Problem von sarah - 15 Jahre

An Dana/ Ich bin wirklich ratlos

Hallo Dana. Ich bin heute auf das KuKa Team gestoßen und habe mir deinen Text durchgelesen und ich weiß nicht, ich musste dir einfach schreiben.
Ich bin 15 und war bis zu meinem 13. Lebensjahr ein sehr fröhliches Mädchen. Doch von Schlag auf Schlag wurde ALLES anders. Eine Freundin ist gestorben. Sie war damals meine Einzige Freundin und dann war keiner mehr da. Meine Eltern leben noch zusammen, reden aber nicht mehr miteinander und ich werde oft beschimpft von ihnen, weil ich ja Teil von Meiner Mutter bin und das mein Papa natürlich schlimm findet und meine Mutter auch, weil ich ja auch ein Teil von meinem Papa bin.
Deshalb kenne ich das nicht, eine schöne Familie. Und deshalb interessieren sie sich nicht für mich.
Mit meinem Opa und meiner Oma darf ich eigentlich keinen Kontakt mehr haben bzw. sie wollen auch keinen mehr, weil es seit 2 Jahren NUR mehr ums Erbe geht.
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Als ob das noch nicht alles ist, hat sich eine weitere Freundin vor meinen Augen eine Brücke runter gestürzt. Ich bin zu ihr gerannt, hab geschrien dass es eineLösung gibt für alles. Aber sie sagte bevor sie sprang nur : Sarah irgendwann verstehst du dass es nicht für alles eine Lösung gibt. Bitte sei nicht böse! Ich liebe dich und vergiss mich nicht!
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Das ist jetzt ein jahr her und ich war bis jetzt nicht auf dem Grab, weil ich solche Panikattacken bekomm, wenn ich mich dem Friedhof nähere.
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Außerdem spiele ich seit 8 Jahren Klavier und war schon oft Solistin bei einem Streichorchester etc. Das Problem ist, dass mir meine Mutter es verboten hat. Sie sagt, dass sie nicht an ihre Mutter erinnert werden will. Die war Konzertpianistin. Sie verkaufte meinen FLügel!
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Soll ich ehrlich sein? Ich kann nicht mehr. Es ist so viel passiert., Ich hatte schon mehrere Therapien erfolglos abgeschlossen und die Hoffnung auf ein schönes Leben aufgegeben... Aber keiner versteht mich..
Ich weiß nicht mehr weiter... HILFE

Dana Anwort von Dana

Liebe Sarah,

nachdem du mir versichert hast, dass alles, was in diesem Brief steht, der Wahrheit entspricht, versuche ich mich in einer Antwort.

So, wie es klingt, waren die ersten 13 Jahre deines Lebens absolut ok, du warst fröhlich und alles war gut. Das widerspricht zwar ein wenig deiner Aussage, dass du niemals eine "schöne Familie" hattest, aber ich gehe mal nur auf deinen jetzigen Zustand ein, nicht auf das, was dir früher passiert ist. In der Vergangenheit herum stochern würde die Antwort sprengen und es geht ja in erster Linie darum, dir Hilfestellung zu geben für das, was du jetzt fühlst.

Daher beziehe ich mich mal nur auf deinen letzten Abschnitt. Du schreibst, dass du nicht mehr kannst, dass so viel passiert ist, dass du eigentlich resigniert hast, aber leider niemand da ist, der dir zuhört.

Ich glaube, das fasst auch das Hauptproblem zusammen, warum es dir momentan nicht möglich ist, in deinem Leben noch irgend etwas Positives zu entdecken. Du hast aufgegeben.

