Problem von Anonym - 15 Jahre

Druck von allen Seiten!

Hallo liebes KuKa-Team,

ich bin im Moment so traurig und ich kann mich irgendwie auf gar nichts mehr freuen, weil ich von überall her so starken Druck bekomme und mich alles runterzieht.. Vor allem durch die Schule, ist es jetzt ziemlich stressig und ich muss viel lernen vor allem jetzt am Schuljahresanfang habe ich soooo sehr Versagensangst.
Ich hab das Gefühl, ich habe kein bisschen Zeit mehr für mich, Freizeit... An den Wochenenden arbeite ich in einem Restaurant in der Küche, aber das wird mir zu viel und ich will nur noch einen Tag am wochenende arbeiten.
Heute wurde ich gefragt ob ich auch an Weihnachten dort arbeiten kann, aber das will ich nicht, weil weihnachten noch das einzige war worauf ich mich freuen konnte endlich Zeit mit der Familie zu verbringen. Meine Mutter will aber unbedingt, dass ich da an Weihnachten arbeite und meinte es wäre doch gar nicht schlimm.. aber ich finde das schon, dort geht es immer so stressig zu und der Chefkoch motzt mich auch oft an (heute erst wieder) und das kann ich an weihnachten gar nicht gebrauchen :(
Dazu kommt, dass mein Vater (meine Eltern sind geschieden) mich auch nur noch zusammenschei***, weil ich keine Zeit mehr mit ihm verbringe und deshalb hat er auch schon meine Mutter total fertig gemacht, weil sie mich angeblich nur für sich daheim behalten will und bla bla bla
ich sollte doch mal was mit ihm unternehmen, aber dafür hab ich im moment einfach kein nerv.. ich könnte nur noch heulen!
das ist alles so erpressend irgendwie. die Schule, Arbeit, Eltern die sich gegenseitig fertig machen..

Bitte helft mir! Ich weiß echt nicht mehr wie das weitergehen soll...

Florian Anwort von Florian

Hallo Ratsuchende


Es ist überaus verständlich sich nach Freizeit und Erholung zu sehnen, wenn Deine Lehrer, Dein Chef und Deine Familie jeweils Deine Zeit in Anspruch nehmen und sie für die ganze Woche verplanen. Das dann auch noch Versagensängste kommen, weil keine Zeit zum Lernen bleibt und auch noch die Nerven blank liegen, weil Dein Chef mal wieder motzt und Dein Vater wieder mit Deiner Mutter streitet... in einem solchen Fall ist jegliche Art von Stress, Sorgen und Ängsten durchaus nachvollziehbar.


Nun ist es allerdings weder das Leben Deines Chefs, Deiner Lehrer, Deines Vaters oder Deiner Mutter um das es hier geht. Es geht hier um Dein Leben und um den Weg den Du bestreitest und zukünftig auch bestreiten willst. Und Du hast schon festgestellt, dass da einiges nicht Deinen Wünschen entspricht. Du sprichst sogar von Versagensängsten. Es läuft also insgesamt etwas falsch und Du fühlst Dich bedrängt von allen Seiten und nicht zuletzt wahrscheinlich auch sehr unglücklich.


Ich möchte Dir zunächst einmal klar machen: Es geht hier wirklich um DEIN Leben! Es geht darum was DU tun willst, was DU leisten willst und auch wie DU das erreichen willst. Das ist ein wichtiger Punkt der auch dann gilt, selbst wenn Du mit 15 noch nicht als erwachsen geltest und auch noch stark von Deinen Eltern abhängig bist. Trotzdem bist es Du der Dein Leben nur steuern kann und auch derjenige der anderen erlauben oder verbieten kannst sich in dieses Leben einzumischen. Denn was Du letztlich tust, kannst nur Du alleine entscheiden.

Das bedeutet: Du entscheidest ob Du Deine Zeit für die Schule, für Deine Eltern, für die Arbeit oder für Dich selbst investierst. Du entscheidest ob Du arbeiten gehst oder nicht, ob Du lernst oder nicht, ob Du Dir einen schönen Tag machst oder nicht usw. Niemand anderes kann Dich hier aktiv steuern. Du hast weder Puppenfäden an Dir noch reagierst Du reflexartig bei irgendwelchen Befehlen oder Anweisungen. Alles was Du tust wird nur von Dir kontrolliert. Das ist Deine Freiheit!


Nun wird diese Freiheit natürlich eingeschränkt. Meist von bestimmten Ängsten oder Sorgen. Die Angst in der Schule zu versagen z.B. zwingt fast schon dazu Dich in jeder freien Minute dem Lernen und den Hausaufgaben zuzuwenden. Die Angst vor Strafen oder durch Deine Eltern oder die Angst sie zu enttäuschen zwingt Dich dazu ihren Anweisungen zu folgen. Und die Angst angemotzt zu werden, zwingt Dich dazu dem Chefkoch es möglichst recht zu machen und auch seinen Anweisungen zu gehorchen.

