Problem von De - 11 Jahre

Ich habe gestohlen und weiß nicht was ich machen soll

Vor ein paar Tagen habe ich den größten Fehler meines Lebens gemacht. Ich war mit meiner Freundin in einer Drogerie und sie hat die ganze Zeit davon geredet etwas zu klauen. Ich fand den Gedanken zwar ziemlich cool, aber eigentlich hatte ich nie wirklich die Absicht zu stehlen. Jedoch redete sie die ganze Zeit davon, und versuchte mir Dinge in die Tasche zu schieben. Dann irgendwann im Affekt klaute ich mit ihr Schminke im Wert von vielleicht 7 €. Jetzt habe ich schreckliche Schuldgefühle, und Angst dass meine Mutter irgendwann mit mir in den Laden will und ich vielleicht erwischt werde.
Ich kann es ihr auch nicht sagen,denn im Moment geht es ihr nicht besonders gut und ich könnte es wirklich nicht ertragen, sie zu enttäuschen. Ich habe auch überlegt mich zu entschuldigen und das Geld zurück zu zahlen, aber die Vorstellung ist einfach schrecklich, denn wenn meine Mutter etwas davon erfahren würde, könnte sie mir niemals wieder vertrauen.
Ich weiß, das zeugt jetzt nicht von schlechtem Gewissen aber: Kann es sein, dass mich die Leute in dem Laden vergessen, falls sie das Video gesehen haben? Und wenn nein, kann ich dann vielleicht irgendwann wieder dort einkaufen? Ich habe auch versucht, mit der besagten Freundin zu sprechen, aber sie sagt immer nur ich solle mir keine Sorgen machen, sie würden mich schnell vergessen.
Stimmt das, oder kann ich nie wieder dorthin?
Ich gehe dort oft hin, genau wie meine Mutter.
Ich danke euch schon mal für eure Antworten, und dass ihr euch diesen Roman durchlest!

Bernd Anwort von Bernd

Liebe De,

Mal sehen, wer den längeren Roman schreibt :-) ich habe Dir nämlich gleich zwei Geschichten dazu zu erzählen! In der ersten Geschichte habe ich Blödsinn gebaut und in der zweiten hat es mich unsagbar berührt, als sich zwei Menschen ungefähr in Deinem Alter bei mir für ihren Blödsinn entschuldigt haben.

Zur ersten Geschichte: als ich in Deinem Alter war, war es eine zeitlang angesagt, sogenannte "Klocks" zu tragen: halbe Holzschuhe! Ich trug sie zur Schule und auf dem Nachhauseweg nahm mir irgendwer etwas weg und rannte los. Wußte genau, dass man mit diesen Klocks nicht arg schnell laufen konnte. Ich nahm also einen der Schuhe in die Hand und warf nach dem "Dieb"! Verfehlte ihn! Traf aber eine riesengroße Schaufensterscheibe von dem Einkaufsmarkt, in dem meine Mutter immer einkaufte! War ein ganz kleines Loch links unten in der Ecke. Die Scheibe war getönt: man konnte also vom Laden aus nicht direkt nach draußen sehen! Ich nahm also den anderen Schuh in die Hand und rannte weg! Wie alle anderen auch!
Zuhause angekommen kam meine Mutter recht schnell darauf, dass mir ein Schuh fehlte :-)
Ich erzählte ihr die ganze Geschichte und trat dann den wohl schwersten Weg meines damaligen Lebens an: Meine Mutter nahm mich an die Hand und wir gingen gemeinsam zu dem Laden! Sie erzählte den Verkäuferinnen, was sich abgespielt hatte! Ich stand recht bedröppelt daneben.
Die Verkäuferinnen glaubten meiner Mutter fast nicht! Sagten, dass dass doch eher die gewesen sein mußten, die sie dort gesehen hatten (die mich bestohlen hatten)!


Und so ist auch meine zweite Geschichte! Da war ich selber erst einmal der Leittragende!
Ich saß vor etwa 25 Jahren mal im Flughafen von Luxemburg. Die Bank, auf der ich saß, stand direkt unter einer Art Empore: Direkt über mir war das Geländer als Abgrenzung des nächsten Stockwerks.
Nach einer Weile fielen mir kleine Teile auf den Kopf: zuerst ein Streichholz. Dann eine Zigarettenkippe. Ich stand auf, ging in ein Stück in die Halle hinein und drehte mich dann plötzlich um!