Das Problem hierbei ist, dass dir niemand, wirklich niemand mehr helfen kann, wenn du aufgegeben hast. Wenn du also nicht mehr wollen würdest und alles abschmetterst, weil dein Leben nicht zu retten ist, kann JEDER auf dich einreden und dir Hilfe anbieten, es würde nicht klappen. Denn DU bist die einzige, die das Leben drehen kann. Nur du. Dass einige Therapien erfolglos blieben, kann den Grund haben, dass du leider an jemand Schlechten geraten bist, der es nicht schafft, dir wieder Motivation zu geben oder eben, dass du dich nicht drauf einlassen konntest und lieber in dieser melancholischen Stimmung bleibst. Auch das gibt es.

Da du uns geschrieben hast und frei um Hilfe bittest, versuche ich gerne, dir Hilfestellung zu geben und dich wieder loszuschicken. Das aber musst DU wollen. Ich halte diesen Hilferuf von dir für ein Zeichen, dass du auch wirklich willst und schreibe dir deshalb. Bitte, lass meine Antwort an dich nicht sinnlos sein, weil du eigentlich abgeschlossen hast. Das wäre mehr als schade.

Momentan scheint es so zu sein, dass einiges auf dich eindrischt und du immer kleiner und kleiner wirst, dich immer mehr zusammen kugelst und einfach nur ausharrst. Das ist verständlich, aber sehr ungesund. Im Prinzip müsstest du platzen, dich groß machen, für dich und dein Leben kämpfen und sagen: "Hey! Hier bin ich!! Und das ist gut so!! Ich will mein schönes Leben wieder!!" Und dann aufstehen und einen neuen Weg beschreiten.

Wie könnte dieser neue Weg nun aussehen?

Zuerst wäre es wichtig, dass du dir versprichst, diesen neuen Weg wirklich zu WOLLEN. Nur dann geht es.
Dann müsstest du dir Menschen suchen, denen du noch vertraust und die du magst. Eine Freundin? Ein Lehrer? Ein Therapeut, den du mochtest, auch wenn die erste Runde nicht ganz geglückt ist? Eine Tante? Irgend jemanden. Es wäre gut, wenn dir jemand beistehen könnte, wenn das schon deine Eltern nicht schaffen.
Ein weiterer Punkt wäre das Aufstehen und Protestieren, aber auch das Verstehen und Vergeben. Deine Eltern leben ihren Streit auf deinem Rücken aus, so wie es scheint, was natürlich so nicht gut ist. Entweder hole sie dir einzeln oder gleich zusammen. Erkläre ihnen, wie schlimm es dir mit dieser Situation geht. Vielleicht wäre auch eine Trennung der beiden wirklich sinnvoller, so dass diese furchtbare Situation weg fällt. Erkläre ihnen, wie es dir mit ihrer Behandlung dir gegenüber geht, wie traurig du bist. Versuche, dies ohne Vorwürfe hinzukriegen. Einfach nur aus deiner Sicht erzählen. Die beiden scheinen auch einiges durchzumachen, es ist total schlimm, in einem Haushalt zu leben und nicht miteinander klar zu kommen. Das ist jeden Tag aufs Neue schrecklich. Vielleicht sind deine Eltern dadurch auch sehr einsam in ihren Seelen. Daher: Protest auf sanfte Art, aber auch Verstehen, dass es deinen Eltern auch schlecht geht.

Du bist 15, das ist noch nicht richtig erwachsen, aber auch nicht mehr richtig Kind. Du würdest schon in der Lage sein, deine Position ordentlich klar zu machen. Vielleicht gäbe es ja auch die Möglichkeit, eine Weile bei einer Verwandten oder einer Freundin zu wohnen? Vielleicht müsst ihr in der Familie einfach mal etwas auseinander gezogen werden, um dann verständnisvoller für den jeweils Anderen sein zu können? Es wäre wichtig, deine Eindrücke mit deinen Eltern zu besprechen. Vielleicht sehen sie aus eigenem Kummer deine Lage gar nicht so richtig? Bitte sie um Unterstützung.

