Problem von Eli - 15 Jahre

So wie jeder mich haben will

Hallo, ich bin Eli.
Ich habe niemanden, an dem ich mich anvertrauen kann, deswegen wollte ich das hier mal probieren.
Ich habe sehr strenge Eltern. Sie erlauben mir nichts. Sie sagen, ich soll für jeden ein Vorbild sein und keine Macken haben. Also Perfekt so Zusagen. Zumindest in der Öffentlichkeit. Weil es wichtig sei, was andere von mir denken. Ich darf meine Probleme niemanden anvertrauen. Ich soll sie alleine lösen. Ich finde es regelrecht menschlich, Hilfe bei anderen zu suchen. Doch meine Eltern sehen da anders. Ich muss immer Perfekt sein und anderen helfen. Doch selbst keine Hilfe suchen. Weil die anderen mich sonst für ein "Problemkind" halten können dadurch fühle mich einsam und habe deswegen auch keine Freunde. Ich bin immer daheim und gehe nie raus. Doch das wichtigste ist, dass ich so leben und sein muss wie mich die anderen Leute gerne hätten. Ich muss immer eine weiß Weste haben. Ich bin aber nicht Perfekt. Meinen Eltern gefällt meine Art nicht. Deswegen sagen sie mir wie und Was ich mit anderen reden soll. Ich will doch einfach nur so sein, wie ich wirklich bin. Da gibt es nur ein Hacken: ich traue mich nicht, mich gehen die anderen zu stellen. Ich hab zu große Angst nicht mehr Gemocht zu werden, weil ich es nicht anders gewöhnt bin. Ich traue mich einfach nicht. Ich weiß auch nicht wieso. Ich mache bei allem mit, auch wenn es mich verletzt. Ich weiß nicht was ich tun soll.
Liebe Grüße Eli.

Dana Anwort von Dana

Hallo, Eli!

Das größte Verbrechen, neben häuslicher Gewalt, ist der seelische Missbrauch von Kindern. Und nichts anderes liegt hier vor. Deine Eltern haben eine Schablone, in die sie dich gießen wollen und übersehen dabei, wer du wirklich bist. Du selbst bist schon so zaghaft und mutlos, dass der Mensch, der eigentlich ELI ist, schon fast völlig im Schatten versunken ist.

Es ist ein großer Fehler von Eltern, ihre Kinder ihren Maßstäben und ihren Ideen anzupassen. Wenn dabei die Seele des Kindes auf der Strecke bleibt und sogar Schaden nimmt, ist das schlimm. Ich arbeite sehr viel mit Kindern und sehe die tollsten Eltern und auch die schlimmsten. Interessant ist, dass viele "schlimme Eltern" unter den intelligentesten zu suchen sind. Eltern, die für ihre Kinder "das Beste" wollen und sie wirklich unterdrücken, wenn sie nicht so funktionieren, wie sie das für die Kinder vorgesehen haben.

Du spürst das gerade. Und ich bin mir sicher, dass sich in dir langsam der "Giftpfeil" einnistet, nicht gut genug zu sein, nicht zu genügen, weil sie so viel an dir rumkritteln und dich nichtmal das sagen lassen, was du sagen möchtest.
Das Problem: sie haben dich ja schon so weit, dass du für nichts mehr den Mut hast. Du hast Angst, nicht mehr gemocht zu werden. Warum? Weil sie es dir eingetrichtert haben, dass du auf deine Weise ja nichts taugst. Du verkriechst dich in dir selbst, weil du dich nicht mehr traust, wie du selbst zu sein. Vergleiche dich nicht! Du bist du! Und ich wette, es steckt sehr viel Gutes und Schönes in dir. In DIR. Dinge, die momentan überdeckt sind, Fähigkeiten, die du nicht ausleben durftest, Witz und Stärke, die dir komplett genommen wurden. Alles ist unter diesem Druck gar nicht erst zur Entfaltung gekommen. Übrig geblieben ist nur ein kleines, verhutzeltes Eli-Irgendwas, das der richtigen Eli kaum mehr ähnlich ist.

Daher frage ich dich: hast du den Mut, das durchzufechten?
Wenn ja, steht dir eine eher unangenehme Zeit bevor, aber vielleicht danach auch eine gehörige Portion Freiheit.

Kinder und Jugendliche sollten niemals nur funktionieren. Daher SCHEISS auf irgendwelche Vergleiche, SCHEISS auf "aber was denken denn die anderen..." und geh auf Gegenkurs. Kann ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen.

