Problem von Jana - 18 Jahre

zu Viel

Hallo und schönen guten Tag,
das ist das erste mal dass ich mich an soetwas wie dem hier wende
Ich war öfter in psychiatrischer Behandlung, meine Diagnose lautet Borderline PS mit akzentuierung auf Dissozialer und Narzisstischer PS.
Ich lebe also im ständigem Kampf mit meinen Gefühlen, wenn ich welche habe. Meistens besitze ich eine Innerliche Leere und kann eigentlich nur mit meinem Kopf die Ebene meiner Gefühle ordnen. Ich kann nicht mal sagen ob meine Gefühle echt sind, durch meine Krankheit erst recht nicht.
Ich wurde bis zu meinem 15. Lebensjahr schwer misshandelt, missbraucht und auch in sexueller Hinsicht von meiner eigenen Mutter. Sie ist extrem Psychisch gestört aber das schlimmste was sie mir antat fand ich waren die Psychospielchen und wie sie mir zb. fast jeden Tag einredete dass alle mich hassen und sie das einzige wäre was ich auf der Welt habe.
Nach meinem zweitem Selbstmordversuch wurde ich endlich gerettet und kam in eine Psychiatrie mit 15. Seit dem wohne ich nicht mehr bei meiner "Familie".

Ich werde bald 19 und kann sagen dass ich bis jetzt mein Leben gut nachgeholt habe, natürlich werde ich nie die erfahrung machen wie es ist ein Kind zu sein, aber das muss ich wahrscheinlich "einfach " nur akzeptieren.
Ich habe einen hohen IQ laut der Psychiatrie und deshalb war ich ein interessanter Fall und mein Abitur steht auch bevor.

Das schlimme an der jetzigen Situation ist, dass ich auf meine Mitmenschen nicht mehr klar komme. Klar, meine Maske ist unbemerkt sie mögen mich und lachen/ freuen sich wenn sie mich sehen, aber innerlich habe ich das bedürfnis sie zu töten. Ich verletze mich selbst und es ist mir eine riesen Freude mein eigenes Blut zu sehen doch es reicht mir nicht mehr.
Ich bin ganz anders als die Menschen in meinem Umfeld und ich habe noch niemanden getroffen der so ist wie ich. durch die Psychiatrie habe ich viele Menschen kennengelernt und ich hatte das gefühl nicht mehr so alleine auf der Welt zu sein, aber sie alle sind so schwach.
Ich kann keine Bindung zu anderen Menschen aufbauen und wenn ich dann endlich das Gefühl habe ich könnte eine Person irgendwie "mögen" dann ist es ein gefühl von 10 sekunden. wenn sie weg sind fällt es mir nicht einmal mehr auf.
Dann Frage ich mich oft nach MEINEM Sinn des Lebens. Hört sich so klischée-haft an aber ich meine es ernst. Ich habe schon alles mögliche "normale" ausprobiert; sport, hobbies, parties, "freunde", Schule, Drogen. Jetzt muss ich jeden tag medikamente nehmen, damit ich nicht durchdrehe (beruhigungstabletten) und schlafen und aufstehen kann.
Und - oh wunder- es geht mir nicht besser. Therapie bringt nichts, ich war jetzt 3 jahre lang in Therapie und insgesamt ein dreiviertel jahr stationär auf therapie.
Ich will mich nicht umbringen, es ist armseelig, feige und unnötig. Ich denke zwar öfter daran, aber nur um mich zu amüsieren oder an den tot irgendwelcher menschen.

Wenn ich mir das durchlese komme ich mir vor wie ein Psychopath...

Ich möchte euch, das Team, nicht überfordern, aber was zur Hölle soll ich tun?
Ich spüre mich selbst nicht mehr und will nur noch Blutsehen, die Realität und endlich aufwachen aus diesem Traum.

Liebe Grüße, Jana

Dana Anwort von Dana

Liebe Jana!

Das, was du durchgemacht hast in deinem Leben, wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Es ist viel passiert, das sich dir in die Seele gefressen hat. Egal, was ich jetzt bringen würde an Mutmachungen und guten Wünschen, du weißt, WIE schwer es ist, dieses Tal zu verlassen, in das dich deine Vergangenheit hinein bugsiert hat. Ich kann mit Sicherheit nicht im Mindesten nachvollziehen, was es heißt, seine komplette Kindheit lang misshandelt, missbraucht und seelisch ruiniert worden zu sein, somit würde es lächerlich klingen und deine Intelligenz beleidigen, wenn ich jetzt "das wird schon!!"-Parolen loslassen würde. Ich schenke sie mir, zumal ich an ein "das wird schon einfach so" nicht glaube.