Das sind alles nur Tipps, die mir so durch den Kopf gehen. Und alle Tipps legen zugrunde, dass du aufstehst und aktiv wirst. Anders geht es nicht. Wenn du sitzen bleibst, wird sich rein gar nichts ändern. Banales Beispiel: jemand, der dick ist, aber nicht aufs Essen achtet und keinen Sport macht, sondern nur jammert, wird NICHTS bewegen, nichts ändern. Dazu muss Energie aufgewandt werden und es muss los gehen! So ist das bei dir auch.

Du bist traurig, das ist verständlich. Aber wenn du nicht losgehst und dafür kämpfst, dass es dir wieder besser geht, wird nichts passieren. Du kannst zusätzlich für dich nochmals eine Therapie anfangen, dazu kannst du dir selbst den Therapeuten/die Therapeutin aussuchen, der/die DIR gefällt. Das kannst du auch ohne deine Eltern machen, allerdings habe ich den Eindruck, dass sie dich da dann doch unterstützen, sonst hättest du ja nicht schon welche gemacht. Manchmal dauert es etwas, bis man einen Therapieplatz findet, der einem wirklich etwas bringt. Wenn der erste Therapeut passt, ist das Mordsglück und es geschieht sehr selten, das weiß ich aus Erfahrung mit Menschen, die um mich herum sind. Es müsste ein Mensch sein, der dir wieder Kraft gibt und dich aufrichtet. Jemand, der dich stärkt und dir Mut macht, damit du den Weg gehen kannst.

Dazu gilt es zu überlegen, welche Dinge und Menschen dir dein Leben wieder schöner machen könnten. Von einer tollen Sportart zu deinem Klavier, von einem Praktikum in einer Musikschule zu einer AG in der Schule. Überlege, was dir Spaß bringt, was dir Freude macht und dann kämpfe dafür, dass du das machen darfst.

Meine Schwester war damals in einer ähnlichen Situation. Sie wollte unbedingt reiten. Meine Mum hat unglaubliche Angst vor Pferden, aufgrund einer sehr schlimmen Erfahrung und hat es ihr einfach verboten. Außerdem sind mein Bruder und ich voll in der Musikschiene aufgegangen, mit Wettbewerben etc. Das wollte meine Mum auch für meine Schwester, die genauso begabt ist. Es war aber der Traum meiner Schwester zu REITEN. Sie hat sich nicht hingesetzt und blieb traurig, sie hat angefangen, meine Mutter wirklich auszuhöhlen. Immer wieder...immer wieder gebettelt, gebeten, darum gekämpft. Und irgendwann meinte mein Vater nur entnervt: "Nun lass sie halt!!!" Sie ist eine wunderbare Reiterin und arbeitet auch in diesen Bereichen. Sie hat es durchgekämpft, hat nicht locker gelassen. Weil es das war, was sie wollte.

Und genau DA musst du ansetzen. Was willst du? Was ist dir wichtig? Und dafür kämpfe.
Um ein schöneres Familienleben, egal, wie das aussieht. Ob mit Trennung oder ohne, aber mit Respekt!
Um deine Hobbies, die du gerne ausführst. Lass sie dir nicht nehmen!
Um Freundschaft, um Kameradschaft, um ein gutes Zusammenspiel mit deinen Eltern.
Um eine Therapie, die dir hilft und dich unterstützt.
Um mehr Freude am Leben.

Ich weiß, es fordert viel Energie. Aber ohne Energie wird es nichts. Die musst du aufbringen. Und ich kann es dir nur raten, denn es hilft dir. Das Grübeln verliert sich, die Melancholie verliert sich, du bist aktiv und tust etwas für dich, das tut dir sehr gut. Das WEISS ich aus Erfahrung. Das klappt!

Mehr kann ich dir nicht raten...ich kann dir nur dringend empfehlen, dich nicht aufzugeben, sondern durchzustarten.

Für ein schöneres Leben.

Für dich.

Alles Liebe!

Dana