Der Gegenkurs könnte wie folgt aussehen:

Gespräch mit den Eltern. Hole sie dir beide in einem ruhigen Moment zusammen und bitte sie um ein offenes, ehrliches Gespräch, in dem du gewisse Dinge ansprechen darfst, ohne dass sie dazwischen gehen. Kläre vorher ab, dass sie dich ausreden lassen, wenn du etwas sagst und dass du mit ihnen etwas besprechen willst, dass dir SEHR wichtig ist. Wenn sie das bejahen, frage sie einfach mal direkt: "Ich möchte gerne von euch wissen, ob ihr euch eigentlich ein anderes Kind wünscht. Also nicht mich."

Wahrscheinlich werden ihnen die Kiefer zu den Knien klappen und sie werden dich fragen, was um Gottes Willen du denn damit meinst. Am besten wäre es, du würdest ihnen zuerst sagen, dass du sie wirklich lieb hast, dass du aber den Eindruck hast, diese Liebe würde nicht erwidert. Erkläre ihnen, wie du uns erklärt hast, dass du unter der Art und Weise, wie sie dich in eine bestimmte Richtung drücken, sehr leidest, dass du das Gefühl hast, gar nicht der Mensch sein zu dürfen, der du eigentlich bist und daher die Traurigkeit fühlst, nicht zu genügen. Zeig ihnen auf, dass du immer mutloser und unsicherer wirst und dass du das nicht möchtest.

Es gibt zwei Reaktionen, die möglich sind:

1. sie sind entsetzt, aber PRO Eli. Vielleicht müssen sie erstmal alles verdauen, bleiben aber offen für ein Gespräch, weil sie das so gar nicht gesehen haben und lassen sich auf das ein, was du sagst.
2. sie sind entsetzt, aber CONTRA Eli. Sie werden wütend oder nehmen dich nicht ernst, sie bleiben bei ihrer Erziehungslinie.

Erstere Reaktion wäre natürlich zu wünschen...danach wäre alles zumindest im Ansatz besser, aber sicher noch viel Gesprächsbedarf. Vor allem wäre es dann wichtig zu schauen, WAS dich genau ausmacht. WO denn die richtige Eli sitzt...das ist gar nicht so einfach und fordert viel Kraft.

Letztere Reaktion ist natürlich ebenfalls möglich, aber dir nicht zu wünschen. Denn dann gäbe es für dich wieder zwei Möglichkeiten:

1. resignieren und weiterhin so leben und mit 18 von zu Hause weggehen und immer ein gestörtes Verhältnis zu dir und deinen Eltern haben.

2. aufmucken, kämpfen, es den Eltern sehr unbequem machen, deinen Kopf durchsetzen und für dich selbst sprechen.

Ersteres ist absolut undenkbar, denn so würdest du noch mehr Schaden nehmen. Letzteres ist unglaublich hart, aber möglich. Ich habe in dem Punkt sowohl eigene Erfahrungen als auch Erfahrungen mit Menschen, die in meinem Umfeld waren. Es ist wichtig, seine eigene Linie durchzuziehen, auch wenn die Eltern Kopf stehen. Mit dem nötigen Respekt den Eltern gegenüber, ABER trotzdem mit seinem eigenen Kopf. Sich zu lösen und seinen eigenen Weg zu beschreiten bedeutet nicht, den Eltern so weh wie möglich zu tun und sie mies zu behandeln. Auch wenn sie Fehler machen, sie sind deine Eltern. Doch trotzdem solltest du "dein Ding" durchziehen. Das gibt Ärger, das gibt Schimpferei, das gibt richtig dolle Krach. Egal. Zieh es durch.

Überlege, wer du sein möchtest. Was ist dir im Leben wichtig? Wer ist denn Eli überhaupt? Es lohnt sich auf jeden Fall, für dich selbst zu kämpfen. Und wenn deine Eltern nicht einsichtig sind und drohen und dich bestrafen, egal. Übertrete ihre Regeln, mach dich unbeliebt! Es wird dich frei machen, weil du erkennst, wer du wirklich bist. Keiner zwingt dich, fies zu werden oder deine Eltern ohne Achtung zu behandeln. Das wäre auch nicht richtig. Bleibe immer respektvoll und achte deine Eltern. ABER lass sie wissen und spüren, dass sie dich nicht mehr so eingrenzen dürfen und immer, wenn sie es versuchen, sag STOPP.

