Problem von Anonym - 18 Jahre

Mehrere Probleme (Depression, Suizidgedanken..)

Hallo,

ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll.... ich weiß nicht mal genau was mein Problem ist. Es ist einfach nur so, dass ich nicht mehr kann...

Also...meine Eltern haben sich getrennt als ich noch sehr klein war. Bis ich ca. 7 war haben wir in der Zeit bei meinen Großeltern gelebt. Mein Vater war sehr brutal. Er hat meine Mutter mehrmals Krankenhausreif geprügelt (mehrere Rippen gebrochen, Nase gebrochen, eine Fehlgeburt wegen ihm etc. ). Zudem war und ist er Alkoholiker. Er hat mal seinen Freund mit einem Messer erstochen und ein paar Jahre im Gefängnis verbracht. Zu der Zeit war ich noch nicht auf der Welt. Bei meinen Großeltern bekamen wir jedoch auch keine Ruhe und da meine Mutter große Angst um mich hatte, hat sie, um nach Deutschland kommen zu können mit nem Mann, den sie gar nicht kennt geheiratet. Meine beiden Brüder konnte sie nicht mitnehmen. Er hatte sie eingesperrt. Sie wollte sie später dazu holen, was aber nicht geklappt hat.

Auf jeden Fall waren wir dann in Deutschland und alles war neu für mich. Ich konnte kein einziges Wort deutsch und musste die 1. Klasse wiederholen. Der Mann, der meiner Mutter so vieles versprochen hatte war auch nur ein Ar***. Er hatte uns verboten raus zu gehen und ich musste immer ganz allein und ruhig im Zimmer bleiben. Da hatte ich auch plötzlich eine imaginäre Freundin, der ich all meine Sorgen erzählt hab. Wenn ich jetzt so über die Zeit nachdenke, dann fällt mir auf, dass ich mich zu der Zeit immer selbst geschlagen habe. Ich habe mich immer wenn ich etwas falsches gemacht habe und Ärger bekam selbst bestraft und selber geschlagen...

Dann nach einem Jahr sind wir durch die Hilfe meiner Tanten in ein Frauenheim geflüchtet. Dort waren wir dann für ca. 4 Monate. Später sind wir in eine eigene Wohnung umgezogen. Meine Grundschulzeit verlief eigentlich ganz gut. Es gab immer mal wieder kleine Probleme und Zwischenfälle z.B. hat uns mal ein Mann mit einem Messer bedroht. Aber insgesamt war es ok. Dann zogen wir mehrmals um.

Als ich in der 8. war, wurden die Depressionen von meiner Mutter immer schlimmer. Sie fiel öfters um, bekam keine Luft, schrie in der Nacht und hatte Panikattacken. Das alles belastete mich natürlich sehr und ich fing an die Schule zu schwänzen. Ich. Jemand der vorher noch nie soetwas gemacht hat. Ich fehlte manchmal bis zu 4 Wochen am Stück, wodurch wir dann umzogen und ich die Schule wechselte. Es sollte sozusagen ein Neuanfang sein, aber eigentlich bin ich nur vor der Realität geflüchtet. Dann machte ich den gleichen Fehler wieder...2 Jahre lang.Wiederholte die 9... fiel auf die Real runter. Irgendwie schaffte ich es aber doch und jetzt bin ich aufm Gymnasium in der 10. Klasse.

Zu der Zeit, wo es meiner Mutter sehr schlecht ging, hatte ich sehr starke Suizidgedanken. Ich wollte einfach nur sterben und hab darüber nachgedacht, wie es am einfachsten und schnellsten ginge. Aber ganz ehrlich..ich hätte es niemals gemacht. Ich bin einfach zu Feige dafür.Auch bin ich nie rausgegangen. Ich war mal 2 Monate am Stück zu Hause.

Wie man sieht ist es ein großes Problem mit mehreren kleinen, die sich mit der Zeit angehauft haben. Es ist durchaus viel mehr passiert. Doch das alles jetzt hier zu erzählen würde viel zu lange dauern....
Im Moment geht es mir wieder schlecht. Ich denke daran mich zu ritzen, was ich aber auch nicht machen würde. Aber ab und zu schlag ich mich oder kratze mich...ich bin einfach überfordert. Ich überlege schon seit langem zu einem Psychologen zu gehen, aber ich habe Angst. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich kann gar nicht über meine Probleme reden. Das ist auch das erste Mal, dass ich mir "Hilfe" suche...

Ich hoffe Ihr könnt mir etwas weiter helfen...vielen Dank schonmal und tut mir leid, dass es so lang geworden ist.

Carmen Anwort von Carmen

Liebe Unbekannte,

es ist mutig und wirklich toll von dir, dass du dich an uns gewendet hast.
Du beschreibst ein Leben, das sehr viele schlimmen Zeiten und Erlebnisse beinhaltet. Ich habe großen Respekt davor, wie du und deine Mutter sich durchgeschlagen haben. Du kannst stolz auf sie sein, dass sie die Kraft hatte dich und sich selbst vor den Arschlöchern von Männern, die ihr begegnet sind, zu schützen. Und du kannst stolz auf dich selbst sein, wie du dich auch in der Schule wieder hochgearbeitet hast.