Alle diese Sorgen und Ängste sind jedoch im Grunde unbegründet. Deine Versagensangst zum Beispiel. Es ist natürlich und normal im Leben mehrmals zu versagen und bestimmte Ziele und Wünsche nicht oder erst spät zu erreichen. Ein berühmtes Beispiel bietet Thomas Edison mit seiner Glühbirne. Er brauchte knapp 10.000 Versuche um seine Glühbirne zu erfinden. Er ist also 10.000 mal gescheitert bevor es dann letztlich einmal geklappt hat. Als man ihn beim etwa 5.000 Versuch darauf ansprach, erklärte Edison nur, dass er nun 5.000 Wege kenne wie man nicht ans Ziel gelangt. Aufgeben kam für ihn nicht in Frage.
Und auch ich selbst hab in meinem 22-jährigen Leben schon mehrmals versagt und gebe dies auch gerne zu. So wollte ich stehts studieren, war allerdings nur ein Hauptschüler. Doch war dieses Ziel für mich festgeschrieben, selbst wenn ich damals noch gar nicht wusste was ich studieren wollte. Ich machte meinen Hauptschulabschluss mit Ach und Krach, setzte dann meine Mittlere Reife ebenfalls mit unterdurchschnittlichen Noten drauf, machte eine Ausbildung und anschließend mein Abitur mit einem schlechten 3er Schnitt. Und doch finde ich mich jetzt als Student wieder, wobei ich auch hier ab und an mal eine Prüfung verhauen und diese dann wiederholen muss. Trotz all meiner (auch selbstverschuldeten) Niederlagen und Rückschläge, habe ich es also geschaft mein Ziel zu erreichen und zu studieren. Und auch jetzt scheitere ich weiter und ich werde auch in Zukunft noch scheitern. Dies ist normal. Niemand ist perfekt und niemand muss auch wirklich perfekt sein. Wozu gäbe es sonst Bleistifte mit Radiergummi, Autos mit Einparkhilfe oder Rechtschreibkorrektur in Word?
Für Dich bedeutet dies praktisch nur: Erlaube Dir zu versagen und zwinge Dich nicht dazu perfekt zu sein. Du kannst Dich zwar diesem Ideal annähern, aber Du wirst es nie vollkommen erreichen können. Gib Dich auch mal mit weniger zufrieden. Probiere es ruhig einmal mit weniger Lernen und sollte das nicht klappen wiederhole die Klasse. Das ist keine Schande, sondern nur menschlich. Sei also menschlich.


Auch wenn es um Deine Arbeit geht, ist die Sache ganz einfach. Wenn Dich Dein Chef immer wieder anmotzt und Deine Arbeit ansonsten nicht würdigt, steht es Dir frei auch nicht zu arbeiten, Dir Urlaub zu nehmen oder auch schlicht zu kündigen. Deine Entscheidung. Entsprechende vertragliche Regelungen dazu, die in Deinem Arbeitsvertrag stehen bzw. abgemacht wurden, müssen dazu natürlich eingehalten werden.
Wenn das Geld nicht dringend benötigt wird, so kannst Du die Zeit die Du sonst dort verbracht hast für Dich nutzen. Sollte das Geld dringend benötigt werden, so kannst Du auch nach einer anderen Anstellung suchen. Letztlich ist es Deine Zeit und Dich kann niemand zu solchen Arbeiten zwingen, was sogar gesetzlich festgeschrieben ist.
Im übrigen auch gesetzlich festgeschrieben ist, dass ein Jugendlicher, so wie Du es nunmal bist, an Heilig Abend maximal bis 14 Uhr arbeiten darf und am ersten Weihnachtsfeiertag gar nicht arbeiten darf. Dies steht im Jugendarbeitsschutzgesetz unter §18 und gilt auch für die Gastronomie. Das nur als Hinweis, sollte Dir das weiterhelfen.

Es steht Dir im übrigen auch frei Dich zur Wehr zu setzen, sollte Dich der Chefkoch mal wieder anmotzen. Du bist nicht gezwungen sein Gemotze auszuhalten, Du kannst und darfst zurückmotzen. Du kannst ihn aber auch so mal zur Rede stellen und bitten etwas gnädiger zu sein. Du kannst ihn direkt kritisieren wegen seinem Führungsstil. Du kannst es aber auch weiter über Dich ergehen lassen und Dir jedes Mal nur Deinen Teil dazu denken. Auch hier gilt: Deine Entscheidung.


Auch was Deine Eltern angeht gilt: Du entscheidest was Du tust. Wenn Du mit Deinem Vater etwas unternehmen willst oder nicht, dann ist das Deine Entscheidung. Auch ob Du lieber bei Deiner Mutter bist oder nicht, so ist das Deine Entscheidung. Genauso wenn Du Zeit für Dich oder für Freundinnen und Freunde verwenden willst. Alles Deine Entscheidung. Ansprüche können natürlich beide erheben, aber ob Du diesen Ansprüchen nachgibst ist Deine Sache. Zwingen kann und darf Dich niemand. Auch hier gilt, dass Du Dich wehren darfst.


Du siehst, jeglichen Zwang erstellt Du nur Dir selbst. Du kannst alles was Du tust frei entscheiden. Was Du wann wie und wo machst, ist letztlich Deine Angelegenheit. Es ist Dein Leben und nicht das von jemand anderen. Also lebe dieses Leben wie Du es Dir vorstellst und befreie Dich von dem Gedanken alles richtig machen zu müssen. Was Dein Leben angeht so gibt es weder richtig noch falsch. Es gibt nur das was Du tust und das liegt nur bei Dir!


Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute. Ich hoffe für Dich, dass Du zu einem neuen Selbstbewusstsein findest und Deine Freiheiten mehr ausleben wirst. Denn nur so kannst Du diesen Druck, der derzeit von allen Seiten auf Dir lastet, los werden und Dich selbst befreien.


Herzliche Grüße


Florian