Ich habe eine Freundin, die für ihre superschlanken Eltern immer "zu dick" war. Sie ist 1,78m groß und wog 70 kg. Das ist voll in Ordnung. Ihre Eltern haben sie fast bis in die Ess-Störung getrieben, bis sie sich sagte: SCHLUSS. Sie ist sehr sportlich, hat sogar Aerobic unterrichtet (!),bestand aus vielen Muskeln und hatte halt nicht die überschmale Figur der Schwester und der Mutter. Sie nahm ab, zu, ab, zu...mal zuviel zu, mal mehr ab...und ihr Leben bestand nur noch aus der Kritik des Dickseins und ihren Mühen, das abzustellen. Und irgendwann kam der Knall. Sie beschloss so zu sein, wie sie sein wollte und immer, wenn das Thema aufkam, sagte sie: "Mama, ich liebe dich" und verließ den Raum. Jedesmal. Es hat gedauert, bis die Mutter kapiert hatte, dass sie mit dem Thema einfach nicht mehr an meine Freundin ran kam. Und es dauerte nochmals eine Zeit, bis sie wirklich aufhörte, immer wieder davon anzufangen.

Eine Schulkameradin, die ein Jahr über mir war, stammt aus einer Adelsfamilie. Richtig alter Adel mit einem "von" im Namen und den dazu gehörigen "Pflichten". Alle drei Mädchen der Familie bekamen alte, "wichtige" Vornamen und hatten sich einem strengen Benimmritual zu unterziehen. Ich war auf einem Elite-Gymnasium (daher sagte ich: aus eigener Erfahrung) und die drei Mädels eben auch. Die Mittlere konnte sich nur schwer mit dem Druck abfinden, der auf den Mädchen lastete und begehrte immer wieder dagegen auf. Bald hieß es: "Sie ist das schwarze Schaf..." Irgendwann färbte sie sich ihre langen blonden Haare metallic-blau. BOAH, gab das Ärger...sie durfte sogar eine Weile nicht daheim wohnen. "SCHANDE!!!"....sie war eine Schande. Aber sie ist sich immer selbst treu geblieben und ich habe sie von Herzen gern gehabt. Ein total tolles Mädchen. Inzwischen ist sie verheiratet, immer noch eine "von" und ist trotzdem auf dem Boden geblieben. Und das, wo ihre Schwestern eine Weile nicht mehr mit ihr reden sollten, weil sie ja eine Schande war...aber sie hat es durchgezogen!

Das sind jetzt nur ein banale Beispiele, aber es geht, wenn man sich seinen Weg vornimmt und diesen kompromisslos durchzieht. Es ist wichtig, dass du selbst siehst, wohin du dich entwickelst, was du gerne vom Leben mitnehmen möchtest. Es ist wichtig, dass du DU SELBST wirst und dass du dir auch Fehler leisten darfst. Es ist total WURSCHT, was jeder andere von dir hält oder denkt. Das Wichtigste ist, dass DU das Beste von dir denken kannst. Werde also so, wie du willst. Menschlich, helfend, ein Vorbild, aber auch Trost und Rat suchend und mutig, auch mal einen Fehler zu machen. Und du wirst merken, dass dein Umfeld das honoriert und gut finden wird, denn du bist dann authentisch und keine Aufziehpuppe deiner Eltern mehr.

Liebe deine Eltern weiterhin...und am schönsten wäre es, du würdest ihnen vergeben können, dass sie da solche Fehler machen. Aber trotz alledem: es ist DEIN Leben und DEIN Weg. Gestalte ihn nach deinen Vorlieben und deinem Denken. Überlege dir, wie du sein willst und was dir im Leben wichtig ist. Und dann lebe danach. Und wenn deine Eltern sich total aufregen, dann müssen sie da durch. Irgendwann ziehst du aus und dann stehst du als Eli da. Wenn du dann aber nicht weißt, wer Eli eigentlich ist...dann wird es schwer. Also schau jetzt nach.

Ich weiß, sowas schreibt sich viel leichter als dass es sich durchziehen lässt. Aber glaub mir bitte: es lohnt sich, respektvoll Grenzen zu ziehen, die Eltern einfach nicht überschreiten dürfen. Und wenn sie irgendwie ein Herz haben, werden sie auf dich hören. Falls nicht...tu es trotzdem!

Ich wünsche dir allen Mut der Welt, liebe Eli!

Alles Liebe,

Dana