Du reflektierst selber schon ziemlich genau, wie du als Kind versucht hast die Belastungen irgendwie zu kompensieren. Selbstverletzendes Verhalten dient meistens dazu, den seelischen Schmerz durch körperlichen Schmerz zu verarbeiten. Und es ist wirklich kein Wunder, dass es dir zuviel wurde. Auch deine Mutter mag eine starke Frau sein, aber sie hat soviel Schlimmes erlebt, dass sie es nicht mehr ohne Hilfe verarbeiten kann. Auch hat sie deine Brüder verloren, wenn ich dich richtig verstehe, und das ist für eine Mutter schrecklich.
Und ich kann sehr gut verstehen, dass du dadurch auch wieder belastet wurdest und wirst. Damit steckt ihr beide eigentlich in einem kleinen Teufelskreis, denn sicherlich belastet es auch wieder deine Mutter, dass du die Schule schwänzt und dich selbst verletzt (dazu gehört auch das Schlagen und kratzen u.ä.).
Und du bist nicht zu feige, um dich umzubringen. Du bist zu mutig. Denn wer sich umbringt, der traut sich nicht an das Leben. Ich werde versuchen dir so gut wie möglich Ratschläge zu geben, damit du verarbeiten kannst,was du erlebt hast. Damit du wieder die schönen Seiten des Lebens siehst, deinen Abschluss machen kannst und es auch deiner Mutter besser geht. Nichts muss so bleiben wie es ist. Du bist kein kleines Mädchen mehr, dass im Zimmer eingesperrt wird. Du kannst dich dafür entscheiden etwas zu verändern und dein Leben selbst viel glücklicher machen. Den ersten Schritt hast du bereits getan. Du hast dir das erste Mal "Hilfe" geholt. Mit den Anführungszeichen hast du natürlich Recht, wir sind weder professionell noch können wir mehr tun, als dir eine Nachricht zu schreiben. Aber ich hoffe, dir zeigen zu können, dass es viele andere Möglichkeiten gibt, Hilfe zu finden.

Du schreibst, dass du schon lange überlegst zu einem Psychologen zu gehen. Es ist klar, dass du Angst hast. Es ist auch klar, dass du dir nicht vorstellen kannst, irgendwem einfach von deinen Problemen zu erzählen. Ich kenne einige gute Freunde, die eine Therapie gemacht habe, aus verschiedensten Gründen. Jeder von ihnen hat Überwindung gebraucht. Und jeder von ihnen hat es danach als eine wirklich gute Entscheidung gesehen. Und jeder hat die Therapie als hilfreich empfunden und es geht ihnen besser. Auch für dich ist es die beste Möglichkeit, Hilfe zu finden. Du wirst nicht gleich dein Leben ausbreiten müssen, und du wirst auch erst deinen Therapeuten ein wenig kennenlernen, bevor du ihn oder sie näher an dich heranlässt. Und du hast immer ein paar Probetermine, um zu sehen, wie du mit dem Therapeuten klar kommst. Falls du dich unwohl fühlst, ist es am besten einen anderen auszuprobieren. Eine Therapie besteht auch nicht bloß aus einer Analyse deiner Lebensgeschichte, wie man vllt vermutet. Du wirst z.B. lernen, mit deinem Drang dich selbst zu verletzten besser umgehen zu können. Dafür will ich dir aber auch noch einen Link mit guten Tipps geben, die beziehen sich zwar hauptsächlich aufs Ritzen, die Ratschläge werden aber auch dir helfen: http://rotelinien.de ; http://rotelinien.de/alternativen.html
Du kannst auch daran denken, dass Therapeuten ganz normale Menschen sind. Sie unterscheiden sich nur darin, dass sie dazu ausgebildet wurden, Menschen zu helfen, mit ihren Problemen umzugehen und ihren eigenen Weg zu finden.
Und es ist auch nicht peinlich oder irgendwie unnormal, sich Hilfe zu suchen. Ich bin mir sicher, dass nicht viele Menschen so gut gekämpft hätten wie du. Und du bist auch sicherlich schlau und stark genug um zu verstehen, dass es leichter ist sich helfen zu lassen. Ich hoffe, dir klar gemacht zu haben, dass es keinen Grund gibt Angst zu haben. Du wirst viel erreichen mit der Hilfe eines Therapeuten. Die heißen übrigens eigentlich psychologische Psychotherapeuten (Studium der Psychologie&Ausbildung zum Therapeuten dazu) und du findest am besten einen in deiner Nähe über Google. Du musst auch nicht vorher zum Hausarzt gehen (aber kannst, falls du eine Empfehlung willst) sondern kannst dir direkt einen Termin ausmachen. Deine Krankenkasse wird das Ganze bezahlen, und auch ein Therapeut unterliegt der Schweigepflicht.
Übrigens gibt es auch Familientherapeuten (das heißt nicht, dass du und deine Mutter gemeinsam in jeder Sitzung sind), aber es wird euch beiden und auch eurer Beziehung geholfen. Du hast nicht geschrieben, wie es deiner Mutter zur Zeit geht, aber es klingt als würde es ihr und damit auch dir helfen. Falls dir die Vorstellung unangenehm ist und du lieber alleine bei deinem Therapeuten sein willst, rate ich dir zu einem Jugendtherapeuten. Und vielleicht kannst du ja auch mal deine Mutter darauf ansprechen, ob sie sich nicht auch Hilfe suchen möchte.

Bitte, trau dich. Du kannst nichts verlieren, aber sehr sehr viel gewinnen.
Ich wünsche dir und deine Mutter alles Gute und viel Kraft.
Du kannst uns gerne wieder schreiben, wenn du noch fragen hast oder einfach noch was loswerden willst.

Carmen