Es wird sicher NICHT einfach so. Es war harte Arbeit und es wird noch weiter harte Arbeit sein.

Eines kann ich dir aber versichern: du bist definitiv kein Psychopath, was schon fast an ein Wunder grenzt bei deinen Erfahrungen. Ein Grund dafür, dass du keiner geworden bist, liegt mit Sicherheit in deiner Intelligenz und deiner Fähigkeit zur Selbstreflektion. Und genau das wird dich hoffentlich auch davon abhalten, mit geladener Waffe irgendwo hinein zu spazieren und Menschenleben zu nehmen, die dir im Weg stehen.

Du bist ehrlich zu dir selbst, du siehst, was in dir steckt, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Du bist klug, du hast trotz allem den höchsten schulischen Bildungsweg fast vollendet und du hast dich nicht aufgegeben. Aber du hast schlimme Gedanken oder Träume, in dir steckt viel Aggression und durchaus auch Gewalt, die sich momentan glücklicherweise nur in Fantasien auslebt, die aber als ständige Gefahr vor Augen geführt werden muss.

Dass du bindungsunfähig bist, ist genauso erklärbar wie diese Gewaltträume. Dass du ohne Medikamente momentan nicht leben kannst, ist genauso logisch wie die Tatsache, dass die Therapien unglaublich schwer sind und erfolglos scheinen. Dir fehlt jegliches Urvertrauen, jegliche Offenheit anderen Menschen gegenüber und dein Innerstes ist so aufgewühlt, dass ohne Psychopharmaka einfach alles über dich drüber schwappen würde.

Daher ist es wichtig, dass du diesen Zustand momentan erstmal nicht nur wahrnimmst, sondern ihn auch erstmal annimmst. Momentan bist du so, weil du so sein musst, aus deiner Vergangenheit und den schlimmen Verletzungen heraus. Und von da an startest du. Realistischer Beginn, realistische Zukunftsideen. Ich finde an dir toll, dass du überhaupt nicht haderst. Du hast dich nicht in eine Opferrolle versteift. Das ist selten und ein sehr wertvoller Zug! Viele lamentieren und verstecken sich hinter der Vergangenheit, um alles damit zu entschuldigen, was danach nicht klappt. "Ich kann das ja doch nicht..." und ich glaube, das ist es, was du mit "schwach" meinst. Du hingegen hast eine unglaubliche Stärke - und ich merke, wie sich in mir ein großer Respekt vor dir aufbaut. Ich weiß nicht, ob ich nicht schon längst mit einer Ladung Tabletten erledigt wäre oder man mich als Reste auf dem Asphalt abkratzen müsste.

Aber genau da liegt deine Chance. Du hast eine total irre Stärke in dir, die dich schützt und dich bewahrt. Wie auch immer du das gemacht hast. Doch wie kommst du mit dieser Erkenntnis nun weiter? Wie kann dein Weg aussehen?

Du fragst nach dem Sinn. Ein Sinn ist kein "Ding", das plötzlich mit einem Schild "SINN!" in der Hand vor dir auf und niederhüpft, damit du es wahrnimmst. Ein Sinn kommt nicht vorbei. Ein Sinn wird erarbeitet, muss gesucht und gefunden, aufgespürt und geformt werden. Der Sinn eines Lebens wird nicht von oben aufgedrückt. Man gestaltet ihn selbst. Es muss - meine persönliche Meinung - zB einen großen Sinn gehabt haben, dass du nicht an allem zerbrochen bist. Eine Sinnhaftigkeit liegt also garantiert in deiner großen Stärke, in deiner Selbsterhaltung. Das ist aber nur ein Puzzleteil des großen Sinnes, der in deinem Leben existieren wird, wenn du ihn zulässt. Der Sinn deines Lebens ist mit Sicherheit nicht der Kampf. Der Kampf ist nur ein Stück des Weges dahin, die Sinnhaftigkeit zu erkennen und ausleben zu können. Du hast mehr zu kämpfen als gut die Hälfte der Weltbevölkerung. Da gibt es auch nichts zu beschönigen. Du wärst sicher lieber ohne diesen Kampf und ohne die Erfahrungen, dafür ein bisschen schwächer als momentan. Aber dieser Wille, dies alles irgendwie zu besiegen, ist ein großer Schatz, den viele Menschen nicht haben.

Wie also weiter?

Mein Gefühl sagt mir, dass du einfach für viele Therapien zu klug/zu hinterfragend bist. Ich kenne Menschen, die in Therapie waren/sind und ihre Therapeuten austricksen, bzw von den ganzen Reden und Floskeln nicht viel halten, sie durchschauen. Ich weiß nicht, ob du zB über die ganzen "Deeskalationsstufen", die es für Borderliner gibt, einfach nur die Augen rollst, oder ob sie dir helfen. Ich weiß nicht, ob du überhaupt Vertrauen zu jemandem fassen konntest, der/die dich therapiert hat. So wie du klingst, ist das sehr schwer - verständlich.