Oben standen ein Mädchen und ein Junge in eben dem Alter, wo man mal Dummheiten macht und schauten nach mir!
Ich ging zurück, die Treppe hinauf und "Schwupps" waren die beiden hinter einer Dame verschwunden, die ich für ihre Mutter halten konnte.
Der Mutter sagte ich, dass es für mich den Anschein hatte, dass ihre Kinder mir die Einzelteile eines Aschenbechers auf den Kopf geleert hätten. Sie sah ihre Kinder fragend an. Die beiden sagten, dass sie so etwas niemals getan hätten.
Darauf ich: für mich sah es halt so aus. Ich bat sie nur, vielleicht ein wenig acht zu geben.
Danach ging ich zurück und setzt mich auf genau dieselbe Bank.
Du wirst nicht glauben, was geschah!
Nach einiger Zeit kam die Mutter mit ihren beiden Kindern an der Hand zu mir. Sie sagte nichts und überließ es ihren Kindern, sich bei mir zu entschuldigen.
Was bei mir damals geschah? Ich hätte beide am liebsten in den Arm genommen! Nicht für den Blödsinn! Aber für diese ungeheure Stärke, sich ihren Blödsinn einzugestehen und dafür die Konsequenzen zu tragen!
Und die Mutter hat mich beeindruckt, weil sie zwar einerseits voll hinter ihren Kindern stand! Aber sie auch gelehrt hat, dass man einiges einfach selber erledigen muß!

Du weißt, was ich Dir damit sagen will?
Meine erste Geschichte mag Deiner recht nahe kommen: irgendwie mag mich damals erst die Angst getrieben haben, dass die Wahrheit irgendwo "aufgezeichnet" oder sonstwie raus kommen könnte. Das war meiner Mutter total egal! Sie wollte für sich selber und für mich, dass wir jederzeit den Verkäuferinnen in dem Einkaufsmarkt wieder in die Augen schauen konnten!
Meine zweite Geschichte soll Dir sagen, dass ein ruhiges Gewissen auch dann etwas tolles ist, wenn keine Gefahr besteht, dass Du entdeckt wirst!
Zu viele von uns! Viele, die sehr viel älter sind als Du, haben nicht so sehr Bauchschmerzen, weil sie wissen, dass sie etwas falsch gemacht haben! Sondern haben zuerst Angst davor, erwischt zu werden!
Das finde ich falsch!
Man darf einigen Blödsinn bauen! Am Ende zählt, dass wir bereit sind, dazu zu stehen! Und notfalls die Konsequenzen für unser Fehlverhalten zu tragen! Das ist sicherlich der einfachere Weg, ein reines Gewissen zu behalten: wenn man lernt, vorher auf sein Gewissen zu hören! Nicht erst, wenn Strafe droht!

Dir mag das vielleicht weit hergeholt zu sein. Und ich will Dir sicherlich nicht noch mehr Angst machen! Aber denke auch daran, dass unser Fehlverhalten, sobald andere davon wissen, uns auch "erpressbar" macht!
"Wenn Du nicht tust, was ich Dir sage, dann erzähle ich Deiner Mutter davon". So oder ähnlich kann Erpressung aussehen!

Was ist dann besser, als dem Erpresser sagen zu können, dass er zu spät kommt? Dass Du schon alles gebeichtet hast!

Liebe De,

so wirklich weiß ich nicht, wie Du es am besten hinter Dich bringst. Eines verstehe ich nicht. Du schreibst: " .... denn wenn meine Mutter etwas davon erfahren würde, könnte sie mir niemals wieder vertrauen."
Das ist irgendwie falsch rum gedacht!
Das haben Dir hoffentlich meine beiden Geschichten gezeigt: Die Mutter auf dem Flughafen war sicherlich unheimlich stolz auf ihre Kinder, die ihr dann doch noch die Wahrheit gesagt hatten! Freiwillig! Und die diesen wirklich sehr schweren Gang mit ihr zusammen gegangen sind, sich bei mir zu entschuldigen! Brauchten sie doch eigentlich nicht: ich hatte für mich die Sache abgehakt. Sie hätten ungestraft weiter lügen können! Und das wussten sie!
So entsteht Vertrauen! Verlieren wird Deine Mutter ihr Vertrauen, wenn sie die Geschichte von einem Anderen hört!

Und wenn Du es ihr erzählst und sie böse auf Dich ist: zeige ihr unsere beiden Romane :-)
Und wenn sie dann nicht weiß, was zutun ist, soll sie mich bitte selber hier anschreiben!

Ich fand es schon sehr mutig von Dir, hier zu schreiben! Es braucht nicht viel mehr Mut, Deiner Mutter alles zu beichten!
Diesen Mut wünsche ich Dir von ganzem Herzen!

Alles Liebe,

Bernd