!

Ich wäre zuerst für den kleineren Weg! Aus meinem Berufsleben: Im Bahnbetrieb, wenn es um die Sicherheit von Fahrgästen geht, die durch Baustellen gefährdet werden könnten und wenn es um sehr hohe Spannungen geht (Fahrleitung!), die Mitarbeiter meist töten würden, gibt es ein unbeugsames Gesetz! Wenn ich was will, wiederholt mein Partner genau das, was ich gesagt habe! Wenn es bei der Wiederholung Unstimmigkeiten gibt, sage ich: "Stop!...." Und wiederhole meinen Text! Das geht so lange, bis mein Text exakt wiederholt wurde (oder ich oder er Feierabend hat :-) ). Ohne jeden Kompromiss!

Darauf darfst auch Du Dich berufen! Z.B., dass Dir Deine Bestellung auf dem Bildschirm gezeigt, oder ausgedruckt wird und Du "Stop" sagen kannst!

Liebes Girl15,

wirklich "Barrierefrei" ist das Leben für niemanden! Du hast schon Recht und meine volle Unterstützung darin, dass auch Du das Recht hast, nicht vor der "Barriere des Unverständnisses" zu scheitern!
Manchmal funktioniert "Verständnis" aber nur, wenn beide Seiten ihre "Handycaps" einsehen und den Ausgleich anstreben, ohne dass sich einer als der Unterlegene, der Dumme, der Übervorteilte fühlt?

Alles Liebe,

Bernd