Wie also weiter?

Du hast also psychische Störungen, die dich momentan hemmen und trotzdem schaffst du eine schulische Laufbahn! Trotz allem hast du Erfolge! Das ist ungemein stark und bewundernswert.

Deine psychischen Erkrankungen übersteigen natürlich meinen Wissensstand als Laie. Ich bin keine Psychotherapeutin, ich kann nur aus dem Bauch heraus sagen, was ich denke und fühle. Ich hoffe, bisher konntest du damit etwas anfangen und kannst es auch in den nächsten Passagen dieser Antwort noch. Ja, sie ist ausführlich, aber ich möchte einfach nichts vergessen oder auslassen, weil ja alles wichtig sein könnte. Mit Tipps, welche Therapieform jetzt wohl am geeignetsten wäre, kann ich nicht dienen. Ich habe aber zwei Ideen, vielleicht zeigen sie dir einen Weg auf, den du mal testweise beschreiten kannst oder den du einfach mal ausprobierst.

Idee 1:
Der Therapie wissentlich und willentlich eine Chance geben. Nach Therapieformen suchen, dich beraten lassen. Es gibt inzwischen SO viele verschiedene Möglichkeiten und meist ist irgendwo etwas dabei, mit dem man kann. Vielleicht ist eine Geprächstherapie für dich nicht das Richtige, sondern eine "Klopftherapie", oder eine Therapie, wo man seine "inneren Kinder" kennen lernt, vielleicht muss es für dich mehr ins Esotherische, vielleicht mehr ins Kühle, Sachliche...das kannst nur du wissen. Warte nicht drauf, dass irgendwann mal endlich was fruchtet, sei nicht frustriert, dass es bisher nicht gefruchtet hat. Such weiter. Kämpfe darum, dass auch du irgendwann deine Stärke nicht mehr zum Kämpfen brauchst, sondern sie für Produktives nutzen kannst. Das wäre mein einer Gedanke.

Mein zweiter Gedanke geht in eine GANZ andere Richtung:

Idee 2:
Wie wäre es, wenn du dir durch Hilfe FÜR andere eher selbst helfen kannst? Projekte in der dritten Welt zB, wo du hart arbeiten musst, mit Menschen, die DICH brauchen, zusammen arbeitest, völlig neue Welten entdeckst und merkst, dass du produktiv und sinnhaft arbeiten kannst? Ein Therapeut würde jetzt warnen: "Das ersetzt keine Therapie!!" und wahrscheinlich hat er auch Recht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass du nach dem Abi ein Freiwilliges Soziales Jahr machst, völlig in einer anderen Welt. Völlig woanders als du jetzt lebst und bist. An einem Fleck Erde, der SO weit weg von allem ist, dass du neu geboren werden kannst. Ich habe schon Menschen bei solchen Projekten mitarbeiten sehen, die danach völlig verwandelt waren und in sich ruhten. Vielleicht wäre das ein Weg, mit der Vergangenheit abzuhaken, weil du mit Menschen zusammen sein könntest, die keine Schuld auf sich geladen haben, die nicht in unbedingtem Zusammenhang mit deinem Hass und deiner Wut stehen? Menschen, die dir zeigen können, wie Leben geht? Einfach so? Wo du auch mal kraftlos sein dürfest, ohne dass dir Gefahr droht?

Es kann sein, dass Menschen, die meinen Rat hier lesen, die Hände über dem Kopf zusammen schlagen. Aber meine Seele, mein Herz und mein Bauch haben mir diese Idee eingegeben. Ich könnte mir vorstellen, dass ein kluger Kopf wie du, der sehr selbständig ist, weil er es früh sein musste, mit der richtigen durchgehenden Medikation Erfolge haben könnte. Vielleicht bin ich naiv, ich weiß es nicht. Es ist lediglich ein Gedanke.

Ansonsten muss ich leider sagen, dass ich nicht mehr schreiben kann. Ich kenne dich und deine Krankheitsbilder zu wenig. Ich konnte dir nur zuhören und meine Gedanken mit dir teilen. Was davon du als neue Idee mitnimmst und was du zurück weist, ist deine eigene Entscheidung.

Ich habe nur einen Wunsch: dass du in der Lage sein wirst, deine Wut, deine Aggression, deine Traurigkeit SO zu kanalisieren, dass du Erleichterung verspürst, ohne dass du oder jemand anderes darunter leiden muss.

Alles Gute, liebe Jana!

Dana